Alcudia. Paulo da Cruz war ein Moppelchen. Er wollte abnehmen und am Triathlon teilnehmen. Bei Trainingsbeginn hatte er nicht mal ein Fahrrad.

Regen. Dieser blöde Regen. Wer konnte damit rechnen, dass es Anfang Mai auf Mallorca in Strömen gießt. Zwar nur einen Tag lang, aber leider genau an dem Sonnabend, an dem der Triathlon auf der sonst so sonnigen Insel stattfand. Was fürs Schwimmen relativ egal ist und auf der Laufstrecke sogar erfrischend sein kann, bremst die Teilnehmer beim Radrennen erheblich. Auf der kurvigen, bergigen Strecke im Hinterland Alcudias sind die Abfahrten auf nasser Straße gefährlich.

Maximal drei Stunden hatte Paulo da Cruz für den 90 Kilometer langen Mittelteil des Thomas Cook Ironman eingeplant, am Ende kam der Hamburger erst nach 3:01:05 Stunden in die Wechselzone. „Nur um ein wenig schneller zu sein, riskiere ich bei Regen in den Serpentinen nicht meine Gesundheit“, sagte der Athlet des Hamburger Vereins Triabolos.

Zusammen mit sieben anderen Vereinsmitgliedern hatte sich da Cruz zum Saisonauftakt gleich für die Halbdistanz entschieden: 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und zum Abschluss noch ein Halbmarathon über 21,1 Kilometer. Härter ist nur noch der klassische Ironman über die Langdistanz.

Durchaus ambitioniert für den Hobby-Triathleten, der in diesem Jahr jedoch eine Premiere feierte: Erstmals nahm er extra eine Woche Urlaub, um sich auf Lanzarote in einem Trainingslager perfekt auf die hohen Anforderungen einzustellen. Insofern war das Ziel klar definiert: „Persönliche Bestzeit“ wollte da Cruz erreichen, am Ende verfehlte er diese um 15 Minuten.

105 Kilo – da kam er beim Beachvolleyball kaum vom Boden hoch

105 Kilo (ohne Kind): Paulo da Cruz am Strand
105 Kilo (ohne Kind): Paulo da Cruz am Strand © Privat

Doch dass der 47-Jährige überhaupt in der Lage ist, solche Anstrengungen zu meistern, war vor einigen Jahren noch undenkbar. 105 Kilo hatte da Cruz 2002 auf den Rippen, als er in der Dominikanischen Republik im Urlaub war.

Beim Beachvolleyball am Hotelstrand reifte die Erkenntnis, dass er „kaum noch vom Boden hochkam.“ Der General Manager eines Musikverlages kam zu dem Entschluss, etwas zu ändern. „Als Erstes habe ich meine Ernährung umgestellt. Ich habe mir den Teller beim Buffet zwar immer noch vollgeschlagen, jedoch bewusster, nicht mehr so viel Blödsinn raufgepackt“, erinnert sich da Cruz.

Rennen über Kilometer: "Ich dachte, mein Herz springt raus"

Er begann wieder ein wenig zu laufen, so wie es der gebürtige Portugiese zu Studienzeiten getan hatte. Ein Jahr nach dem besagten Urlaub nahm er an seinem ersten Wettkampf teil: Ein Zehnkilometerlauf vor den Toren Hamburgs in Glinde. Da Cruz kam nach 52 Minuten ins Ziel. „Ich dachte, mein Herz springt gleich aus meinem Körper heraus. Ich war völlig fertig.“

Dennoch hatte der Familienvater Blut geleckt. Wenn zehn Kilometer gehen, gehen auch 20. Ein halbes Jahr später nahm er sich seinen ersten Halbmarathon in Hamburg vor und schaffte auch diesen. „Wow, dachte ich mir da. Mit fleißigem Training scheint alles zu gehen. Jetzt noch einen Marathon meistern, das wäre echt die Höhe.“ Und angestachelt von seinen Erfolgen, absolvierte da Cruz im Jahr 2004 die 42 Kilometer in Hamburg – die Zeit war ihm damals noch egal.

Damit war der Reiz des Rennens ausgeschöpft. „Doch dann gab es in Hamburg ja seit einigen Jahren den Holsten City Man, die erste Triathlonveranstaltung dieser Stadt. Triathleten, das waren für mich diese Ironmänner aus Hawaii, die schier Unglaubliches schafften. Und von dieser Idee kam ich nicht mehr los“, sagt da Cruz.

Triathlon-Training: Er hatte nicht mal ein Fahrrad

500 Meter Schwimmen seien für ihn am Anfang wie der Ärmelkanal gewesen, ein Rad besaß er zu dem Zeitpunkt gar nicht. „Ich habe mir ein holländisches Damenrad von einem Kumpel geliehen“, erzählt da Cruz. Der Schmerz stellte sich schnell ein, doch das Publikum in Hamburg sei „derart frenetisch“ gewesen, dass unbekannte Kraftreserven freigesetzt wurden. Auch die völlig neue Erfahrung, sich mit einem Puls von 180 die Radschuhe anziehen zu müssen, blieb in seinem Kopf bis heute hängen. „Deine Hände zittern, das ist wirklich nicht einfach.“

Doch mit diesem Triathlon über die Sprintdistanz hatte da Cruz seine Liebe zu der Sportart entdeckt. Über die olympische Distanz tastete er sich an die Halbdistanz heran, bis ihm vor fünf Jahren in Frankfurt der erste Zieleinlauf über die Langdistanz glückte: 3,86 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen. Das Ganze in weniger als zwölf Stunden. „Dieses Gefühl im Ziel werde ich niemals vergessen. Die Gewissheit, so etwas geschafft zu haben, pusht mich seitdem auch in anderen Lebenslagen“, sagt da Cruz, dessen Kampfgewicht heute von 105 auf 72 Kilo geschrumpft ist.

Jetzt will er zum Ironman nach Hawaii

Auf Mallorca hat der Modellathlet in diesem Jahr nun seinen ersten Triathlon nach einem semi-professionellen Trainingslager hinter sich gebracht. Acht bis zwölf Stunden investiert er ohnehin schon jede Woche in den Sport, für noch höhere Ambitionen reicht die Zeit fürs Training einfach nicht. Doch eine Sache hat da Cruz noch im Hinterkopf -- den Ironman auf Hawaii. „Natürlich ist es mein Ziel, irgendwann mal beim absoluten Klassiker zu starten. Anderseits habe ich Angst, danach in ein Loch zu fallen. Denn mehr geht nicht.“

Dafür ging Venedig noch im Juni, auch über die Volldistanz, und Hamburg geht eigentlich immer. „Ein Pflichttermin“, sagt da Cruz. Wäre da nicht der Triathlon in Roth, ein „absoluter Klassiker“ der sich in diesem Jahr mit Hamburg überschneidet. „Ich muss mich für einen entscheiden."