Hamburg. Hengst Isfahan sichert Startrainer Wöhler beim wichtigsten deutschen Galopprennen den vierten Triumph. Die Favoriten enttäuschen.

Ein Zuschauer auf dem Dach gegenüber dem Zieleinlauf spricht aus, was wohl alle in diesem Moment denken, die auf den Topfavoriten gewettet haben. „Wo ist eigentlich Boscaccio?“ Ja, wo ist er denn? Jedenfalls nicht dort, wo ihn Experten ebenso wie Zocker vor dem 147. Derby in Horn gesehen haben: an der Spitze des größten, wichtigsten und bestdotierten Galopprennens in Deutschland. Stattdessen läuft der Hengst vor mehr als 18.000 Zuschauern als Achter ins Ziel.

Sieger vor dem begeisterten Publikum wird überraschend Hengst Isfahan des Züchters und Startrainers Andreas Wöhler mit dem italienischen Jockey Dario Vargiu. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zweiter wird der ebenfalls als Außenseiter angetretene Savoir Vivre unter Frederik Tylicki, gefolgt von Dschingis Secret mit Martin Seidel im Sattel. Auf Platz vier kommt Wai Key Star mit Eduardo Pedroza, ebenfalls von Wöhler ins Rennen geschickt.

Damit ist Wöhler der große Gewinner des Deutschen Derbys, das mit 650.000 Euro dotiert war. Isfahan, benannt nach einer Provinz im Iran, brachte dem Coach aus Gütersloh den vierten Derby-Sieg. „Im Sattel habe ich gespürt, wie Isfahan voller Kraft und Power steckte, es war ein super Gefühl“, sagte Jockey Dario Vargiu.

Siegerhengst machte die Zocker reich

Für das enttäuschende Abschneiden von Boscaccio gibt es laut Mehrheitsbesitzer Rainer Hupe aus Seevetal nur eine Erklärung: „Das war eindeutig der Boden, Boscaccio hatte mit der Tiefe zu kämpfen“, sagte der 70-Jährige. „Eigentlich wollten wir in drei Wochen nach Baden-Baden. Vielleicht bekommt er eine längere Pause, denn mein Hengst musste richtig ackern.“ Auch Jockey Dennis Schiergen schob die Niederlage auf den Boden. Boscaccio hat vor dem Horner Derby eine außergewöhnliche Karriere gemacht. Jeder Start des Vollblüters endete mit einem Sieg. Er gewann vier der größten Rennen auf deutschem Boden in Folge. Allerdings gelang ihm dies jedes Mal auf trockenem Geläuf. Der Boden in Horn war dagegen wegen der tagelangen Regenfälle schwer und feucht.

Tops und Flops der Rennwoche in Horn

Plus

An vier von sieben Tagen war der Zugang zum Derby frei. Tausende nutzten die Gelegenheit, die Rennen zu verfolgen. Lediglich Tribünenplätze mussten am Sonnabend, Dienstag, Mittwoch und Freitag bezahlt werden. Da ist mancher auf den Geschmack gekommen.

Minus

Viel zu wenig Parkplätze, etliche Besucher waren deshalb verstimmt, so mancher gab entnervt auf.

Plus

Das Team rund um den Hamburger Renn-Club sorgte dafür, dass der Ablauf des Derby-Meetings reibungslos funktionierte. Siegerehrungen wurden stilvoll inszeniert, HRC-Präsident Eugen-Andreas Wahler und sein Vize Albert Darboven waren immer dabei.

Minus

Zwei unterschiedliche Wettscheinsysteme sorgten an den Wetthäuschen für Gesprächsstoff und verwirrten Neulinge.

Plus

Das Hamburger Unternehmen von Albert Darboven servierte diverse Kaffeesorten direkt an der Rennbahn zu fairen Preisen.

Minus

Die Haupttribüne ist renovierungsbedürftig, die Sitze geben keinen guten Rückenhalt, auf vielen wird für die „Quick“ geworben. Die Illustrierte gibt es seit 24 Jahren nicht mehr.

Plus

Im Kinderland gab es kostenlos betreutes Toben auf einer Hüpfburg, Kettcar-Rennen und eine Kletterwand.

Minus

Eine Schale Currywurst kostete 4,00 Euro, eine Bratwurst 3,50 Euro. Happig, aber im Schnitt etwas günstiger als beim Dressur- und Spring-Derby in Klein Flottbek.

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Der erst wenige Minuten vor Ablauf der Frist angemeldete Landofhopeandglory des irischen Startrainers Aidan O’Brian wurde sogar nur Vorletzter und enttäuschte auf ganzer Linie. Die Nachnennung hatte stolze 65.000 Euro gekostet, das Zehnfache der ursprünglichen Nennungsgebühr. Da half es auch nichts, dass Landofhopeandglory von Ryan Moore geritten wurde, der als Ausnahmekönner und einer der besten Jockeys der Welt gilt.

Was Boscaccio zum Verhängnis wurde, beflügelte Isfahan: „Der Boden war ganz nach seinem Geschmack“, sagte Wöhler über seinen Siegerhengst, der den Zockern eine Quote von 168:10 brachte. Im Mai war Isfahan nur Fünfter im italienischen Derby geworden.

Strafe für den Sieger

1992 Pik König, 1999 Belenus und 2011 Waldpark waren Wöhlers bisherige Derby-Sieger. Für 35.000 Euro hatte Wöhler Isfahan als Jährling auf einer Auktion an den Stall Darius Racing verkauft, der den Hengst dann zu Wöhler ins Training gab. Hinter Darius Racing steht Stefan Oschmann, der Vorstandsvorsitzende des Pharmaunternehmens Merck aus Darmstadt. 390.000 Euro und damit mehr als das Zehnfache des Preises beträgt die Siegprämie beim Derby.

„Wir sind noch immer voller Adrenalin“, sagte Oschmanns Stallmanager Holger Faust unmittelbar nach dem Sieg. „Erst dachten wir, an der Innenseite wäre für uns ein besserer Startplatz, doch der Start an der Außenseite war bei diesem Geläuf die bessere Option. Auf der Zielgraden war es so eng und knapp mit drei Pferden, dass wir auf den Richterspruch warten mussten. Es war ein sehr aufregender Lauf, jetzt können wir aufatmen und sind sicher am Ziel.“

Um den Sieg zu erlangen, setzte allerdings Isfahans Jockey Dario Vargiu die Gerte zu oft ein. Dafür brummte ihm die Horner Rennleitung eine Strafe von 2000 Euro auf. Auch Frederik Tylicki machte dieses Foul. Es wurde mit vier Tagen Lizenzentzug für die nächsten Turniere geahndet. Beide Jockeys mussten zudem 75 Prozent ihres Derby-Verdienstes abgeben. Ohne diese Strafe hätte Vargiu 19.500 Euro kassiert, bei Tylicki wären es 6500 Euro gewesen.