Hamburg. Wie der gebürtige Timmendorfer beim Eishockey-Oberligisten Crocodiles Hamburg zu seinem Job kam – und warum er ihn liebt.

„Keine Wunder. Nur harte Arbeit“, steht auf einem der Plakate, die im Vereinsheim des Farmsener TV am Berner Heerweg hängen. Sven Gösch mag den Spruch, weil er so treffend beschreibt, was die Eishockey-Oberligamänner der Crocodiles Hamburg, die dem FTV als Sparte angehören, ausmacht. Und auch wenn einige die Wandlung der Krokodile, die nach dem Aus der Hamburg Freezers im Mai vom Underdog zur Nummer eins der Stadt wurden, als eine Art Wunder betrachten: Gösch, Sportdirektor der Crocodiles, weiß es besser.

Im November 2014 war der gebürtige Timmendorfer als Nachfolger für Cheftrainer Jan Pelant in den Hamburger Osten gewechselt. Er kam in einen Club, der um jeden Euro kämpfen musste und in dem Existenzangst ein täglicher Begleiter war. Geschreckt hat ihn das nicht, er kannte es nicht anders aus seinen mittlerweile fast 30 Trainerjahren. Obwohl Sven Gösch erst 44 Jahre alt ist, hat er eine Menge Erfahrung gesammelt in den unteren Eishockeyligen der Republik.

Es war sein Realismus, der ihm durch alle Phasen seiner Entwicklung hindurchhalf. Weil er erst mit 13 Jahren beim EHC Timmendorfer Strand mit dem Eishockeyspielen begonnen hatte, war die aktive Karriere des Stürmers nur durchschnittlich erfolgreich. „Ich hatte stets das Glück, in guten Mannschaften mitspielen zu dürfen“, sagt er. Mit 16 übernahm er im Heimatverein eine neu gegründete Damenmannschaft, es war der Einstieg ins Trainerleben – und der Beginn einer Leidenschaft, die bis heute in ihm brennt.

Klassenerhalt in furioser Abstiegsrunde

Umso härter war der Ausstieg, der in seiner Entstehung aber viel preisgibt über den Menschen Sven Gösch. Es war im Februar dieses Jahres, die Crocodiles drohten, nachdem die erste gemeinsame Saison sportlich zufriedenstellend verlaufen war, sang- und klanglos in die Regionalliga abzusteigen. Nach einer für ihn tief verletzenden 1:10-Schlappe in der Timmendorfer Heimat stellte Gösch seinen Trainerposten zur Disposition. „Ich musste ein Zeichen setzen, um das Team wachzurütteln“, sagt er, „und da wir nur noch 14 Spieler hatten, konnte ich niemand anderen rauswerfen als mich selbst.“

Der Knalleffekt zeigte Wirkung. Unter Interimscoach Wladimirs Polkovnikovs schaffte das Team in einer furiosen Abstiegsrunde den Klassenerhalt, und Gösch wurde als Nachfolger des auf eigenen Wunsch scheidenden Wolfgang Asmuß Sportdirektor. „Sven hat sich damals mit seinem Schritt, Verantwortung zu übernehmen, große Anerkennung erworben“, sagt Nils Abraham, Marketingleiter und Clubsprecher.

Erfahrung auf dem neuen Arbeitsgebiet hatte Gösch kaum, als Trainer der Icefighters Leipzig hatte er den Job kurzzeitig mal ausprobiert. Was ihn jedoch erwarten würde, nachdem die Freezers Geschichte waren und die Crocodiles plötzlich im Fokus einer ganzen Stadt auftauchten, darauf war er nicht vorbereitet. Umso mehr genießt er es nun, einen 400.000-Euro-Etat im Hintergrund zu wissen: „Es ist einfach etwas ganz anderes, wenn man mehr finanziellen Spielraum hat. So macht es riesigen Spaß, eine Mannschaft aufzubauen und zu entwickeln“, sagt er.

Gösch ist ein Lernender

Dass er ein Lernender ist, der sich an viele Anforderungen, die an professionell geführte Vereine gestellt werden, noch gewöhnen muss, verhehlt Gösch nicht. Er ist dankbar, mit dem früheren Freezers-Kapitän Christoph Schubert, der jetzt in Personalunion das Team auf dem Eis anführt und in der Geschäftsstelle arbeitet, und dem offiziell als Jugendkoordinator beschäftigten Ex-Freezers-Sportchef Stephane Richer zwei wichtige Ratgeber an seiner Seite zu haben. Er wolle seine Entwicklung jedoch nicht nur an die beiden knüpfen. „Mein Anspruch ist es, mich auf allen Gebieten weiterzuentwickeln, deshalb ist für mich jedes Gespräch mit Spielern, Beratern oder anderen Clubs wichtig“, sagt er.

Das Tempo, in dem in der neuen Konstellation Entscheidungen getroffen werden müssen, hat ihn am meisten überrascht. Umso glücklicher ist er, dass das Team nach 13 von 30 Spielen der Hauptrunde auf dem vierten Tabellenplatz steht. „Diese Momentaufnahme ist eine tolle Belohnung für die Arbeit, die hier seit Monaten geleistet wird. Aber wir haben noch viel zu entwickeln. Wenn wir jetzt zufrieden wären, dann würden wir aufhören, besser zu werden“, sagt er.

Aufstieg gemeinsam erreichen

Da ist er wieder, der Realismus, der Gösch begleitet. Natürlich weiß er, dass er möglicherweise nur ein Sportchef auf Zeit ist. Sollten die Crocodiles, die nach der Länderspielpause am Freitagabend mit 4:1 bei den Preußen Berlin gesiegt hatten und am Sonntagabend im Heimspiel gegen Halle nur von der Technik gestoppt wurden, das im Dreijahresplan gesteckte Ziel erreichen und in die DEL 2 aufsteigen, dürfte Richer Göschs Posten übernehmen. „Ich weiß doch, wie das Geschäft läuft“, sagt er, „aber im Moment ist mein Wissen über die Oberliga gefragt, deshalb mache ich mir keine Gedanken darüber, was vielleicht in zwei Jahren sein könnte.“

Sein Traum ist, das gemeinsam gesteckte Ziel Aufstieg auch gemeinsam zu erreichen. Ein Teamplayer zu sein, Entscheidungen immer im Konsens zu fällen, das ist Sven Göschs Credo. Er wünscht sich, seine Frau und die gemeinsame Tochter Lotte Colleen (10) irgendwann mithilfe eines gut dotierten Postens im Profieishockey ernähren zu können. Aber er weiß auch, dass es anders kommen kann. Seinen Hauptberuf als Bistroleiter bei Villeroy & Boch in Lübeck hat er ebenso wenig aufgegeben wie den Wohnsitz in Bad Schwartau, von wo aus er mindestens einmal pro Woche zum Training und zusätzlich zu den Spielen nach Hamburg pendelt.

Und er trainiert in Timmendorf weiterhin eine Jugendmannschaft. „So ganz loslassen, das geht eben nicht“, sagt Sven Gösch. Er weiß ja, was das Leben einem abfordert, wenn einem Glück und auch ein wenig Talent fehlen, es nach ganz oben zu schaffen. Keine Wunder. Nur harte Arbeit.