Roger Federer drehte im Viertelfinale ein verloren geglaubtes Match und wahrte seine Chance auf den achten Titel in Wimbledon.

London. Roger Federer wackelte bedenklich, doch er fiel nicht. Nach einer grandiosen Aufholjagd mit drei abgewehrten Matchbällen wahrte der Rasenkönig aus der Schweiz die Chance, nach vier Jahren auf den Wimbledon-Thron zurückzukehren. Im Viertelfinale bezwang er Marin Cilic aus Kroatien 6:7 (4:7), 4:6, 6:3, 7:6 (11:9) und 6:3. Nach 3:17 Stunden zog Federer zum elften Mal in seiner Karriere ins Halbfinale des bedeutendsten Tennisturniers der Welt ein.

Dort trifft er am Freitag erneut auf einen Aufschlagriesen. Der Kanadier Milos Raonic, der im All England Club von der US-Ikone John McEnroe betreut wird, setzte sich gegen Djokovic-Bezwinger Sam Querrey (USA) mit 6:4, 7:5, 5:7, 6:4 durch. Der siebenmalige Champion Federer holte zum zehnten Mal in seiner Karriere einen 0:2-Satzrückstand auf. „Der Traum geht weiter, ich habe großartig gekämpft und ab dem vierten Satz toll gespielt“, sagte Federer, der mit dem 307. Sieg bei einem der vier Grand-Slam-Turniere Martina Navratilova überholte und zum erfolgreichsten Spieler der Geschichte avancierte.

Federer wehrt Matchball mit zweitem Aufschlag ab

Der frühere US-Open-Champion Cilic, die erste echte Bewährungsprobe im Turnier, wäre für Federer beinahe zum Stolperstein geworden. Im vierten Satz war der 34-Jährige dreimal nur noch einen Punkt vom Aus entfernt. Bei Cilic’ erstem Matchball (4:5) profitierte Federer von einem Returnfehler seines Gegners nach einem zweiten Aufschlag, beim zweiten (5:6) servierte er ein Ass, beim dritten im Tiebreak einen Service-Winner.

Das Match nahm derart dramatische Züge an, dass selbst Vogue-Chefin und Federer-Edelfan Anna Wintour in der Box des Maestros keine Rücksicht mehr auf ihre Garderobe nahm und aufsprang. Nach seinem zweiten Break des Spiels verwandelte Federer wenig später seinen ersten Matchball – und der gesamte Centre Court feierte den Publikumsliebling.

Federer fand zunächst nicht ins Match

Das Szenario auf dem heiligen Rasen des Londoner All England Club hatte zunächst an die Tage im Big Apple von New York vor fast zwei Jahren erinnert. Damals hatte Djokovic im Halbfinale verloren, zwischen Federer und dem ersehnten 18. Majortitel standen nur noch Cilic und der Japaner Kei Nishikori. Nicht einmal zwei Stunden später war sein Traum geplatzt. „Er hat mich weggeputzt, als wäre es nichts“, erinnerte sich Federer vor dem Match in Wimbledon, war jedoch guter Dinge, dass es diesmal anders laufen würde.

Doch zu Beginn diktierte der 1,98 m große Cilic die Partie, auch weil Federer die wenigen Chancen, die sich boten, nicht nutzte. Die Fehler im Tiebreak des ersten Durchgangs hingen ihm derart nach, dass Federer zu Beginn des zweiten seinen Aufschlag abgab. Mit der Unterstützung des Publikums bäumte sich Federer noch einmal auf und kam tatsächlich zurück. Seine fünfte Chance im Tiebreak nutzte er zum 2:2-Satzausgleich.

Federer versucht in seinem Rasenreich Wimbledon, seine bislang verkorkste Saison zum Guten zu wenden. Nach dem guten Auftakt mit dem Halbfinale in Melbourne verletzte er sich beim Spielen mit seinen Kindern am Knie. Der Operation folgten eine Grippe, Rückenschmerzen und die Absage seines Starts bei den French Open in Paris nach 65 Grand-Slam-Teilnahmen in Folge. Auf Rasen sollte alles besser werden, doch auch in Stuttgart und Halle/Westfalen verpasste er seinen ersten Titel des Jahres. In Wimbledon wahrte er die Chance darauf.