Paris. Die EM in Frankreich ist trotz der Aufblähung auf 24 Teams reizvoll. Deutschlands Weltmeister planen den nächsten Coup.

Wenn am Abend des 10. Juni die Europameisterschaft in Frankreich mit dem Duell der hoffnungsvollen Gastgeber gegen Rumänien im Stade de France angepfiffen wird, soll nur noch der Fußball im Mittelpunkt stehen. Dieser Gedanke klingt nach den schrecklichen Ereignissen des 13. November und der immensen Anti-Terror-Bemühungen wie ein frommer Wunsch, doch auch Bundestrainer Joachim Löw will den beklemmenden Erinnerungen an die miterlebte Schreckensnacht in Paris vor einem halben Jahr trotzen. „Frankreich ist ein schönes Land, ist natürlich auch ein fußballbegeistertes Land. Von daher freue ich mich natürlich wie auf jedes Turnier“, sagte Löw vor der nächsten Titelmission der Weltmeister.

Wenn am 10. Juli ebenfalls im Stade de France nach 51 Spielen das Turnier mit der Rekordteilnehmerzahl von 24 Mannschaften endet, soll der Sieger wie vor zwei Jahren bei der WM in Brasilien wieder Deutschland heißen, nach dem vierten WM-Stern auch der vierte kontinentale Titel gefeiert werden - so zumindest der Plan des Bundestrainers.

Die Gruppengegener als Vorteil?

„Deutschland zählt immer zum Favoritenkreis. Von uns erwarten immer alle, dass wir weit kommen, um den Titel mitspielen und den Titel gewinnen“, sagte Löw, der nach Helmut Schön (1972/1974) der erste Bundestrainer werden könnte, der Welt- und Europameister wurde. Doch die Ergebnisse seit der magischen Nacht von Rio waren nicht brillant, die Qualifikation verlief für Thomas Müller und Co. mit zwei Niederlagen holprig. Und die kontinentale Konkurrenz ist riesig.

Frankreich macht sich unter Trainer Didier Deschamps große Hoffnungen auf den dritten Heimtriumph nach EM 1984 und WM 1998. Titelverteidiger Spanien will den historischen EM-Hattrick schaffen. England ist wieder erstarkt und Belgien ein heißer Geheimtipp. Immerhin: Deutschland hat mit den Vorrundenduellen gegen die Ukraine (12. Juni/Lille), Polen (16. Juni/Saint-Denis) und Nordirland (21. Juni/Paris) in der Gruppe C keine übermächtigen Auftaktgegner.

Ein Scheitern wie zuletzt 2004 in der Gruppenphase ist praktisch unmöglich, denn der neue Modus meint es gut: Auch die vier besten Dritten der sechs Gruppen kommen in die K.o.-Runde - der Achtelfinaleinzug wird damit für manche zum Rechenexempel.

Der wegen seiner Ethikvergehen für vier Jahre gesperrte und gleich nach dem CAS-Urteil am 9. Mai zurückgetretene Fifa-Chef Michel Platini ist bei seinem Heimturnier nur durch das Wohlwollen des französischen Verbandes geduldeter Besucher. Eine bittere Rolle, denn die Mammut-EM ist auch sein Projekt. Der 60-Jährige wollte die Ausweitung auf 24 Teams, um die Vermarktung anzukurbeln und kleineren Fußball-Nationen das Turniererlebnis zu ermöglichen. Das ist geglückt: Gleich fünf Neulinge (Albanien, Island, Nordirland, Slowakei, Wales) sind erstmals bei einer EM dabei.

Das Versprechen der „maximalen Sicherheit“

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sagte: „Die EURO 2016 muss ein Fest für alle sein“, doch die Worte des Politikers waren nicht sportlich motiviert. Die Sicherheitskräfte der Grande Nation arbeiten unter Hochdruck. Die Anschläge von Paris und Brüssel haben vergegenwärtigt, wie angreifbar das Massenevent in diesem Sommer sein wird. Frankreichs Präsident François Hollande versprach für die EM „maximale Sicherheit“.

Polizei, Gendarmerie und Militär sind im Einsatz: Die zehn Spielorte sind mit Saint-Denis, Paris, Lens, Lille, Bordeaux, Toulouse, Marseille, Nizza, Lyon und Saint-Étienne über das ganze Land verteilt. Auch die 24 EM-Quartiere der Teams - viele in abgelegenen Regionen - müssen geschützt werden. Der DFB hat seine eigenen Sicherheitsvorkehrungen für das deutsche Basecamp in Evian-les-Bains am Genfer See zusätzlich verstärkt.

Die Uefa ist kurz vor ihrem wichtigsten Event durch den Platini-Skandal und den Aufstieg von Generalsekretär Gianni Infantino zum Fifa-Chef ohnehin in ihrer Führungsstruktur labil. Die Terrorangst spürt sie zudem auch noch an anderer Stelle. Gerade teure Tickets sind Ladenhüter. „Der Verkauf im Hospitality-Bereich ist stark unter den Erwartungen geblieben. Das sind offensichtlich die Auswirkungen der Geschehnisse am 13. November“, sagte das deutsche Uefa-Exekutiv-Mitglied Wolfgang Niersbach.

Beim normalen Fan findet die EM aber offenbar großen Anklang. Insgesamt 1,8 Millionen Karten gingen in den freien Verkauf. Zuletzt gab es nur noch Restposten für ein knappes Dutzend Spiele - meist von Teams aus Osteuropa. Die deutschen Partien sind ausverkauft. Die EM-Vorfreude bezwingt die Terrorangst.