Hamburg. Der Stürmer spielt seit 23 Jahren bei den Crocodiles Eishockey und ist überwältigt vom Wandel des Clubs.

Auch an diesem Freitagabend wird Tobias Bruns wieder eine Gänsehaut bekommen. So ist es bislang bei jedem Heimspiel gewesen, in dem der Eishockeystürmer in dieser Oberligasaison für die Crocodiles Hamburg aufgelaufen ist, warum also sollte es sich ändern, wenn das Team heute um 20 Uhr im Eisland Farmsen die Wedemark Scorpions empfängt? Es ist diese besondere Atmosphäre, wenn er mit den Fans Siege feiert, die Bruns erschaudern lässt. „Früher“, sagt er, „da waren 350 Zuschauer schon viel, und wir haben meistens auf den Sack gekriegt. Heute sind immer mindestens 1500 da, und wir gewinnen. Das genieße ich einfach nur.“

Früher, das ist gar nicht so lang her, genau genommen nur etwas mehr als ein halbes Jahr. Die Crocodiles hatten in einer furiosen Abstiegsrunde den kaum für möglich gehaltenen Klassenerhalt geschafft und fragten sich, wie eine bessere Zukunft aussehen könnte – als die Anschutz Entertainment Group als Eigner völlig überraschend die Hamburg Freezers vom Spielbetrieb in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) abmeldete. Über Nacht waren die Krokodile die Nummer eins im Hamburger Eishockey, nichts war mehr, wie es immer war.

Als Jugendlicher im Fanblock

Nichts ist natürlich übertrieben, und Tobias Bruns ist dafür das beste Beispiel. Seit seinem vierten Lebensjahr und mithin seit 23 Jahren ist der 27-Jährige nun Mitglied der im Farmsener TV beheimateten Eishockeysparte. Kaum jemand kann also besser einschätzen, was der Wandel der vergangenen Monate bedeutet für einen Club, der auch schon viele dunkle Momente erlebt hat. „Das Wichtigste“, sagt Bruns deshalb, „das ist die Tatsache, dass auch in schlechten Zeiten immer Menschen hier waren, die sich engagiert haben. Und genau die verdienen es, jetzt erleben zu dürfen, dass Hamburg auf die Croco­diles schaut.“

Den Blick von außen hat sich der in Bramfeld aufgewachsene Angreifer zu bewahren versucht. Als Jugendlicher stand er mit seinem Vater und seinem Bruder im Fanblock und jubelte Greg Thomson zu, seinem Idol, dessen Rückennummer 15 er heute mit Stolz trägt. Während der Jugend spielte er vier Jahre beim HSV, „weil ich dort in der Jugendbundesliga Erfahrungen sammeln konnte“, und dann noch einmal zwei Jahre lang im Herrenbereich, weil sein Bruder Daniel vom Stadtrivalen einen Ausbildungsplatz vermittelt bekommen hatte und die beiden nicht gegeneinander antreten wollten. Im Herzen jedoch, da trug Tobias Bruns immer nur die Crocodiles.

Seit er im Sommer 2013 zurückkehrte an den Berner Heerweg, war der Weg des Clubs eine stete Berg- und Talfahrt. „Es gab Zeiten, da schien genug Geld da zu sein, um eine starke Truppe zusammenzustellen, dann wieder wussten wir manchmal nicht, wie es überhaupt noch e ine weitere Woche gehen sollte“, erinnert er sich. Umso euphorisierter war das Umfeld dann, als das Freezers-Aus die Crocodiles auf die große Eisfläche spülte.

Bruns versuchte, als Mahner gehört zu werden und die Relationen zu wahren. „Klar ist es gut für uns, dass wir jetzt die Nummer eins in der Stadt sind. Aber für das Eishockey in Hamburg war es erst einmal schlecht, das DEL-Team zu verlieren, deshalb habe ich die Nachricht mit einem lachenden und einem weinenden Auge aufgenommen“, sagt er.

Spieler wie Bruns sind unerlässlich

Tobias Bruns hat sich im Sommer mehrfach gefragt, ob das, was seinem Club widerfahren ist, verdient war oder nur eine glückliche Fügung. Die Antwort hat er aus einer Mischung zusammengerührt. „Wir haben es uns verdient, weil wir in der Abstiegsrunde alles reingeworfen haben, was wir hatten. Und es war Glück, dass in der Saison ausgerechnet der HSV abgestiegen ist und wir somit als Nachfolger der Freezers gesetzt waren“, sagt er.

Mit bislang sechs Toren und zwei Assists in 21 Spielen ist der 1,79 Meter große Stürmer kein Leistungsträger. Dennoch sind Spieler wie er unerlässlich für Vereine wie die Crocodiles, wenn der Aufbau behutsam und kontinuierlich erfolgen und nicht wie eine Übernahme aussehen soll. Genau das hatten nämlich eine Reihe an alteingesessenen Fans befürchtet, die gehässige Bezeichnung „Freezers 2.0“ machte die Runde angesichts der vielen Fans, die ihrem Kapitän und Idol Christoph Schubert nach Farmsen gefolgt waren.

Weiterhin harte Strapazen

Bruns hat Verständnis für derlei Sorgen, wirbt jedoch darum, das Positive zu sehen: „Natürlich kann es sein, dass in ein paar Jahren alles wieder auf dem alten Stand ist. Aber das Potenzial ist riesig, und gerade deshalb ist es wichtig, dass der Aufbau nachhaltig erfolgt. Jeder, der ein Herz für diesen Club hat, muss erkennen, wie viel Gutes uns gerade passiert“, sagt er.

Weil er das erkannt hat, nimmt er auch weiterhin harte Strapazen auf sich. Als Freier Mitarbeiter der Onlineredaktion der Ostsee-Zeitung pendelt Bruns jeden Dienstag- und Mittwochabend und zusätzlich zu den Spielen von Rostock nach Hamburg. 7000 Kilometer kommen so Monat für Monat zusammen, manchmal rast er freitags mit Dauergas bei 180 km/h über die Autobahn, um pünktlich im Eisland Farmsen anzukommen. Wenn er dann jedoch aufs Eis läuft, im rot-schwarzen Dress mit der 15 auf dem Rücken, und ihn die Gänsehaut packt, dann weiß Tobias Bruns, wofür sich all der Aufwand lohnt.