Lüneburg/Hamburg. Die SVG Lüneburg hat sich als deutsches Spitzenteam etabliert – mit namhafter Hamburger Unterstützung.

Es gibt noch Karten – theoretisch. Im Onlineshop. Und praktisch? Vergessen Sie’s! Am Sonnabend ist Saisonbeginn in der Volleyball-Bundesliga der Männer, um 20 Uhr schlägt die SVG Lüneburg zu ihrer dritten Erstligaspielzeit auf. Gegen Aufsteiger Solingen Volleys. Und natürlich passt dann in die offiziell nur 800 Zuschauer fassende Gellersenhalle keine Maus mehr. „In Stadt und Landkreis herrscht inzwischen echte Volleyball­begeisterung“, sagt Erfolgstrainer Stefan Hübner.

Es ist eine Story aus dem Volleyballmärchenbuch – und sie wird ganz wesentlich von Hamburgern und mit Hamburgern geschrieben. Was in der großen Hansestadt nicht mehr möglich war, passiert gerade in dem 50 Kilometer südöstlich gelegenen Hansestädtchen. Nach dem Bundesligaaufstieg 2014 wurde das Team zweimal Dritter, stand 2015 im Pokalfinale. „Die Nummer 1 im Norden“, steht selbstbewusst im Internet direkt hinter dem Vereinsnamen. Dem ist nicht hinzuzufügen.

Aber wie geht das? Da ist Andreas Bahlburg. „Ein exzellenter Manager“, sagt Frank Bleydorn, der Sprecher der Volleyball-Bundesliga. 2006 hat Bahlburg die Spielvereinigung aus drei Vereinen gegründet, um talentierten Jugendspielern eine Perspektive zu bieten. Anfang 2011, als die Mannschaft Tabellenletzter der Zweiten Liga war, kam Bernd Schlesinger als sportlicher Leiter dazu. „Ich habe gesagt, ich helfe euch, aber nicht in der ersten Reihe“, erinnert sich der 57-Jährige.

Hamburgs Mister Volleyball trainierte den 1. SC Norderstedt, den HSV, wurde Pokalsieger mit dem 1. VC Hamburg und führte auch den Oststeinbeker SV in die Bundesliga. Am Hamburger Olympiastützpunkt leitet er den Bereich Volleyball, betreut das Beach-Duo Markus Böckermann/Lars Flüggen vom Club an der Alster. Wo Schlesinger ist, ist sportlicher Erfolg. Wirtschaftlich sah es anders aus. „In Hamburg gab es viel verbrannte Erde, nachdem die Clubs wegen Missmanagements pleitegegangen waren“, sagt Schlesinger.

Topspieler werden immer noch weggekauft

Das Ziel für Hamburgs Spitzenspieler liegt nun also 45 Fahrminuten auf der A 39 entfernt. Jannick Pörner (22), Immo Brüggemann (25) und Michel Schlien (24) kommen aus Hamburg, in dieser Saison verstärken die 19-jährigen Lukas Radzuweit (VCO Hamburg) und Florian Krage (VfL Pinneberg) den Kader. Topvolleyball bei den Männern findet in Lüneburg statt. „Für den Hamburger Verband ist das okay, wir kooperieren eng miteinander, sind ja auch Teil der Metropolregion“, sagt Bahlburg. Frauenvolleyball betreibt die SVG auch deshalb nicht auf Leistungsniveau, um dem Volleyballteam Hamburg nicht in die Quere zu kommen. „Wir planen im Gegenteil eine enge Zusammenarbeit wie gemeinsame Testspiele.“

Mittlerweile gehört es zum guten Ton in den Kontoren der alten Salzstadt, bei den Volleyballern irgendwie dabei zu sein. Anderen Topsport gibt es eben nicht. Hauptsponsor Sparkasse gibt nicht nur Geld. Pörner macht dort eine Ausbildung zum Sparkassenkaufmann, und das Geldinstitut vermittelt weitere Kontakte, das Netzwerk funktioniert, die Sponsorenzahl ist weiter gewachsen.

Der Jahresetat konnte von 320.000 im Aufstiegsjahr auf 500.000 Euro gesteigert werden. Damit gehören die Lüneburger immer noch in die untere Ligahälfte. Die dominierenden Clubs VfB Friedrichshafen und Berlin Recycling Volleys haben das Vierfache zur Verfügung. Topspieler werden daher immer noch weggekauft, in diesem Jahr ging Hauptangreifer Steven Marshall nach Berlin, Libero Erik Mattson nach Polen. Dafür kamen die US-Amerikaner Cody Kessel, Eric Fitterer und Michael Brinkley. „Wir zahlen nicht viel, aber verlässlich“, sagt Hübner, „und wir haben uns den Ruf erarbeitet, dass wir im sportlichen Bereich gut arbeiten. Für viele Spieler sind wir ein Sprungbrett.“

Siebenstelliger Etat wird angestrebt

Das aber soll sich mittelfristig ändern. Ein siebenstelliger Etat wird angestrebt, noch mehr Sponsoren, noch mehr Zuschauer. Deutsche Spitze, dauerhaft. Die „Visionen“ (Bahlburg) sind klar. Möglich scheint das durch die neue Halle, die von privaten Investoren errichtet wird. Ende August nickte die Stadt die Pläne ab, 3200 Zuschauer werden Ende 2017 dort Platz finden, darunter 250 statt bisher 70 VIPs.

Erfolgsperspektiven, die auch Hübner bewogen haben, seinen Vertrag bis 2019 zu verlängern. Noch ein Hamburger. Der ehemalige Weltklassespieler heuerte nach dem Aufstieg als Chefcoach an. „Für uns war das ein absoluter Glücksfall, wie ein Sechser im Lotto“, sagt Bahlburg. Der jahrelange Kontakt zu Schlesinger machte es möglich, auch die Nähe zu Hamburg, wo Hübner als Kind und Jugendlicher beim ETV und in Norderstedt den Sport erlernte, bevor er in die weite Welt hinauszog und als Profi vor allem in Italien tätig war.

„Die Initialzündung war der Erfolg nach dem Aufstieg“, sagt der 41-Jährige, „wir haben aus unseren Möglichkeiten viel gemacht.“ Seine Arbeit hat natürlich auch woanders Interesse hervorgerufen, es gab Anfragen von Topclubs, auch einen Kontakt zur Nationalmannschaft. Aber Hübner entschied sich dafür, gemeinsam mit Ehefrau Angelina Grün, der ehemaligen Nationalspielerin, und dem zweijährigen Jakob in Lüneburg zu bleiben. „Wir fühlen uns hier sehr wohl, und es passt auch gut zu meiner Entwicklung als Trainer.“