Hamburg. Vor dem Hamburg-Wasser-World-Triathlon entzweit ein Streit um die Nominierung für die Spiele in Rio die deutsche Nationalmannschaft.

Am Freitag war Laura Lindemann ihr Vorstoß fast ein wenig unangenehm. „Wie schlimm, was wieder in Frankreich passiert ist“, schrieb sie bei Facebook an ihre Fangemeinde, „wie peinlich und klein dagegen meine Probleme sind.“ Herrje, es ging doch nur um Sport, da erscheinen Worte wie Katastrophe plötzlich viel zu groß. Aber der Sport ist nun einmal Lindemanns Leben, Olympia ihr Traum. Und den wollte sie nicht kampflos aufgeben, nachdem sie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am Dienstag nicht für die Spiele in Rio nominiert hatte, obwohl sie die Deutsche Triathlon-Union (DTU) doch vorgeschlagen hatte.

Deshalb hatte Lindemann (20) am Mittwochabend einen zweiseitigen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel verfasst. „Die Entscheidung des DOSB ist ... eine Katastrophe für uns deutsche Triathleten“, hatte Lindemann geschrieben, „es ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die für dieses Ziel arbeiten.“ Und weiter: „Ich bitte Sie, mir zu helfen. Sie haben die Möglichkeit dazu.“

Rebecca Robisch wählte einen anderen Weg. Sie reichte über ihren Anwalt Michael Lehner eine Klage ein, über die im Eilverfahren bis Montag entschieden wird. „Ich nehme es nicht hin, dass wir uns jahrelang den Hintern aufreißen und unsere Olympia-Startplätze nun an sportlich schlechtere Athletinnen vergeben werden“, sagte sie dem Fachmagazin „Tri-mag.de“.

Sieben Kandidaten für fünf Startplätze

Es gibt allerdings nicht wenige in der DTU, die Robisch (28) dafür verantwortlich machen, dass es genau dazu gekommen ist. Sie war ursprünglich dem DOSB gar nicht zur Nominierung vorgeschlagen worden, dafür aber Lindemann und Anja Knapp, obwohl die beiden in allen Ranglisten des Weltverbands ITU hinter Robisch platziert sind.

Begründung der DTU: Knapp und Lindemann könnten Anne Haug, die einzige deutsche Weltklassefrau, am besten unterstützen und nach einer zu befürchtenden schwächeren Schwimmleistung auf dem Rad im Windschatten wieder an die Spitze heranführen.

Erst am Montag erwirkte Robisch vor dem Deutschen Sportschiedsgericht, dass auch sie und Hanna Philippin in die Vorschlagsliste aufgenommen wurden. Damit standen sieben Namen auf der Liste. Fünf Einzelstartplätze hätten der deutschen Nationalmannschaft bei den Spielen in Rio (5. bis 21. August) zugestanden. Der DOSB aber nominierte allein Haug. Die 33-Jährige hatte als Einzige die Norm erfüllt.

Der Verdacht liegt nahe, dass sich der Dachverband damit einen Rechtsstreit ersparen wollte. „Ich weiß nicht, ob die Entscheidung ohne das Geplänkel im Vorfeld so gefallen wäre“, sagte DTU-Cheftrainer Ralf Ebli dem Abendblatt. An seinen Personalvorschlägen halte er fest: „Es war eine rein sportfachliche Entscheidung. Wir hatten die Helferrolle ausdrücklich mit in die Nominierungskriterien aufgenommen. Und der DOSB hatte klar zu erkennen gegeben, dass er Athleten ohne Norm nur unter teamtaktischen Gesichtspunkten nominieren würde.“

Umso enttäuschender sei es, dass die mühsam erkämpften Nationenstartplätze nun verfallen sollen. Selbst die ITU hätte sich „erschüttert“ über die Entscheidung gezeigt, berichtete DTU-Präsident Martin Engelhardt: „Für unsere Sportart ist das ein großer Schaden.“ Von der persönlichen Tragik für die Aktiven ganz zu schweigen.

Zusammenhalt im Team ist groß

Wie sehr Anja Knapp auf ihre olympische Aufgabe fokussiert gewesen sei, könne man laut Ebli schon daran erkennen, dass sie freiwillig auf ihr Lieblingsrennen verzichte, den Hamburg-Wasser-World-Triathlon an diesem Wochenende. Stattdessen unterstützen Knapp und auch Steffen Justus noch bis kommenden Freitag Anne Haug im Höhentrainingslager. Beide werden sie auch zum Abschluss der Vorbereitung auf Mallorca (1. bis 12. August) begleiten, bevor es am 13. August nach Rio de Janeiro geht. Ebli: „Das zeigt, welchen Zusammenhalt dieses Team hat.“

Robisch will der DTU-Cheftrainer da gar nicht ausnehmen. Die Saarländerin sei weiterhin Mitglied der gemeinsamen Whats­App-Gruppe, nehme an allen Maßnahmen der Nationalmannschaft teil, „wir wünschen ihr nur das Beste“. Das gilt auch und gerade für das Sprintrennen in Hamburg am Sonnabend. Robisch und auch Lindemann sind um 16.43 Uhr am Start, ebenso Gregor Buchholz um 18.46 Uhr im Männerrennen. Er gehörte wie Justus am Dienstag zu den Enttäuschten. Ebli hofft auf eine Trotzreaktion. Immerhin gilt es sich für die Startplätze der Mixed-Team-WM am Sonntag (14.41 Uhr) zu empfehlen.

Von einem Verlegenheitsaufgebot könne keine Rede sein. „Wir sind mit zwölf Athleten am Start, so vielen wie seit Jahren nicht mehr.“ Einige sind ein Versprechen für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, Lasse Lührs (20) etwa, der letztjährige deutsche Juniorenmeister, und Sophia Saller (22), im vergangenen Jahr schon einmal Vierte beim WM-Rennen in Kapstadt.

Und natürlich Laura Lindemann. Die zweimalige Juniorenweltmeisterin aus Berlin hofft es mit Unterstützung der Kanzlerin noch nach Rio de Janeiro zu schaffen. „Ich würde mich freuen, wenn Sie am Sonnabend oder Sonntag nach Hamburg kommen, zum größten Triathlon der Welt“, schrieb sie Angela Merkel, „und sich von meinem Kampfgeist und der Leistung der deutschen Triathletinnen und Triathleten überzeugen lassen.“

Die ARD-„Sportschau“ berichtet am Sonnabend von 18.40 Uhr an von der Einzelentscheidung der Männer. „ZDF Sport extra“ überträgt am Sonntag von 14.50 Uhr an die Mixed-Team-WM live.