Hamburg. Reo Fujimoto, Hiroaki Kozai und Mitsugu Chiwaki sind Leistungsträger bei den BG Baskets im HSV.

Dieser rote Apfel? Skepsis. Große Skepsis. Sieht auch irgendwie ungesund aus. Wie ein brutaler Zahnkiller. Und was man nicht kennt ... Obwohl: Sehr schön rot ist er ja schon und glänzend glasig. „Wie isst man das?“ Ein Lächeln. Echt reinbeißen? Eher nicht. Noch ein höfliches Lächeln. „Ich liebe Weihnachtsmärkte“, sagt Reo Fujimoto. Aber dieser Liebesapfel, das ist nicht so seins.

Mit seinen Mannschaftskameraden der BG Baskets und der japanischen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft, Hiroaki Kozai und Mitsugu Chiwaki, hat sich der Center auf dem Bergedorfer Wichtelmarkt zwischen St.-Petri-und-Pauli-Kirche und Schloss mit dem Abendblatt getroffen. „Ich bin ja schon im vierten Jahr in Hamburg“, sagt Kozai, „und ich gehe jedes Jahr auf den Weihnachtsmarkt. In Japan haben wir das als buddhistisch geprägtes Land so nicht.“ Der 28 Jahre alte Forward, der ohne Beine geboren wurde, ist irgendwie „verantwortlich“ für die hamburgisch-japanische Sportfreundschaft unter dem Korb. „Ich habe ihn in den USA kennengelernt, wo er am College gespielt hat“, erzählt Trainer Holger Glinicki, „ich habe ihn dann nach Hamburg geholt, und es hat ihm hier gut gefallen.“

Kozai ist das genaue Gegenteil von dem, wie sich Herr Vorurteil einen Japaner vorstellt. Der ausgebildete Sportmanager spricht durch sein Studium in Illinois fließend Englisch, ist extrovertiert, lacht gern, lebt gern, geht auf Leute zu, ein Kommunikator. Der „Boss“ des Hamburger Trios, auch weil er als Übersetzer von Sprache und Lebenslagen für seine Landsleute tätig ist. Durch seine Vermittlung kamen vor zwei Jahren der unterschenkelamputierte Fujimoto (33) und 2015 der querschnittsgelähmte Chiwaki (35) zu den BG Baskets. Hamburg? „Schöne Stadt.“ Und die Deutschen? „Es wird mehr auf den Einzelnen geachtet, bei uns zählt der Teamerfolg mehr“, hat Chiwaki beobachtet, „und komisch ist, dass es in der Sporthalle keine getrennten Duschen für Männer und Frauen gibt.“

Teamsprache ist Englisch

Beim Neuaufbau des HSV-Teams vor dieser Saison sind die Asiaten die einzig Übriggebliebenen. „Wir als Veteranen sollten das Team auch mitführen, diese Verantwortung sehe ich“, sagt Kozai, „wir haben so viel Talent in der Mannschaft, aber weil so viele Spieler neu sind, wissen wir manchmal noch nicht, wie wir als Team zusammenspielen müssen.“ Der Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft ist nun größer, die Leistung muss auch im Training stimmen. Das merkt sogar ein Scharfschütze wie Kozai, der nicht mehr jedes Spiel durchspielen kann. „Dennoch profitiert er vom internen Konkurrenzkampf und dem hohen Niveau der Mitspieler“, meint Glinicki. „Sie haben keinerlei Starallüren, und es ist leicht, mit ihnen zu arbeiten“, lobt der Trainer: „Aber natürlich sind sie auch oft zusammen und machen ihren eigenen Kram.“

Zum Beispiel? „Wir gehen oft japanisch essen oder kochen zusammen, Reo ist ein guter Koch“, erzählt der eher ruhige Chiwaki, der noch die größten Probleme mit seinen Englischkenntnissen hat. Ganz zu schweigen von Deutsch. „Das ist sehr schwer.“ „Danke, bitte, guten Tag und Sch...“, das kann er unmissverständlich sagen. Die Teamsprache ist Englisch, davon hat laut Glinicki Center Fujimoto stark profitiert: „Er ist sehr viel besser in Englisch und auch Deutsch geworden.“

Die Spieler wohnen in Appartements des Berufsgenossenschaftlichen (BG) Klinikums am Boberg, jeder hat eineinhalb Zimmer, Küche, Bad, Balkon. Die Privatsphäre ist gewahrt. Heimweh, sagen sie, haben sie nicht. Chiwaki und Kozai sind Singles, Fujimoto ist verheiratet. Seine Frau kommt in dieser Woche, bevor sie kurz vor Weihnachten für zwei Wochen nach Japan fliegen. „Durchs Internet oder Skype sehen wir uns regelmäßig, das ist okay für mich“, sagt Fujimoto: „Ich weiß aber nicht, ob meine Frau das auch so sagt.“ Dann lacht er wieder. So, wie sie viel lachen untereinander.

Sportliches Nahziel ist die Weltmeisterschaft 2018

Alle drei waren mit ihrer Nationalmannschaft in Rio bei den Paralympics am Start. Platz zehn war weniger als erhofft. Aber die Atmosphäre in Rio, die sei großartig gewesen. Und die Aufmerksamkeit für ihren Sport daheim ist auch gewachsen, schließlich richtet Tokio 2020 die Olympischen und die Pa­ralympischen Spiele aus. „Wir sind dadurch mehr in den Fokus geraten, auch das Interesse der Fans ist gestiegen“, sagt Fujimoto. Er und Chiwaki werden auch deshalb zum größten Teil von japanischen Firmen bezahlt, bei denen sie unter Vertrag stehen. Die BG Baskets müssen „nur“ Heimflüge, Kost und Logis übernehmen.

„Das Niveau in der Bundesliga ist sehr hoch, davon profitieren wir“, sagt Chiwaki. Das sportliche Nahziel ist die Weltmeisterschaft 2018, die ja in Hamburg ausgetragen wird. Nur der ältere Chiwaki „schaut von Jahr zu Jahr“. Der ausgebildete Kaufmann weiß auch schon, dass er nach der Karriere „nichts mit Basketball machen will“. Das ist bei seinen Kollegen anders. Fujimoto strebt ins Trainergeschäft, Kozai „möchte in Japan Rollstuhlbasketball größer aufbauen“.

Zukunftsmusik. Noch sind sie Profis in Hamburg, verfolgen mit den BG Baskets ihre sportlichen Ziele. Platz drei belegt die ambitionierte Mannschaft, gegen die Topteams Thuringia Bulls und RSV Lahn-Dill gab es jedoch deftige Niederlagen. Das soll im neuen Jahr anders werden. In einer spielfreien Woche vor der nächsten Heimpartie in der Inselparkhalle am 10. Dezember (18.30 Uhr) gegen Köln aber können sie die deutsche Vorweihnachtszeit mit den Weihnachtsmärkten richtig genießen. „Glühwein und Bratwurst, die mag ich gern“, sagt Kozai. Liebesapfel muss auch wirklich nicht sein.