Hamburg. Das Rewe Final Four um den DHB-Pokal am Wochenende kollidiert erstmals mit der Champions League. Leidtragende sind die Spieler.

Ganz so traurig werden sie beim THW Kiel schon nicht sein, dass sie am Wochenende zum dritten Mal nacheinander nicht dabei sind bei der Pokalendrunde in der Hamburger Barclaycard-Arena. Es gibt da ja einen mehr als gleichwertigen Ersatz: das Champions-League-Viertelfinale beim FC Barcelona am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky live). Und rettet der deutsche Handballrekordmeister etwas von seinem 29:24-Vorsprung aus dem Hinspiel über die Zeit, darf er ja doch noch ein Final Four bestreiten, sogar ein noch größeres Ende Mai in Köln.

Dieses Glück hat Kiels Pokalbezwinger nicht. Die SG Flensburg-Handewitt scheiterte am Mittwochabend im Champions-League-Viertelfinale beim polnischen Meister Kielce unter skandalösen Umständen – in der Schlusssekunde wurde der Mannschaft beim Stand von 28:29 ein klarer Siebenmeter verweigert. Ein 29:29 hätte den Flensburgern das Weiterkommen ermöglicht. Diesen Schock muss der Titelverteidiger nun bis zum ersten Pokalhalbfinale am Sonnabend gegen Bundesliga-Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen (15 Uhr/Sport1) aus dem Kopf bekommen. Und vor allem die Müdigkeit aus den Muskeln. Um die Regeneration zu erleichtern, kehrte das Team nicht nach Flensburg zurück, sondern bezog schon am Donnerstag in Hamburg Quartier.

Seit 1993 wird der DHB-Pokal bei einem Finalturnier ausgespielt, seit 1994 ist er in Hamburg beheimatet, seit 2003 in der stets ausverkauften Multifunktionshalle am Volkspark. Aber noch nie traten Mannschaften derart unvorbereitet – und derart frustriert – bei dem Saisonhöhepunkt an. „Terminkonflikte hat es öfter gegeben“, sagt Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), „in dieser Ausprägung allerdings nicht.“

Betroffen ist auch der SC Magdeburg. Der Tabellenzehnte kämpfte noch am Mittwoch gegen Göppingen um den Einzug in die Endrunde des europäischen EHF-Pokals – vergebens. Am Sonnabend (17.45 Uhr) wirft er gegen den abstiegsbedrohten Bergischen HC den zweiten Teilnehmer des Endspiels am Sonntag (15 Uhr/jeweils Sport1) aus. Auch wenn es das Spiel um Platz zwei sein dürfte: Der Sieger ist nächste Saison mit großer Wahrscheinlichkeit im EHF-Pokal vertreten, sofern Löwen und Flensburger nicht noch von ihrem klaren Champions-League-Kurs abkommen. „Diese Ansetzung ist eigentlich Wahnsinn“, sagt Flensburgs Geschäftsführer Dierk Schmäschke, der ehemalige HSV-Vizepräsident: „So wichtige Spiele binnen so kurzer Zeit, dazu die lange Reise, das ist nicht normal.“

Aber offenbar so gewollt. Der Europaverband EHF hatte die Champions League zu dieser Saison reformiert. Heraus kamen noch einmal vier zusätzliche Spieltage. So hatten es sich zwar die meisten europäischen Topclubs gewünscht – nicht aber die deutschen. Sie haben die größte nationale Liga zu bespielen und sind dabei auch hinreichend gefordert. Es ist nicht das erste Mal, dass die EHF der Hamburger Traditionsveranstaltung in die Quere kommt. Schon dass das Erfolgsformat für die Champions League und den EHF-Pokal erst kopiert und dann ebenfalls in den deutschen Markt gedrückt wurde, hat man bei der Bundesliga als unfreundlichen Akt empfunden. „Wir werden mit der EHF im Juni das Thema erörtern“, sagt Bohmann, „denn der nächste Terminkonflikt ist schon programmiert. Auf Dauer muss man sich Gedanken machen: Was können wir den Spielern zumuten? Leider scheint diese Frage die niedrigste Priorität zu haben.“

Bei steigender Belastung aber, das lehrt die Erfahrung aus vielen eng getakteten Handballturnieren, bleibt die Spielkunst auf der Strecke. Eine Möglichkeit zur Qualitätssicherung wäre da, das Halbfinale bereits freitags auszutragen und den Finalisten so einen Ruhetag zu verschaffen. Einen entsprechenden Vorstoß hat der französische Superstar Nikola Karabatic von Paris Saint-Germain bei der EHF in Bezug auf die Champions-League-End­runde gemacht.

Für dieses Mal bleibt den Flensburgern nur, die Belastung auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Eines kann Trainer Ljubomir Vranjes versprechen: „Wir werden um den Pokal kämpfen bis zum Umfallen.

Lesen Sie im Abendblatt-Magazin die Chronologie des Niedergangs des HSV Hamburg: vom Champions-League-Triumph 2013 zur Insolvenz 2015.