Hamburg. Ruder-Olympiasieger spricht beim 16. Hamburger Kongress für Sport, Ökonomie und Medien über das Aus der Olympiabewerbung.

Vom Holcim-Auditorium der HafenCity Universität hat man einen prächtigen Blick übers Wasser auf den kleinen Park Baakenhöft, dorthin, wo 2024 ein Besucherzentrum für die Olympischen Spiele entstehen sollte. Es hätte also eine glänzende Perspektive sein können für den 16. Hamburger Kongress für Sport, Ökonomie und Medien. Stattdessen galt es, zehn Monate nach dem Nein beim Referendum zwei Tage lang unter dem Oberthema „Stadt und Stadtentwicklung“ vornehmlich die Gründe und die Lehren des Scheiterns zu diskutieren.

Geht es nach Wolfgang Maennig, reichte gleichsam schon der Gang vor die Terrassentür des neuen Tagungsorts, um das Problem zu erkennen: die geplante Erschließung eines neuen Quartiers auf dem Kleinen Grasbrook durch das sportliche Großereignis. „Mit Konzepten, die nur auf Stadtentwicklung abzielen, bekommt man keine Mehrheit mehr“, sagte der Hamburger Wirtschaftsprofessor und Ruder-Olympiasieger in seinem Vortrag. Das Votum sei keines gegen Olympia gewesen, sondern gegen das Vorhaben, städtebauliche Investitionen auf dem Rücken der Bevölkerung abzuladen.

Dies sei kein reines Hamburger Phänomen. Von allen Olympiareferenden seien weltweit nur zwei – für München 2018 und Oslo 2022 – positiv ausgegangen. Zumal es bis heute keinen Nachweis dafür gebe, dass Spiele der Ausrichterstadt einen dauerhaften ökonomischen Nutzen brachten, weder was harte Faktoren wie Beschäftigung und Tourismus noch was sogenannte Happiness- und Feel-good-Effekte betreffe.

Dass die Ablehnung des Großprojekts rund um das geplante Olympiagelände am höchsten ausgefallen sei, lasse sich empirisch mit der Sorge vor allem vor steigenden Mietpreisen erklären. Kritisch sah Maennig auch die Rolle der Medien in Hamburg: Sie hätten insgesamt zu positiv berichtet.

Die Stadt, so Maennigs Empfehlung, müsse selbstbewusst genug sein, Stadtentwicklung durch Olympia nicht zu benötigen. Eine neue Bewerbung, und sei es eine Nummer kleiner für Jugendspiele oder Universiade, müsse nicht notwendigerweise das Zentrum der Stadt in den Fokus rücken. Und der Anstoß müsse „als Graswurzelbewegung aus der Bevölkerung“ kommen.

Dass Hamburg bei der Bewerbung einen kritischen Dialog geführt habe, gestand der Politikprofessor Alexander Brand (Kleve) zu, „aber vor allem mit der ohnehin interessierten Öffentlichkeit“. Es sei nicht gelungen, den Generalverdacht zu zerstreuen, dass Olympische Spiele bei ausufernden Kosten einen geringen Nutzen brächten. Man werde bei künftigen Bewerbungen nicht umhinkönnen, Partizipation als Dialog zu begreifen und Bürgerinteressen in den Planungsprozess einzubeziehen.

Universellen Werten und Standards verschreiben

Tatsächlich waren nicht alle gesellschaftlichen Gruppen in den Austausch eingebunden, wie die Hamburger Geografin und Umweltpsychologin Stefanie Baasch bemängelte. Wissenschaftler aus Stadt- und Umweltforschung, Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Bürgerinitiativen und Anwohner fehlten in den Beteiligungsformaten der Bewerbungsgesellschaft. Zudem hätten sich Nichtregierungsorganisationen wie BUND, Naturschutzbund und Zukunftsrat kurz vor dem Referendum distanziert.

Künftige deutsche Bewerbungen müssten sich aber noch viel stärker als bisher universellen Werten und Standards verschreiben, sagte die Juristin und Olympiateilnehmerin Sylvia Schenk von Transparency International. Sie forderte den Deutschen Fußball-Bund dazu auf, bei seiner Kampagne um die EM 2024 die Entscheidungskriterien bei der Auswahl der Ausrichterstädte transparent zu machen, die Bürger einzubeziehen, Budgets offenzulegen und bei seinen Lieferketten auf die Wahrung der Menschenrechte zu achten. Nehme der Sport hier seine Verantwortung wahr, könne er dank seiner globalen Wahrnehmung auch „Botschaften aussenden“ und gesellschaftliche Entwicklungen anstoßen.