Hamburg. Die 23 Jahre alte Mittelblockerin Nina Braack startet mit dem Volleyball Team Hamburg am Sonnabend in die neue Zweitligasaison.

Die schlaflosen Nächte hat sie hinter sich gelassen. Und wer Nina Braack gegenübersitzt im strahlenden Hamburger Septemberwetter und ihr beim Schwärmen über ihre Heimatstadt zuhört, der kann kaum glauben, dass die Entscheidung, die sie zu treffen hatte, dunkle Wolken im Gemüt aufziehen lassen würde. Man muss also ein paar Monate zurückschauen, um zu verstehen, warum es keine Selbstverständlichkeit ist, dass die 23 Jahre alte Mittelblockerin an diesem Sonnabend (17 Uhr, CU-Arena) mit dem Volleyball Team Hamburg (VTH) gegen die Stralsunder Wildcats in die Zweitligasaison 2016/17 startet.

Nina Braack war 15 Jahre alt, als sie als Perspektivspielerin in den Zweitligakader des VTH-Vorgängerclubs VT Aurubis aufgenommen wurde. Damals war die Mannschaft als Unterbau für die Erstligaauswahl konzipiert, Talente sollten gefördert werden, um den Sprung in die Eliteklasse zu schaffen. Das funktionierte mehr schlecht als recht, weil die namensgebende Kupferhütte als Hauptsponsor viel Geld in die Verpflichtung nationaler und internationaler Topspielerinnen steckte. Braack jedoch gelang der Schritt, zur Saison 2013/14 stand sie erstmals im Bundesligaaufgebot.

Der Durchbruch aber gelang der 185 Zentimeter langen Athletin erst in der vergangenen Saison, als der damalige Cheftrainer Dirk Sauermann sie vom Diagonalangriff in den Mittelblock zog. Auf dieser Position reifte die Tochter von HSV-Volleyballlegende Hauke Braack zu einer der punktbesten Bundesligaspielerinnen, ihre sportliche Karriere schien endlich Fahrt aufzunehmen. Und dann kam das Aus.

Der – zwei Jahre zuvor angekündigte – Ausstieg von Aurubis konnte finanziell nicht kompensiert werden. Hamburg zog sich aus der Bundesliga zurück und entschied unter neuer Führung von Präsident Volker Stuhrmann, mit einem um fast zwei Drittel auf 205.000 Euro zusammengeschrumpften Etat den Neustart in der Zweiten Liga zu wagen.

Es gibt im Leben immer wieder Momente, an denen Weichen neu gestellt werden müssen. An einer solchen stand Nina Braack. „Ich musste entscheiden, ob ich der beruflichen oder der sportlichen Karriere Vorrang geben soll“, sagt sie. Sie studiert an der Hochschule Fresenius Corporate Communication, hatt_e nach Ende der vergangenen Saison einen Halbtagsjob bei der Agentur Lagardère angenommen – und spürte, dass ihr dieser Weg wichtiger war als der Leistungssport.

Dass sie die Offerten aus der Bundesliga ablehnte, hatte aber auch mit der engen Bindung an ihre in Quickborn lebenden Eltern zu tun, mit denen sie nach dem tragischen Verlust ihres Bruders Niklas, der vor zwei Jahren im Alter von 18 Jahren an einer seltenen Erkrankung verstarb, noch näher zusammenrückte. „Ich hätte nicht weit weg von Hamburg leben wollen“, sagt sie. Und natürlich ist da auch noch eine große Portion Pflichtgefühl, die Nina Braack nicht verhehlen will. „Ich möchte dabei mithelfen, dass Volleyball in Hamburg eine Perspektive hat“, sagt sie.

Eine Herzensangelegenheit ist VTH allerdings noch nicht vollumfänglich, dazu hat sich zu viel verändert. Mit Außenangreiferin Saskia Radzuweit, die wie Braack schon 2008 dabei war, Kapitänin Karine Muijlwijk im Diagonalangriff und Zuspielerin Maria Kirsten sind zwar immerhin drei weitere Spielerinnen des Kaders der Vorsaison in Hamburg geblieben. Das Umfeld aber ist komplett neu.

Mit dem Italiener Fabio Bartolone (51), der krankheitsbedingt allerdings mindestens vier Wochen ausfällt und von seinem Assistenten Slava Schmidt (33) vertreten wird, ist ein neuer Chefcoach im Amt. Manager Christian Beutler wurde durch André Thurm ersetzt, Vereinsgründer Horst Lüders (71) ist zwar noch Ehrenpräsident des Trägervereins TV Fischbek, aber in keiner Funktion mehr tätig. Das komplette Spieltags-Funktionsteam wurde ausgetauscht. „Und auch den Fanclub Fischbek Dynamite gibt es nicht mehr. Es fühlt sich so an, als wäre ich in einem neuen Verein“, sagt Nina Braack.

Braack will als Teamplayer wahrgenommen werden

Dass man von ihr und den anderen Bundesliga-erfahrenen Teammitgliedern erwartet, den mit Zweit- und Drittligaspielerinnen aufgefüllten Kader anzuführen, weiß sie. Die Konkurrenten in der 13er-Liga sehen VT Hamburg aufgrund der Qualität des verbliebenen Quartetts als größten Rivalen von Titelverteidiger Bayer Leverkusen. „Ich versuche, das nicht zu sehr an mich herankommen zu lassen, das würde für unnötigen Druck sorgen“, sagt sie, „wenn wir unter die besten fünf kommen, ist das schon ein Erfolg, und dafür möchte ich meine Erfahrung einbringen.“

Es sei falsch, dass einige Beobachter die neue Mannschaft in vier Erstligaasse und acht Ergänzungsspielerinnen einzuteilen versuchten. „Wir sind ein Team und können alle voneinander lernen. Auch wenn manche nicht Bundesliga gespielt haben, sind sie schon länger im Volleyball als ich. Da ist es klar, dass ich mich nicht über die stelle“, sagt sie.

Dank der verringerten Trainingsumfänge – drei wöchentliche Einheiten à drei Stunden statt zuvor acht bis zehn in der Bundesliga – hat Nina Braack vor allem Zeit gewonnen durch ihre Entscheidung. Zeit, die sie in ihr Studium investiert. Außerdem ist sie von Neugraben nach Eppendorf gezogen, was trotz der nun erforderlichen Pendelfahrten zu einem deutlichen Zuwachs an Lebensqualität geführt habe. „Ich glaube, ich kann sehr glücklich sein, mich so entschieden zu haben“, sagt sie. Ihr ruhiger Nachtschlaf spricht auf jeden Fall dafür.