Hamburg. Die Hockeyherren des Harvestehuder THC gewinnen in der eigenen Halle zum vierten Mal den Hallen-Europapokal der Landesmeister.

Mareike Fleuren hatte gerade die Hand vom Pokal genommen, den sie in ihrer Eigenschaft als Präsidentin des europäischen Hockeyverbands an Tobias Lietz überreichen durfte, als der Kapitän des Harvestehuder THC bereits in der schwarz-gelben Jubeltraube verschwand. „Europapokal, Europapokal“, so schallte es lautstark durch die HTHC-Halle an der Barmbeker Straße, nachdem der Gastgeber das Finale des Hallen-Europacups der Landesmeister gegen Österreichs Champion Arminen Wien 2:1 (0:1) gewonnen hatte. Man kennt diese Gesänge in Hamburg. Die Fußballfans des HSV stimmen sie gern selbstironisch an, wenn nach einem unerwarteten Sieg ein wenig Entspannung im Abstiegskampf einkehrt. Aber die sportliche Berechtigung, vom Europapokal zu singen, die haben nach dem Aus der HSV-Handballer die Teams aus der Hockey-Hauptstadt Hamburg exklusiv.

Am Sonntagnachmittag waren es die HTHC-Herren, die einer verkorksten nationalen Hallensaison einen goldenen Schlussakkord anfügten. In der Bundesliga hatte die Auswahl von Cheftrainer Christoph Bechmann in der Nordgruppe als Dritter hinter dem Uhlenhorster HC und dem Club an der Alster das Viertelfinale verpasst, doch international war sie letztlich stark genug, um die Erfolgsgeschichte deutscher Clubs im Hallenhockey fortzuschreiben. Zum 27. Mal wurde der Wettbewerb ausgetragen, zum 23. Mal siegte ein Bundesligavertreter. Mehr Dominanz geht kaum.

Natürlich bemühten sich die Sieger, ihren vierten Triumph nach 1997, 1998 und 2014 nicht unnötig kleinzureden. „Das war das von mir prophezeite, harte Stück Arbeit“, resümierte Bechmann, und er hatte damit grundsätzlich recht. Das lag allerdings vorrangig daran, dass die aktuelle Mannschaft des HTHC mit der, die 2015 den deutschen Meistertitel holte, nur noch wenig gemein hat. Aus der Startsechs von 2015 sind mit Tobias Walter, der zum besten Torhüter des Turniers gewählt wurde, und Toptorjäger Michael Körper (elf Treffer in fünf Spielen) nur zwei Akteure verblieben. Die in die Niederlande abgewanderten Benjamin Stanzl und Johan Björkman sowie der momentan in Indiens Profiliga HIL engagierte Nationalspieler Tobias Hauke haben ein tiefes Loch ins HTHC-Qualitätsnetz gerissen, und so war der Niveauabfall beim Durchwechseln vor allem bei den drei recht knappen Vorrundensiegen nicht zu übersehen.

Für Toptorjäger Körper ging es um „alles oder nichts“

Umso wichtiger war es für das junge Team, dass es in den Finalspielen dann doch voll auf der Höhe war. „Ich habe den Jungs nach der Gruppenphase gepredigt, dass jetzt unsere Zeit kommt. Für diese Spiele um alles oder nichts leben wir, und ich bin sehr stolz, dass wir das so gut umgesetzt haben“, sagte Körper, der wieder einmal als Muster an Einsatzwillen vorangegangen war. Beim 4:0-Halbfinalsieg am Sonnabendabend gegen den englischen Meister East Grinstead hatte er zwei Tore geschossen, im Endspiel behielt er bei einem Siebenmeter sechs Minuten vor Spielende die Nerven und traf zum Sieg – und das, obwohl er sich nach den Strapazen von fünf Spielen innerhalb von drei Tagen etwas müde fühlte.

Vor dem Siebenmeter war Jan-Philipp Heuer gefoult worden; der Mann, der in der ersten Halbzeit seinen Trainer mit dem Auslassen größter Chancen noch zur Verzweiflung gebracht, dann aber direkt nach der Halbzeit den Ausgleich erzielt hatte. „Ich bin ja dafür bekannt, dass ich gern ein paar Chancen versiebe. Umso erleichterter war ich, als dann doch einer reinging“, sagte der Angreifer. „Für uns ist das ein richtig geiler Titel, weil wir ihn trotz unserer vielen Abgänge verdient haben.“

Mit einem Großteil des Arminen-Teams hatte Körper Mitte Januar bei der Hallen-EM noch gemeinsam für Österreich um eine Medaille gekämpft und diese nach einer 2:3-Finalpleite gegen Deutschland auch in Silber gewonnen. In Hamburg waren die Wiener vor 600 Fans in der überfüllten Halle der beste Beweis für die These, dass die internationalen Gegner den Rückstand auf die deutschen Teams verringert haben. Mit ihrer Athletik setzten sie dem HTHC über zweimal 20 Minuten arg zu, und weil mittlerweile fast alle Landesmeister das defensive Taktieren beherrschen, ist für die Favoriten jede Partie ein Geduldsspiel.

Wer aus der Bundesliga die rasanten Derbys zwischen HTHC, UHC und Alster kennt, der wird an dem im Europacup gebotenen Niveau keine Freude gehabt haben. Und zur Ehrlichkeit gehört auch, dass die vier Endrundenteilnehmer der deutschen Meisterschaften 2016 die anderen Landesmeister wohl um einiges deutlicher auseinandergenommen hätten. Aber gerade deshalb waren sie im HTHC am Sonntag umso stolzer. „Dieser Titel bedeutet uns viel, weil er in einem Jahr des Umbruchs gewonnen wurde“, sagte Clubpräsident Cito Aufenacker, der sich zudem über eine gelungene Ausrichtung freute. „Wir haben uns in Europa ein sehr gutes Image erarbeitet“, sagte er.

Ihr Image als „Feierbiester“ wollten Bechmanns Mannen am Sonntagabend weiter pflegen. „Jetzt reißen wir das Clubhaus ab, und ab Dienstag geht dann die Konzentration in Richtung Feld“, sagte Matchwinner Körper. Dort startet am 19. März die Bundesliga-Rückrunde, der HTHC liegt auf Rang vier und damit auf Endrundenkurs. Der Titelhunger, das versicherten am Sonntag alle, ist längst noch nicht gestillt.