Hamburg. Die Spielerin des Uhlenhorster HC steht erstaunlicherweise im deutschen Aufgebot für die Endrunde in Weißrussland. Was sie dazu sagt.

Das leuchtend rote Kinesiotape, das ihre beiden Oberschenkel fast komplett verklebt, lässt Schlimmes befürchten, doch Roda Müller-Wieland sagt: „Ich bin fit!“ Und das ist tatsächlich keine Selbstverständlichkeit, denn seit Sommer 2015 hat die Defensivspielerin vom Uhlenhorster HC einen monatelangen Leidensweg hinter sich gebracht. Eine verschleppte Schambeinentzündung zwang sie zu einer kompletten Bewegungspause, erst im November konnte die 25-Jährige in der Vorbereitung auf die Hallensaison in der Hockey-Bundesliga wieder ernsthaft trainieren.

Umso erstaunlicher also, dass sie an diesem Freitag, wenn mit den Partien gegen Gastgeber Weißrussland (13.30 Uhr) und Österreich (18.20 Uhr) die Hallen-EM in Minsk startet, zum Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft zählt. Weil der gesamte A-Kader einen Feldlehrgang in Singapur bestreitet, hat Hallen-Bundestrainer Aditya Pasarakonda sein Aufgebot mit Indoor-Spezialistinnen bestückt, zu denen aus Hamburg auch Müller-Wielands Clubkollegin Julia Dudorov sowie Victoria Huse und Silja Lorenzen (beide Club an der Alster) zählen. Und so kommt die geborene Hamburgerin zu ihrem ersten Turniereinsatz.

Mit 25 schon drittälteste Spielerin

„Wenn man einige Jahre immer an einer Nominierung kratzt, ist es natürlich super, es endlich zu schaffen. Es zeugt von großem Vertrauen, dass ich trotz meiner langen Verletzungspause nominiert wurde“, sagt Roda Müller-Wieland, die keinerlei Bedenken hat, jenes Vertrauen nicht rechtfertigen zu können. In der jungen Mannschaft, die nur einen Lehrgang Anfang Januar hatte, um sich einzuspielen, ist sie mit 25 die drittälteste Spielerin – und wurde gemeinsam mit der Mülheimerin Katharina Windfeder als Kapitänin ausgeguckt. „Ich werde meine Erfahrung einbringen und versuchen, die jungen Spielerinnen zu führen“, sagt sie. „Ich bin sehr gespannt auf die Aufgabe, auch weil ich unsere Gegner noch überhaupt nicht kenne.“

Nach Weißrussland und Österreich wartet am Sonnabend (11.20 Uhr) noch die Ukraine. Gerade die Osteuropäerinnen gelten aufgrund ihrer physischen und technischen Stärke als unangenehme Konkurrenz. In Gruppe A messen sich die Niederlande als Topfavorit mit Belgien, Tschechien und Polen. „Ich weiß nicht, welche Gruppe stärker ist. Aber ich weiß, dass wir als Vizeeuropameister das Ziel haben, dieses Mal den Titel zu holen“, sagt Roda Müller-Wieland.

Müller-Wieland hat Krankheit im Griff

Dass es ihr nicht vergönnt war, mit ihrer Schwester Janne, 29, die zweimal an Olympischen Spielen teilnahm und auch für Rio 2016 gute Chancen hat, im Nationalteam zusammenzuspielen, liegt weniger an mangelndem Talent als an der gesundheitlichen Belastung, die Roda tragen muss. Als sie 13 Jahre alt war, wurde die Glutenunverträglichkeits-Erkrankung Zöliakie diagnostiziert, eine chronische Entzündung der Dünndarmschleimhaut, die die gesamte körperliche Konstitution beeinträchtigte. „Bis ich 20 war, war mein Körper komplett Murks. Das hat mich im Sport weit zurückgeworfen“, sagt sie.

Erst seit wenigen Jahren hat sie das Problem dank Ernährungsumstellung im Griff, dennoch gibt es immer wieder Rückschläge; vor allem, wenn sie auf fremde Küche angewiesen ist wie jetzt in Minsk. „Ich habe Nudeln und Pesto mitgenommen, damit kann ich nichts falsch machen“, sagt sie.

Sich mit ihrer Schwester, mit der sie eine Wohnung im Karolinenviertel teilt, sportlich zu messen, hat Roda Müller-Wieland längst aufgegeben. „Früher war das mal ein Thema, aber ich freue mich einfach für Janne, dass sie so erfolgreich ist“, sagt sie. Sie selbst nutzt ihr Leben auf andere Art. 2012 war sie für ein soziales Projekt in Indonesien, tourte danach mehrere Monate mit dem Rucksack durch Südostasien und Australien. Zwei Tage nach EM-Ende geht es dann für ein Auslandssemester nach Stellenbosch in Südafrika, obwohl sie ihr Psychologiestudium scheinfrei abgeschlossen hat. Mit einer EM-Goldmedaille im Gepäck ließe sich das sicherlich noch mehr genießen.