„Das ist kein Schach mehr. So kann man einen Dorf-, aber nicht den Weltmeister ermitteln.“ Anatoli Karpow (65) hat das gesagt, 16 Jahre lang der König des Spiels. Karpows Kritik richtet sich gegen den Modus, wie am heutigen Mittwoch in New York der WM-Kampf zwischen Titelverteidiger Magnus Carlsen und seinem russischen Herausforderer Sergej Karjakin entschieden wird. Im Tiebreak werden Partien mit stark verkürzter Bedenkzeit gezogen, nicht tiefgründige Pläne sind nun gefragt, vielmehr Mut zur Lücke. Gibt es auch nach vier Schnell- und zehn Blitzpartien keinen Sieger, kommt es zum „Armageddon“, der ultimativen Schlacht. Weiß erhält fünf Minuten Zeit zum Nachdenken, Schwarz vier. Weiß muss gewinnen, schafft Schwarz ein Remis, ist er Weltmeister. „Pervers“, nennt das Karpow.

Als er sich 1984/85 mit Garry Kasparow duellierte, dauerte der Krieg der Köpfe fünf Monate. Als nach 48 Partien immer noch niemand matt war, Karpow aber erschöpft über dem Brett zusammenzubrechen drohte, brach der damalige Präsident des Weltverbands Fide, der Philippiner Florencio Campomanes, ein Freund Karpows, den Wettkampf einfach ab. 30 Jahre später entspräche ein derart zähes Format nicht mehr dem schnelllebigen Zeitgeist, auch medial wäre es nicht vermittelbar. Wenn Schach sich als Sport begreift, kann es nicht den Anspruch wissenschaftlicher Korrektheit aufrechterhalten. Und un-terhaltsam ist es allemal, wenn die stillen zu schnellen Brütern werden.