Hamburg. Hamburgs Rollstuhl-Basketballer starten am Sonntag in die Saison. Ziel ist der Gewinn der deutschen Meisterschaft

„One, two, three – zero“. Trainingssprache ist Englisch in der Inselparkhalle. Auch und gerade bei der abschließenden Wurfübung nach der 90-minütigen Einheit. Die Trefferserien müssen gezählt werden, eins, zwei, drei – Fehlwurf. Draußen sitzt Trainer Holger Glinicki (63) und schaut sich die Bemühungen seiner internationalen Allstartruppe kritisch an. „Eigentlich sind zehn Tage Vorbereitung auf die Bundesliga zu wenig“, sagt der erfahrene Coach. Schon an diesem Sonntag (14 Uhr, Inselparkhalle) geht es los – die BG Baskets empfangen die Dolphins Trier – Neustart des Rollstuhlbasketballteams des HSV.

„Es ist die beste Mannschaft, die wir jemals hatten“, sagt Glinicki, „wir haben uns nach der vergangenen Saison gesagt: Wenn wir den nächsten Schritt machen wollen, müssen wir den Kader umbauen.“ Und sie wollen den nächsten Schritt machen – nach oben. Sieben Neuzugänge sind da, darunter absolute Weltklassespieler wie der Brite Gaz Choudhry (31), ein dreimaliger Europameister. „Hamburgs Entwicklung in den letzten fünf Jahren ist beeindruckend“, sagt Choudry, der vom italienischen Club Briantea 84 Cantú nach Hamburg gekommen ist, „ich freue mich darauf, hier mit Weltklassespielern zusammenspielen zu können.“

Die beiden deutschen Nationalspieler Kai Möller und Matthias Heimbach kamen aus Kaiserslautern, der Kanadier Nik Goncin, der Lette Karlis Podnieks und der US-Star Jake Williams haben sich ebenfalls für die BG Baskets entschieden. Lediglich die drei Japaner Mitsugu Chiweki, Reo Fujimoto und Hiro Kozai sind noch aus dem vergangenen Jahr dabei.

Das liegt auch daran, dass die beiden deutschen Paralympicssiegerinnen von 2012, Gesche Schünemann und Annika Zeyen, ihre Laufbahn nach den Spielen in Rio beendet haben. Einzige weibliche Spielerin im Team ist Anne Patzwald (27), die vom Zweitligisten Warendorf kam und ebenfalls in Brasilien Silber gewonnen hat. „Es wäre schön gewesen, wenn Gesche und Anni noch hier spielen würden, aber ich bin es gewohnt, die einzige Frau zu sein“, sagt sie. Vor zwei Wochen erst stand ihr Wechsel nach Hamburg fest, jetzt ist sie dabei anzukommen. „Die Stadt ist doch sehr groß, daran muss ich mich noch gewöhnen“, sagt die Ergotherapeutin, die auch noch auf Jobsuche ist.

Damit ist die 28-Jährige eine Ausnahme. Die meisten ihrer Mitspieler sind Berufsspieler. Rollstuhlbasketball auf Weltniveau ist knallhartes Profigeschäft. Rund eine Million Euro immerhin beträgt der Jahresetat von Marktführer Galatasaray Istanbul, das teuerste deutsche Team RSV Lahn-Dill aus Wetzlar kann angeblich eine halbe Million in die Mannschaft stecken. Davon ist Hamburg noch ein ganzes Stück entfernt, der Etat aber wurde gegenüber der vorigen Saison um 50 Prozent erhöht. Möglich ist das auch, weil der HSV e. V. die leistungsorientierte Entwicklung der Mannschaft seit drei Jahren mitgeht und sie als „Topteam“ unterstützt. Dieser höchsten Förderkategorie des Vereins gehören auch die Beachvolleyball-Olympiasieger Laura Ludwig und Kira Walkenhorst an.

„Wir geben einen mittleren fünfstelligen Betrag“, sagt HSV-e.-V.-Geschäftsführer Jörn Spuida, „wir haben etwas kontinuierlich aufgebaut und sehen das als langfristiges Projekt.“ Den Rest tragen überwiegend die Sponsoren bei, in erster Linie das BG Klinikum Hamburg in Boberg, das so etwas wie die „ideelle Heimat“ des Rollstuhlbasketballs ist. Dort wird nicht nur Bares investiert, sondern vor allem das gesamte leistungssportliche Umfeld zur Verfügung gestellt. Die Spieler wohnen dort, essen in der Mensa, können die sportmedizinischen und physiotherapeutischen Einrichtungen nutzen.

„Die Organisation hier ist weltklasse“, lobt der US-amerikanische Spielmacher Jake Williams (25) seinen neuen Club, „wir haben wirklich alles, was wir brauchen, in Reichweite.“ Andererseits sind die Topspieler im Klinikum ständig präsent. Spitzensport und Rehasport greifen eng ineinander. Gerade Rollstuhlbasketball ist ein wichtiges Therapiemittel für Verunfallte, die in dem BG-Klinikum betreut werden. Die BG Baskets können deshalb auch eine Vorbildfunktion haben. Mit der von Anfang an behindertengerecht geplanten Inselparkhalle, dem Bundesstützpunkt und der Weltmeisterschaft 2018 hat sich Hamburg zu einem Zentrum für den rasanten und sehr physischen Sport entwickelt. „Wir sehen das Team natürlich auch als ein Aushängeschild für die WM “, sagt Spuida.

Das Ziel ist also klar, das Personal für den Angriff ganz oben vorhanden. „Meine Aufgabe ist es, aus Topspielern eine Topmannschaft zu machen“, weiß Glinicki: „Ich erwarte einen Dreikampf mit Doublesieger Thüringen und Lahn-Dill. Und wir wollen nicht Dritter werden.“ Es sind sein Team, seine Spieler und sein Druck, den er gern annimmt: „Ich hatte beim Kader für dieses Jahr freie Hand und konnte alle Spieler bekommen, die ich haben wollte.“

„Thirtyone!“ Bis zum 31. Treffer in Folge haben sie diesmal die Bälle im Korb versenkt. Es läuft – überall. „Mein Englisch ist ja eigentlich leider nicht so gut“, sagt Anne Patzwald, „aber auf dem Feld wird auch das immer besser.“