Hamburg. Am heutigen Sonnabend steigt das Handball-Oberligaderby gegen den HSV als Topspiel.

Es ist eine vereinskameradschaftliche Geste, dass St. Paulis Fußballer in dieser Saison kleine Radioaufsager für ihre Oberliga-Handballer einsprechen. Diese Woche kündigte Sören Gonther auf Hamburgs Musiksender 917xfm die „Derby Time“ an. „Wovon wir Fußballer nur träumen, das gibt es am Sonnabend bei unseren Handballern.“ Für das Heimspiel in der Halle Budapester Straße gegen die U23 des HSV (20 Uhr) sind schon seit einem Monat alle 300 Tickets weg. Es ist ja auch ein echtes Topspiel: Der Erste gastiert beim Überraschungsvierten.

Die Kiezhandballer sind mit 376 Mitgliedern die drittgrößte der 19 Abteilungen im FC St. Pauli – hinter Männerfußball und Rugby. Und nicht nur im Radio werden sie zurzeit promotet; das Fanzine „Übersteiger“ widmete dem „Vize-Herbstmeister“ der Oberliga Schleswig-Holstein/Hamburg einen Riesenartikel im aktuellen Heft. Hat etwa die Aufsichtsratsvorsitzende Sandra Schwedler, die als Rechtsaußen (als Rechtshänderin) für die 2. Handballdamen in der Landesliga spielt, subtil Lobbyarbeit geleistet? Die 35-Jährige bestreitet das amüsiert: „Mein Herz schlägt für die Breitensportarten an sich.“ Aber natürlich erfreut sie die kräftig wachsende Handballsparte. Als sie 1999 Mitglied wurde, gab es zwei Männermannschaften und ein Frauenteam, heute sechs Herren- und ab nächster Saison vier Frauenteams, dazu eine eigene Jugend als Spielgemeinschaft mit der SG Altona, ein Inklusions- und bald ein Flüchtlingsteam.

Es gebe gute Chancen, dass einige Aufsichtsrats- und Präsidiumskollegen am Sonnabend mal mitkämen zum Handball, sagt die Chef-Kontrolleurin. Direkt davor steht nämlich eine Sitzung an. Und das Millerntorstadion ist ja nur einen Schlagwurf von der Turnhalle des Wirtschaftsgymnasiums St. Pauli entfernt. Sie selbst muss etwas früher los, weil sie um 18 Uhr in dem „Vorspiel“, dem Frauen-Derby, mitspielt: Ihre 2. Damen empfangen den echten Hamburger SV „nicht der Retorten-Nachlass der Männer“, wie Schwedlers Teamkollegin Melli Stölting auf Facebook spöttelte.

Diese Rivalität HSV gegen St. Pauli wird auch im Handball zelebriert. „Wie jedes Jahr ist das unser Highlight, diesmal noch mehr, weil der HSV II ja jetzt irgendwie der HSV I ist“, sagt St. PaulisTeamkapitän Arne Dohren, 31. „Sie steigen ja eh auf, aber wir wollen ihnen noch ein Bein stellen.“ Zum ersten Mal in dieser Saison gab es einen „Kartenvorverkauf“, in Anführungsstrichen, weil der Eintritt wie immer frei ist. Die „Kartenvorvergabe“ ist eine kleine Vorsichtsmaßnahme, weil bei diesem Duell – völlig handballuntypisch – in der Vergangenheit schon mal eine Bierflasche flog und ein Nazi-Shirt auftauchte.

Einen möglichen Aufstieg sieht man beim FC St. Pauli eher skeptisch

Die enge, laute „Buda“, so der Spitzname der Halle Budapester Straße, soll den HSV wie eh einschüchtern. „Es gibt sehr viele Fußballfans bei uns, die Stadionatmosphäre schwappt rüber“, beschreibt Sandra Schwedler. „Es ist kein klassischer Handballsupport mit Trommeln, wir haben bei uns Gesänge.“ Dohren beobachtete, „dass HSV-Trainer Jens Häusler bei uns immer ganz aufgeregt ist“. Extra intensiv trainiert haben die Braun-Weißen nicht. „Wir waren eher in den Osterferien“, witzelt der Rechtsaußen. Bei allem Understatement spielt das Team um Regisseur Rasmus Gersch (beim THW Kiel ausgebildet) und Kreisläufer-Urgewalt Renke Behrens aber eine starke Saison. Und wie halten sie es mittelfristig mit dem Thema Aufstieg? „Wir kommen aus einer sehr familiären Atmosphäre. Dann hätte man ein exponiertes Team mit Bezahlspielern, das ein ganz anderes Konstrukt erfordern würde“, sagt Schwedler skeptisch. Auf ihrer Agenda stehen eher die fehlenden Hallenzeiten für alle. Und ihre Zweiten Damen setzen die politischen Akzente in der Abteilung: Ihr Saisonmotto lautet „Lieb doch, wen du willst“.

Die Männer wiederum legen großen Wert darauf, dass niemand bezahlt wird und sie alles selbst bestimmen. Klaus Häfele ist der Spielertrainer. „Ach, wir trainieren uns selbst“, sagt Kapitän Dohren (auch für die Sponsorenakquise zuständig). Zum Thema Dritte Liga meint er: „Als Team haben wir über einen Aufstieg noch nie ernsthaft geredet, aber viel gelacht.“