Mit einer beeindruckenden Vorstellung hat Van Avermaet das Gelbe Trikot erobert. Der Belgier war der letzte einer Ausreißergruppe.

Le Lioran. Kurz vor dem Zielstrich fuhr er Zickzacklinien wie ein übermütiges Kind auf seinem ersten Fahrrad, dann ballte er die Faust: Radprofi Greg Van Avermaet freute sich unbändig am Mittwoch über sein erfolgreiches Solo, das ihm bei der 103. Tour de France neben dem Sieg auf der fünften Etappe auch das erste Gelbe Trikot seiner Karriere eingebracht hatte.

Am Tag nach Marcel Kittels Sprint-Show von Limoges hatte zum ersten Mal die Stunde der Ausreißer geschlagen. Der 31 Jahre alte Belgier Van Avermaet setzte sich als Schnellster von zuletzt drei Spitzenfahrern nach 216 Kilometern durch und löste Weltmeister Peter Sagan an der Spitze des Gesamtklassements ab. 17 Kilometer vor Schluss hatte er sich von seinem letzten Begleiter, seinem Landsmann Thomas De Gendt getrennt.

Van Avermaet feierte auf 1225 Meter Höhe in Le Lioran seinen insgesamt zweiten Tour-Etappensieg. Der Klassiker-Spezialist verwies De Gendt mit 2:34 Minuten und Rafal Majka aus Polen (+5:04 Minuten) auf die Plätze. An der Spitze trennen Van Avermaet jetzt 5:11 Minuten von seinem ersten Verfolger Julien Alaphilippe aus Frankreich.

„Alles lief perfekt. Ich habe den Etappensieg und sogar ein schönes Gelbes Trikot“, sagte der glückliche Tagessieger, der sich zum ersten Mal in seiner Karriere das „Maillot Jaune“ sicherte. „Morgen kann ich es sicher noch verteidigen - danach sehen wir weiter“, erklärte Van Avermaet.

Nibali überraschend chancenlos

Sagan musste seinen ersten tollen Tourtagen Tribut zollen und verlor im Zentralmassiv viel Zeit. Überraschend fiel auch Giro-Gewinner Vincenzo Nibali aus Italien zurück und konnte mit den Besten bei der Tagestour über sechs Anstiege nicht mithalten.

Auch der angeschlagene Alberto Contador verlor auf Vorjahressieger Chris Froome und Nairo Quintana Zeit, mit hängendem Kopf rollte der zum Tour-Auftakt gestürzte Spanier 33 Sekunden später über die Ziellinie in Le Lioran. „Es war heute sehr schwer. Die zwei Stürze der ersten Tage machen mir weiter zu schaffen“, sagte der zweifache Toursieger, der keine Hoffnungen mehr auf den dritten Erfolg hat.

Am Pas de Peyrol hatten die großen Tour-Favoriten, die die Ausreißer auf dem anspruchsvollen Terrain lange nicht ernst genug genommen hatten, voll auf und reduzierten den enormen Vorsprung der Spitzengruppe. Froomes Sky-Team und Quintanas Movistar-Formation ließen ordentlich die Muskeln spielen. Aber Van Avermaet und Co. waren nicht mehr einzuholen.

Deutsche Profis außen vor

Nachdem sich zum Tour-Auftakt viel um die Sprinter Kittel, Greipel und Co. gedreht hatte, spielten die zwölf deutschen Tourstarter am Mittwoch keine Rolle. Allerdings sammelte das nimmermüde Zweitliga-Team Bora-Argon 18 wieder Fleißpunkte.

Durchs Zentralmassiv hatte Bora-Profi Bartosz Huzarski in der ursprünglich neun Fahrer starken Ausreißergruppe eine bedeutende Rolle gespielt. Allerdings konnte der Pole auch nicht verhindern, dass sich lange vor den fünf Schlusssteigungen die drei stärksten Fahrer absetzten. Das Trio Van Avermaet, De Gendt und Griwko hatte 55 Kilometer vor dem Ziel noch fast 15 Minuten Vorsprung auf das Fahrerfeld mit den Tour-Favoriten.

Der Abstand verringerte zwar noch, aber der Sprung ganz nach vorne gelang weder Froome noch seinem Herausforderer Quintana. Beide erreichten das Ziel 5:07 Minuten nach Van Avermaet, der in diesem Frühjahr schon Tirreno-Adriatico gewonnen hatte.

Das Profil der fünften Etappe hatte es in sich. Im Zentralmassiv - im Expresstempo hatte der Tourtross in den vergangenen Tagen den Sprung von der Nordwestspitze Frankreichs in den Süden geschafft - waren sechs Steigungen der vierten bis zweiten Kategorie zu meistern. 75 Kilometer vor dem Ziel war der deutsche Ex-Meister Robert Wagner in einen glimpflich verlaufenen Massensturz verwickelt.