Über Jahre hinweg sollen die Leistungen der russischen Schwimmer mit verbotenen Mitteln manipuliert worden sein.

London. Nach der Leichtathletik wird auch der russische Schwimmsport laut einem Bericht der Zeitung „The Times“ von einem gigantischen Dopingskandal erschüttert. Eine „Schande“ überschreibt das seriöse englische Blatt am Mittwoch seinen langen Artikel, der auf umfangreichen Recherchen beruhe. Es gebe Beweise für eine „organisierte Drogenkultur“ im russischen Schwimmsport in den vergangenen zehn Jahren. Die „Times“ enthüllte unter anderem Betrug durch einen bereits in Ungnade gefallenen Mediziner, mit illegalen Drogenlaboren und vertuschten Dopingtests.

So soll Sergej Portugalow, Chefmediziner der seit vier Monaten suspendierten russischen Leichtathleten, auch den Schwimmern leistungssteigernde Mittel verabreicht haben. Eine Zeugin sagte aus, dass es bei einem Wettkampf in Moskau am Schwimmbecken eine „Apotheke“ gegeben habe, um die Athleten direkt mit „Pillen und Medizin“ zu versorgen. Zwei Schwimmer, die positiv auf das Blutdopingmittel EPO getestet wurden, seien nie bestraft worden. Laut „Times“ wurden Zeugen eingeschüchtert. Ihnen wurden Repressalien angedroht, falls sie mit ihrem Wissen über Doping an die Öffentlichkeit gehen.

Russland stellt die meisten Dopingsündern

Mit mehr als 40 positiven Tests soll Russland im vergangenen Jahrzehnt weltweit das Land mit den meisten Dopingsündern im Schwimmen gewesen sein, schreibt die Zeitung. Zuletzt hatte der Fall von Weltmeisterin Julija Jefimowa für Aufsehen gesorgt. Der prominenten Sportlerin wird die Einnahme des verbotenen Herzmedikaments Meldonium vorgeworfen, das seit dem 1. Januar auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA steht. Jefimowa wies dies sofort zurück. Sie wolle den Beweis ihrer Unschuld antreten.

WADA-Präsident Craig Reedie schloss Untersuchungen nicht aus. „Falls diese Vorwürfe korrekt sind, gehen sie sicherlich auch die WADA etwas an - und wir werden sie genau prüfen“, sagte Reedie der „Times“. Die russische Schwimm-Föderation und der Weltverband FINA haben sich auf Anfrage der Zeitung bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Portugalow habe nach E-Mail-Anfrage der Zeitung zwar Antworten zugesagt, sich dann aber nicht mehr gemeldet. Die Anti-Doping-Kommission im russischen Sportministerium kündigte eine Antwort „bis zum Wochenende“ an. Nach diesen neusten Erkenntnissen droht dem russischen Schwimmverband nun auch ein Olympia-Bann für Rio.