Frankfurt/Main. Die Kanzlei hat ihren Bericht vorgestellt. Beweise für Stimmenkauf gibt es nicht. Bestechung kann aber nicht ausgeschlossen werden.

Keine Beweise für Bestechung, neue Fragen um Franz Beckenbauer: Der mit Spannung erwartete Bericht der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zu möglicher Korruption im Vorfeld des deutschen Sommermärchen hat die wesentlichen Fragen nicht klären können. Wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Freitag bekanntgab, hätten die Wirtschaftsexperten keinen Beleg für einen Stimmenkauf für den Zuschlag für die WM 2006 nachweisen können. Bestechung sei aber auch nicht grundsätzlich auszuschließen, hieß es in dem am Freitag vorgestellten Freshfields-Bericht.

Der komplette Bericht ist hier einsehbar

Neue Fragen werfen die Untersuchungen zur Rolle des damaligen Bewerbungs- und Organisationschefs Franz Beckenbauer auf. So sollen Anfang des Jahrtausends, also nach dem WM-Zuschlag für Deutschland Millionenzahlungen über ein Konto Beckenbauers an das Schweizer Advokatbüro Gabriel & Müller geflossen sein. Bei den Juristen im Kanton Oberwalden gingen auch die 10 Millionen Schweizer Franken ein, die der Franzose Robert Louis-Dreyfus dem DFB geliehen hatte.

Von Gabriel & Müller soll der gleiche Betrag an das Konto einer Gesellschaft in Katar geflossen sein, deren einziger Gesellschafter der mittlerweile lebenslang gesperrte Ex-Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam war. Dieser bestreitet laut Freshfields aber, das Geld bekommen zu haben.

Bin Hammam steht unter Verdacht, die finanziellen Zuwendungen an asiatische WM-Wahlmänner des Fußball-Weltverbandes Fifa weitergereicht zu haben. Andere ebenso nicht bewiesene Vermutungen besagen, dass das Geld für den Präsidentschaftswahlkampf von Fifa-Boss Joseph Blatter im betreffenden Jahr 2002 verwendet worden sein könnte. Dies wird von den Beschuldigten bestritten.

Millionen-Rückzahlung bewusst verschleiert

Die Rückzahlung des dubiosen Darlehens über zehn Millionen Franken (6,7 Millionen Euro) durch den Deutschen Fußball-Bund an den französischen Geschäftsmann Robert Louis-Dreyfus ist durch die deutschen WM-Organisatoren bewusst verschleiert wurden. Zu dieser Erkenntnis kommen die vom DFB beauftragten Prüfer der Kanzlei Freshfields.

Wie deren Experte Christian Duve am Freitag bei einer Pressekonferenz sagte, hätten die damaligen WM-OK-Mitglieder Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger ihren Plan im April 2005 umgesetzt, die Rückzahlung über eine fingierte Überweisung an ein Fifa-Konto vorzunehmen. Der Betrag wurde als Zuschuss für die geplante WM-Gala an den Weltverband deklariert.

Von dem Fifa-Konto, das namentlich auf den heutigen Interimsgeneralsekretär des Weltverbandes Markus Kattner lief, floss die Summe dann an ein Konto von Louis-Dreyfus weiter. Als die WM-Gala im Januar 2006 abgesagt wurde, habe es vom DFB keine Rückzahlungsforderung gegeben. Louis-Dreyfus hatte dem DFB drei Jahre zuvor den Betrag von 10 Millionen Franken geliehen. Laut Freshfields floss das Geld anschließend über ein Schweizer Konto nach Katar.

Niersbach partiell entlastet - keine schnelle Entscheidung zu Fifa-Mandat

Partiell entlastet wird Ex-DFB Präsident Wolfgang Niersbach, dem laut Freshfields keine Kenntnis der Vorgänge vor 2015 nachzuweisen sind. Insgesamt befragte die Kanzlei 31 Beteiligte. „Wir konnten nicht alle Personen sprechen, die wir sprechen wollten“, sagte Christian Duve von Freshfields. So habe sich etwa der frühere Fifa-Chef Joseph Blatter nicht geäußert. Auch seien nicht alle Akten verfügbar gewesen.

