Lüneburg. Lüneburgs Volleyballer wollen den nächsten Entwicklungsschritt machen und in Hamburg um Fans werben. Sonnabend erstes Play-off-Spiel gegen Düren

Der Countdown auf der Homepage des Vereins tickt. Es sind nur noch wenige Stunden, bis die Spielgemeinschaft Volleyball Gellersen (SVG) Lüneburg an diesem Sonnabend (20 Uhr) zum Play-off-Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft gegen die Powervolleys aus Düren aufschlägt. Die Gellersenhalle der benachbarten Gemeinde Reppenstedt ist wie immer ausverkauft, 800 Zuschauer werden wieder lautstark das ausmachen, was im Duell des Bundesligavierten Lüneburg gegen den -fünften Düren am Ende den Ausschlag geben könnte: den Heimvorteil. In der Best-of-3-Serie sind zwei Siege zum Weiterkommen nötig. Das mögliche dritte und entscheidende Spiel würde eine Woche später ebenfalls in Reppenstedt stattfinden.

Volleyball ist seit anderthalb Jahren die Vorzeigesportart der Hansestadt Lüneburg mit ihren 73.000 Einwohnern. Aus der Hamburger City sind es dorthin 62 Kilometer, die Bahn braucht laut Fahrplan 29 Minuten für die IC-Strecke. Läuft alles wie gewünscht, sollen in den nächsten Jahren Hamburgs Volleyballfans vermehrt diese Reise antreten. Doch der Reihe nach.

Der Mann, der für den Volleyballboom südöstlich von Hamburg verantwortlich ist, sitzt beim Italiener „Mama Rosa“ – nebenan wird die ARD-Soap „Rote Rosen“ gedreht – und bestellt eine große Cranberry-Schorle, Bruschetta, Fusilli und hinterher einen doppelten Espresso. Der Mittelblocker Stefan Hübner war in seiner aktiven Zeit einer der besten Volleyballer der Welt, 1994 gab der Hamburger sein Bundesligadebüt beim 1. SC Norderstedt, später setzte er seine Karriere in Italien fort, spielte 245-mal für die deutsche Nationalmannschaft, deren Co-Trainer er in den vergangenen Jahren war.

Lüneburg ist erst die zweite Trainerstation des 40-Jährigen, doch sein Name wird bereits an vorderster Stelle genannt, wenn es um die Besetzung der vakanten Posten beim deutschen Rekordmeister VfB Friedrichshafen oder der Nationalmannschaft geht. „Ich habe in Lüneburg Vertrag bis Mitte 2017, und ich halte Verträge ein, egal ob sie schriftlich oder per Handschlag geschlossen sind“, sagt Hübner.

Die Mannschaft ist gegenüber dervorigen Aufstiegssaison reifer geworden

Der Reiz, etwas Neues zu beginnen, hält sich bei ihm derzeit in Grenzen, schließlich ist er in Lüneburg längst nicht fertig. „Es ist weit spannender, ein Nest zu bauen, als sich in ein gemachtes reinzusetzen“, sagt er. Und weil die Entwicklung der Mannschaft derart positiv verläuft, kann er sich gut vorstellen, noch lange das Projekt zu begleiten. Hübner: „Das Team ist taktisch reifer geworden, selbstbewusster, und strahlt inzwischen auch in kritischen Situationen die nötige Ruhe und Sicherheit aus.“ Der Trainer hat einen erheblichen Teil dazu beigetragen.

Hübner stärkt das Verantwortungsbewusstsein seiner Spieler, gewährt Mitspracherechte im Spiel und im Training, lässt Diskussionen „bis zu einer gewissen Grenze“ zu. Das fordert gegenseitiges Vertrauen und einen respektvollen Umgang miteinander. „Man wird jedoch verwundbar, wenn die Dialogbereitschaft ausgenutzt wird“, weiß der Coach. Bisher hat er nur gute Erfahrungen mit seinem kommunikativen Führungsstil gemacht.

