Rio de Janeiro. Mit 18 Gold-, 25 Silber- und 14 Bronzemedaillen erreichte das deutsche Team Platz sechs der Nationenwertung.

Am Ende standen sie alle noch einmal auf dem Siegerpodest: Markus Rehm, der Star des Teams. Marianne Buggenhagen, die große, alte Dame des deutschen Behindertensports. Und auch Heinrich Popow, für den die Paralympics in Rio de Janeiro die letzten in seiner erfolgreichen Karriere waren. „Wir paralympischen Athleten haben gezeigt, dass wir uns nicht hinter den olympischen Athleten verstecken müssen“, sagte Rehm, als er nach seinem Fazit zu den ersten Weltspielen des Behindertensports in Südamerika gefragt wurde.

Erfolgreicher letzter Wettkampftag

Die deutsche Mannschaft hat in Rio gleich zwei Dinge erreicht. Sie hatte sportlichen Erfolg, denn dreimal Gold, viermal Silber und einmal Bronze am Abschlusswochenende steigerten das Gesamtergebnis auf 57 Medaillen (18/25/14). „Mit diesem sportlichen Abschneiden sind wir sehr zufrieden“, sagte der Chef de Mission, Karl Quade. Platz sechs in der Nationenwertung zeige, „dass wir in der Liga unseres Sports weiter vorne mitspielen“.

Und dann wurde in den vergangenen elf Wettkampftagen auch noch ein Generationenwechsel vollzogen. Popow und Buggenhagen haben den Behindertensport über Jahre geprägt. Gold im Weitsprung (Popow) und Silber beim Diskuswurf (Buggenhagen) bescherte beiden am Sonnabend einen erfolgreichen letzten Wettkampf bei Paralympischen Spielen. „Diese Medaille hat einen großen Wert, weil es die letzte ist“, sagte die 63 Jahre alte Buggenhagen. Ihre imposante Karrierebilanz: Sieben Paralympics-Teilnahmen, neun Paralympics-Siege und 13 WM-Titel.

Rehm gewinnt zweite Goldmedaille

An ihre Stelle sind Athleten wie Rehm oder Vanessa Low getreten, die nach ihrem Sieg im Weitsprung nun auch noch Silber über 100 Meter holte. Buggenhagen hat dem Behindertensport über Jahre viele Erfolge und großen Respekt beschert. Um sich in der Wahrnehmung vieler Zuschauer aber vom Reha- zum Hochleistungssport zu wandeln, brauchten die Paralympics hochprofessionelle und auch gut vermarktbare Athleten wie Low, den Radsportler Vico Merklein und vor allem Rehm.

Der gewann am Sonnabend seine zweite Goldmedaille in Rio. In Erinnerung bleiben wird davon vor allem ein Wert: 8,21 Meter im Weitsprung. Damit wäre der Mann mit der Unterschenkelprothese auch bei den Olympischen Spielen im August um eine Medaille mitgesprungen.

Aufmerksamkeit ist gestiegen

„Die Leute sehen nicht mehr nur unsere Handicaps, sondern unsere Leistungen“, sagte Rehm. „Früher sind die Paralympics kaum wahrgenommen worden. Mittlerweile aber ist unsere Aufmerksamkeit gestiegen. Wir haben einen Riesenschritt gemacht.“ Dafür spricht: Mehr als zwei Millionen Zuschauer kamen in Rio zu den Wettbewerben. Die wurden in mehr als 100 Ländern im Fernsehen übertragen.

Auch Buggenhagen hat diese Entwicklung am Wochenende eingeräumt. „1994 bin ich bei einer ARD-Wahl Sportlerin des Jahres geworden. Alle wurden in die Sportschau eingeladen, ich ins Gesundheitsmagazin“, erzählte die 63-Jährige. Ob sie das bedaure? Nein. „Es hat sich so viel verändert, aber ins Positive“, sagte sie.

Weitsprung-Sieger Popow hat nach seinen letzten Paralympics vor allem eine Hoffnung: „Dass das alles zwischen Rio und Tokio 2020 nicht wieder in Vergessenheit gerät“, sagte er. „Wir haben so coole Athleten. Die zeigen super Leistungen, die kann man vorzeigen.“

Lücken im Anti-Doping-System

Allerdings hat diese rasante Entwicklung auch ihre Schattenseiten. 208 Weltrekorde vermeldete das Internationale Paralympische Komitee (IPC) vor den letzten sieben Entscheidungen. Einige davon lassen sich durch die Professionalisierung des Behindertensports erklären, andere durch die Weiterentwicklung von Prothesen und anderem Material. Doch unter dem Strich bleibt Misstrauen. Das IPC selbst hat in Rio große Lücken in seinem Anti-Doping-System eingeräumt. Niemand wisse, ob und wie viel in Ländern wie China oder Usbekistan kontrolliert werde.

Und so haben diese Paralympics auch etwas paradoxes an sich. Sie begannen damit, dass das IPC viel Beifall für seine Entscheidung erhielt, die russische Mannschaft wegen massiver Doping-Enthüllungen von den Spielen in Rio auszuschließen. Und sie enden jetzt damit, dass Quade den Weltverband dazu auffordert, in Sachen Doping endlich härter durchzugreifen. „An den Bereichen Doping und Klassifizierung muss dringend gearbeitet werden“, sagte er.