DFB-Interimschef Reinhard Rauball hat eine schnelle Entscheidung über die Zukunft von Wolfgang Niersbach als Repräsentant in den Gremien von Uefa und Fifa abgelehnt. „Es wird insgesamt mit den Kollegen diskutiert werden. Es werden alle Aspekte diskutiert werden. Wir reden über einen Zeitraum von eineinhalb Jahrzehnten. Dann muss eine Entscheidung gründlich überlegt sein dürfen“, sagte Rauball.

Niersbach sitzt auch nach seinem Rücktritt als DFB-Chef im Zuge des Skandals um die WM-Vergabe 2006 an Deutschland weiterhin in den internationalen Fußball-Gremien. Formal kann ihm der DFB das Amt nicht entziehen. Ohne den Rückhalt der nationalen Funktionäre wäre Niersbach aber moralisch schwer angeschlagen und zu einem Rückzug praktisch gezwungen.

DFB greift Zwanziger an

Laut Ermittlungsbericht der vom DFB beauftragten Kanzlei Freshfields zahlte der Verband am 27. April 2005 6,7 Millionen Euro mit dem falschen Verwendungszweck „Kostenbeteiligung OK an FIFA Football Gala“ an den Weltverband. Die Überweisung wurde von Schmidt und Zwanziger freigezeichnet. Es habe weder im Organisationskomitee noch im DFB eine formale Beschlussgrundlage gegeben, sagte Koch. „Es ist ein völliges Versagen der internen DFB-Kontrollgremien. Das darf sich auf keinen Umständen wiederholen.“ Es sei aktuell aber nicht der Zeitpunkt über personelle Konsequenzen zu reden, erklärte Koch.

Grindel für Ethikkommission

Der designierte DFB-Präsident Reinhard Grindel hat als Konsequenz aus dem Sommermärchen-Skandal eine umfassende Reform der Kontrollmechanismen beim Deutschen Fußball-Bund gefordert. Wie der derzeitige Schatzmeister am Freitag in Frankfurt betonte, werde er sich für die Einführung einer unabhängigen Ethikkommission beim Deutschen Fußball-Bund einsetzen. Zudem müsse der DFB eine Abteilung für gute Unternehmensführung (Compliance) einrichten. Im Falle einer deutschen Bewerbung für die EM 2024 müsse das Organisationskomitee von diesen Gremien kontrolliert werden.

DFB-Interimschef Reinhard Rauball bezeichnete es als Pflicht des DFB, Vertrauen und Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. „Keine Institution in Deutschland hat eine solche Strahlkraft, wenn sie denn funktioniert“, sagte Rauball. Nach seinen Erkenntnissen werde sich auch die Fifa-Ethikkommission mit den Ergebnissen des Freshfields-Berichts zur WM-Vergabe 2006 an Deutschland befassen.

Ermittlungen kosten mehr als eine Million Euro

Die Untersuchung des Skandals um die WM-Vergabe 2006 kostet den Deutschen Fußball-Bund (DFB) mehr als eine Million Euro. „Die genauen Kosten lassen sich noch nicht beziffern, aber wir rechnen mit einem kleineren siebenstelligen Betrag“, sagte der designierte DFB-Präsident Reinhard Grindel. „Das ist natürlich viel Geld, aber die Untersuchung hat auch deshalb ihren Wert, weil es nicht nur um das Ansehen des DFB geht, sondern auch um das Ansehen unserer Mitglieder“, erklärte Grindel. Zudem gehe es auch „um das Verhältnis zu unseren Sponsoren“.

Fifa sieht sich weiter als "geschädigt an"

Der Fußball-Weltverband Fifa sieht sich auch nach den Ermittlungsergebnissen zur WM-Affäre beim DFB weiter als „geschädigte Partei“. Die Erkenntnisse der internen Aufarbeitung des Sommermärchen-Skandals beim Deutschen Fußball-Bund sollen in die laufenden Untersuchungen der Korruptionsaffären bei der Fifa einfließen, wie der Dachverband am Freitag mitteilte.

Die Fifa begrüßte den Report der Kanzlei Freshfields. Der DFB hätte dafür Informationen vom Weltverband erhalten und im Gegenzug hilfreiche Erkenntnisse an die Fifa weitergeleitet. „Dennoch sind noch viele Fragen offen“, stellte die Fifa fest.

Die Ermittlungen der Fifa seien behindert worden, weil wichtige Zeugen nicht bereit waren, Fragen zu beantworten oder Dokumente vorzulegen. Die Fifa versicherte, weiter mit den Behörden in der Schweiz und in Deutschland zusammenarbeiten zu wollen.