Hamburg. Nach der Verletzung von Torwart Robin Himmelmann ist beim FC St. Pauli mit Philipp Heerwagen der älteste Profi im Kader gefordert.

Am Sonnabendnachmittag konnte sich Philipp Heerwagen schon einmal daran gewöhnen, wie es sich anfühlt, im Rampenlicht zu stehen. Der Torhüter des FC St. Pauli besuchte anlässlich einer Weihnachtsfeier die Sternschanzenschule, schrieb Autogramme und beantwortete Fragen für die Schülerzeitung. Zu erzählen hatte der 33-Jährige einiges, lagen aufregende Stunden hinter dem erfahrenen Keeper.

Heute MRT-Untersuchung

Freitagabend, Millerntor-Stadion, Minute 27: Stammkeeper Robin Himmelmann zeigte vor dem unmittelbar bevorstehenden Elfmeter von Kaiserslauterns Zoltan Stieber an, dass er nicht mehr weitermachen kann. Eine MRT-Untersuchung an diesem Montag soll Aufschluss über die Schwere der Hüftverletzung beim 27-Jährigen geben.

Es schlug die Stunde des Philipp Heerwagen. Unter tosendem Applaus betrat der Ersatztorhüter den Platz. „Ich war so fokussiert, auf dem Platz habe ich das gar nicht mitbekommen, erst als ich Videos gesehen habe, merkte ich: Oh, krass: 30.000 Menschen kennen deinen Namen“, wunderte sich Heerwagen, dessen Einwechslung eine gefühlte Ewigkeit gedauert hatte. Umziehen, ein wenig aufwärmen, auf den Platz gehen, zwischen den Pfosten noch ein paar Dehnübungen machen.

Heerwagen kennt die Psychospielchen

Heerwagen, seit 16 Jahren im Profigeschäft, wusste, welche Psychospielchen helfen können, um einen Elfmeterschützen zu verunsichern. „Der Schiedsrichter hatte viel Verständnis. Er hat mich einfach geduzt, und meinte: Philipp, wenn du bereit bist, gibst du mir ein Zeichen. Das war nett“, scherzte der Schlussmann und ergänzte: „Eigentlich wollte ich dem Schützen den Ball vom Elfmeterpunkt nehmen, aber das wäre dann doch zu unsportlich gewesen.“

Stammtorwart Robin Himmelmann droht eine längere Pause
Stammtorwart Robin Himmelmann droht eine längere Pause © dpa | Axel Heimken

Es hatte auch so gereicht. Stieber schoss den Ball am Tor vorbei. Anschließend hatte auch Heerwagen seinen Anteil daran, dass St. Pauli zum ersten Mal in dieser Saison zu null spielen konnte.

Drei Liga-Einsätze

„Es klingt vielleicht melancholisch, aber es war schon cool, wenn man runterguckt und das St.-Pauli-Logo sieht“, so Heerwagen, dem anzumerken ist, wie froh er ist, endlich seine Chance zu bekommen.

Seit 2013 steht der ehemalige Bochumer beim Kiezclub unter Vertrag. Die überschaubare Bilanz bisher: Drei Einsätze in der Liga, ein Einsatz im DFB-Pokal. Hinzu kommen 26 Spiele für die U23 der Hamburger. Für Heerwagen ist es nun die Chance, zu zeigen, dass er auch im zarten Alter von 33 immer noch in der Lage ist, ein guter Zweitligakeeper zu sein. „Ich bereite mich in der Woche immer so vor, als würde ich spielen, auch wenn die Chance gering ist. Aber wenn ich mich immer gut vorbereite, kann mir nichts passieren, wenn ich dann doch mal zum Einsatz komme“, sagte Heerwagen.

Wie wichtig der 1,93 Meter große Schlussmann für St. Pauli ist, zeigt die Tatsache, dass er trotz seiner Reservistenrolle im Mannschaftsrat ist.

Er hat die meiste Profierfahrung

Heerwagen genießt innerhalb der Mannschaft ein hohes Ansehen, weil er sich stets loyal als Teamplayer präsentiert. „Wenn einer meiner Mitspieler nur gut spielen könnte, wenn ich ihm das Auto wasche, dann würde ich es tun. Ich habe die meiste Profierfahrung im Team, da habe ich gewisse Rechte und vor allem Pflichten“, erklärte Heerwagen, der bei St. Pauli noch einen Vertrag bis 2018 hat.

Zumindest bis zur Winterpause scheint Heerwagen seinen Pflichten nicht nur in der Kabine, sondern auch zwischen den Pfosten nachkommen zu dürfen. Der Torhüter, der aus dem Bayern-Nachwuchs kommt und einst mit Superstars wie Bastian Schweinsteiger („Er hat früher bei uns die Bälle aufgepumpt und das Wasser geholt“ und Philipp Lahm („Zu ihm habe ich noch ab und zu Kontakt) zusammenspielte) weiß aber auch, dass die Rollenverteilung im St.-Pauli-Tor klar definiert ist.

Heerwagen braucht Konkurrenzkampf

Sobald Himmelmann wieder gesund ist, wird er spielen. Deshalb spart er sich auch vollmundige Kampfansagen. „Bei uns gibt es keinen Psychokrieg. Das würde keinen Sinn machen. Wir sind eine Trainingsgruppe für uns und ich persönlich brauche Konkurrenzkampf. Egal ob mit einem jungen hungrigen Torhüter wie Brodersen oder mit Robin“, sagte Heerwagen, dessen Rolle sich nun erst einmal vom Herausforderer zum Platzhirsch gewandelt hat.