Der Fortschritt lässt sich in Zahlen belegen. Gewann die SVG Lüneburg in der vergangenen Aufstiegssaison zwölf ihrer 20 Bundesligaspiele, waren es in dieser Spielzeit 13 gegen weitaus stärkere Konkurrenz, da das überforderte Junioren-Nationalteam VCO Berlin diesmal Zweite Liga spielte und mit den RheinMain Volleys ein finanzstarker Aufsteiger Tabellendritter wurde. Im Gegensatz zum Vorjahr verpassten die Lüneburger indes das Pokalfinale. Und dass Geschäftsführer Andreas Bahlburg dies bei seiner ansonsten positiven Saisonbilanz als „kleine Enttäuschung“ erwähnt, zeigt nur, dass die Ansprüche mit den überraschenden Erfolgen gewachsen sind. Dabei gehört der Verein selbst mit einem von 320.000 (2014/15) auf 450.000 Euro gestiegenen Etat zu den Underdogs der Liga. Meister Friedrichshafen (2,4) und Pokalsieger Berlin Volleys (1,8) geben weiter um die zwei Millionen Euro aus.

Sportchef Bernd Schlesinger hat es bislang verstanden, das Maximum aus den Möglichkeiten herauszuholen. „Die wichtigste Entscheidung war vor zwei Jahren, Stefan zum Trainer zu machen“, sagt der Trainingswissenschaftler für Beachvolleyball am Olympiastützpunkt Hamburg-Dulsberg. Der Name Hübner habe sich bei Spielerverpflichtungen bereits als geldwerter Vorteil erwiesen. „Wenn Geld kein Grund ist, müssen wir eben mit anderen Faktoren überzeugen“, sagt Schlesinger. Die Chance, sich als Spieler in Lüneburg weiterentwickeln zu können, hat sich als Argument für Talente und ausländische Profis erwiesen, die in der Bundesliga ihre Qualitäten zeigen wollen. Verlässlichkeit, die Nähe zu Hamburg spielen ebenso eine Rolle, sagt Hübner, „wie, dass wir die Gehälter pünktlich zahlen“. Das ist – nicht nur – im Volleyball in Deutschland und Europa keine Selbstverständlichkeit.

Der nächste Schritt in der Erfolgsgeschichte der Lüneburger Volleyballer soll der Bau einer neuen Halle werden. „Kommt sie nicht in den nächsten zwei, drei Jahren, war’s das hier“, sagt Hübner. Bislang kann das Team nur mit einer Ausnahmegenehmigung in der Bundesliga baggern und pritschen, weil die Gellersenhalle zu klein und mit acht Metern Höhe zu niedrig ist. Mindestens neun Meter müssen es sein, für internationale Spiele bis zu zwölf.

Die neue Halle für 3300 Zuschauer soll rund acht Millionen Euro kosten

Inzwischen deutet jedoch alles darauf hin, dass der Spatenstich wie erhofft im August erfolgen könnte. Zwei Flächen im Gewerbegebiet stehen zur Auswahl, im April soll eine Entscheidung fallen. Alle politischen Parteien unterstützen das Projekt, Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) fördert es, die Stadt hat bislang 120.000 Euro für Planungskosten bereitgestellt, ein Investor ist gefunden. Vorbild der neuen Spielstätte für 3300 Zuschauer ist der Rasta-Dome der Zweitligabasketballer des SC Vechta, der in seiner Zweckmäßigkeit der Wilhelmsburger Inselparkhalle ähnelt. Rund acht Millionen Euro wird der Bau kosten, der bis zum September 2017 fertiggestellt werden soll.

„Um die Halle dann auch regelmäßig füllen zu können, werden wir in der nächsten Saison massiv auf den Hamburger Markt gehen“, sagt Geschäftsführer Bahlburg. Angedacht ist, im März/April 2017 die Play-offs in der CU-Arena in Neugraben (Fassungsvermögen rund 2200 Plätze) zu spielen. Auch das eine oder andere Showtraining in Hamburg und Kooperationen mit Vereinen und Schulen sind vorgesehen. „Vieles ist derzeit denkbar“, sagt Hübner. Auch dass die SVG Lüneburg in den nächsten fünf Jahren in der Champions League spielt? „Auch das!“