Essen/Leverkusen. Der Bundestrainer nutzt das WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino zum Heranführen der Talente Gerhardt, Henrichs und Gnabry.

Wer Überirdisches stets in der Hosentasche mit sich führt, der muss ja beinahe zwangsläufig zu Höherem berufen sein. Bei Benjamin Henrichs scheint das jedenfalls zutreffend zu sein. Der junge Mann, 19 Jahre alt, ist Fußballspieler bei Bayer Leverkusen. Einer breiteren Öffentlichkeit dürfte er bislang nicht sehr vertraut sein. Das liegt daran, dass Henrichs erst ein paar Bundesligaspiele in seiner Vita stehen hat. Doch in diesen Tagen beginnen sich immer mehr Menschen für ihn zu interessieren, denn Henrichs gehört zum Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für das WM-Qualifikationsspiel in San Marino am Freitag und die Testpartie in Italien am Dienstag danach. Und weil dazwischen für die Mannschaft noch ein Besuch beim Papst in Rom ansteht, erfahren die Menschen via Boulevard, dass der Deutsch-Ghanaer gläubiger Christ ist und die Bibel-App auf dem Handy installiert hat. Segensreiches hat er so immer zur Hand.

„Wir wollen jungen Spielern immer wieder auch eine Chance geben, sich bei uns zu zeigen“, sagt Bundestrainer Joachim Löw im Zuge seiner Nominierungen. Henrichs ist neben dem Wolfsburger Yannick Gerhardt (22) und dem Bremer Serge Gnabry (21) einer von drei Nationalmannschaftsneulingen, was durchaus dokumentiert, dass es Löw ernst ist mit der Erneuerung, mit der Chance für die Jugend. Er will alle Möglichkeiten ausloten, wie seine Mannschaft zu optimieren ist, um bei der WM 2018 in Russland den Titel verteidigen zu können. Aber wie schon in der Vergangenheit ziehen die Personalentscheidungen des Bundestrainers auch Verwunderung nach sich. Zumindest in manchen Teilen der Republik.

Denn Henrichs hat gerade einmal 18 Bundesligaeinsätze für Bayer absolviert. Um zu beschreiben, was da gerade wie schnell mit ihm passiert, sagte der gebürtige Bochholter am Wochenende: „Das ist krank.“ Erst im Januar im Trainingslager in Orlando schulte ihn Trainer Roger Schmidt zum Außenverteidiger um, im Sommer erhielt er die Fritz-Walter-Medaille in Gold für den besten U19-Nachwuchsspieler Deutschlands. In dieser Saison spielt er bislang erstaunlich konstant und gut.

Leistungen von Kießling ließ er hartnäckig unberücksichtigt

Yannick Gerhardt, der im Sommer von Köln nach Wolfsburg wechselte und als Außenverteidiger oder im zentralen Mittelfeld eingesetzt werden kann, spielt dagegen eine sehr durchschnittliche Saison, während Serge Gnabry der logischste aller Premieren-Profis ist: Mit sechs Treffern hatte der Offensivmann immensen Anteil daran, dass die U21 bei Olympia Silber errang. Danach wechselte er von Arsenal nach Bremen .

Dass der Bundestrainer dieses Trio berief, soll auch eine Botschaft sein. In erster Linie lautet sie: Es kann schnell gehen, der Weg aus dem Nichts ins Nationalteam in kurzer Zeit ist möglich. Der Kölner Jonas Hector (26), Linksverteidiger während der EM, taugt dafür als weiterer Beweis. Die Botschaft an so manch anderen im Bundesliga-Land lautet aber auch: Für dich wird es schwer bis unmöglich. Der Dortmunder Marcel Schmelzer (28) weiß das längst, dessen Club-Kollege Gonzalo Castro (29) auch. Aber selbst Vertreter einer jüngeren Generation wie der Berliner Mitchell Weiser (22) fragen sich vermutlich leise: Warum die und ich nicht?

Schon immer aber wählte Löw jene aus, in denen er etwas sah, auch dann, wenn andere es nicht so klar sahen. Die Leistungen von Stefan Kießling (32) ließ er hartnäckig unberücksichtigt. Weltmeister ohne Einsatz Matthias Ginter (22) vom BVB und EM-Fahrer Leroy Sané (20) von Manchester City spielen vorerst bei der U21 weiter.