Hamburg. Hamburg verschmilzt seinen Kader mit dem von Schleswig-Holstein und krempelt die Ausbildung des Nachwuchses um.

Beim Hamburger Golfverband (HGV) lodert die olympische Flamme noch. Oder besser: Sie hat gerade erst angefangen zu lodern. Eigentlich handelt es sich um die angelegten Schwingen eines Adlers, aber die Doppeldeutigkeit des Logos der Hanseatic Golf Union ist durchaus gewollt. Schließlich soll aus dem neuen Nachwuchsteam einmal mindestens ein Spieler oder eine Spielerin hervorgehen, der oder die 2024 wo auch immer bei Olympia abschlagen könnte.

Hanseatic Golf Union: Unter diesem Namen tritt der neue, gemeinsame Nachwuchsleistungskader des Hamburger und des Golfverbands Schleswig-Holstein künftig auf. Mehr als 230 Kinder aus beiden Bundesländern im Alter von zehn bis 15 Jahren wurden im November dafür gesichtet. Großes Golfkönnen, gar ein Handicap mussten nicht nachgewiesen werden. Stattdessen galt es zunächst, einen Sprint, Würfe, Unterarmliegstütze und Gleichgewichtsübungen zu absolvieren.

„Wir wollen nicht mehr unbedingt die Spieler mit dem besten Handicap fördern, sondern künftig Bewegungstalente entdecken, die möglicherweise sonst nie den Weg zu uns gefunden hätten“, sagt HGV-Geschäftsführer Dominikus Schmidt. Sein Credo: Das Golfspiel kann man später noch lernen, die athletischen Grundfertigkeiten nicht.

Der Blick über den Tellerrand des Golfs liegt nahe. In den 20 Hamburger Clubs sind etwa 2000 Kinder und Jugendliche aktiv. Doch in den vergangenen Jahren schaffte es einzig der Hittfelder Benedict Staben, 25, an die Schwelle zum Profisport. Schmidt, der zum Thema „Jugendförderung im deutschen Golfsport“ promoviert hat, glaubt zwei Ursachen erkannt zu haben. Die erste: Anstatt sie ihren Stil finden zu lassen, würden Nachwuchsspieler in Deutschland zu sehr in Schablonen aus dem Lehrbuch gepresst. „Wir müssen wegkommen davon, ihnen so etwas wie den perfekten Schwung beibringen zu wollen“, sagt Schmidt. Die zweite: Vielen angehenden Profis fehlt schlicht das nötige Geld, um sich über kleinere Turniere nach oben zu spielen.

An beiden Problemen will die Hanseatic Golf Union ansetzen. Je 20 Jungen und Mädchen aus beiden Nordverbänden werden unter dem Teamnamen Hanseatic Eagles zusammengefasst. Acht von ihnen können mit 16 Jahren den Sprung in den Bundeskader schaffen. Schmidt ist überzeugt, dass es nicht unbedingt die besten Golfer sind: „Bei den Jugendlichen gewinnen meist die, die biologisch am weitesten sind, weil sie die längsten Abschläge haben.“

Talente, die durch das Sieb fallen, sollen deshalb im Team der Hanseatic Pro Eagles weitergefördert werden. Um Geld hierfür einzuwerben, wurde eine Vermarktungsgesellschaft (Hanseatic Golf Support) gegründet. Wer ein Jahr auf der drittklassigen Pro Golf Tour mit ihren 22 Turnieren spielen will, muss allein 50.000 Euro aufbringen. Im Gegenzug treten die Spieler Vermarktungsrechte und Teile ihres Preisgelds an das Team ab. Ein langer Atem ist in jedem Fall gefragt: In der ersten Liga kommen Spieler oft mit Ende 20 an.

80 Jugendliche
wurden in der
Leichtathletikhalle
für den gemeinsamen
Landeskader
des Hamburger und
des Golfverbands
Schleswig-Holstein
gesichtet
80 Jugendliche wurden in der Leichtathletikhalle für den gemeinsamen Landeskader des Hamburger und des Golfverbands Schleswig-Holstein gesichtet © Hamburger Golfverband

Ein Durchmarsch an die Weltspitze, wie ihn Martin Kaymer hingelegt hat, bleibt die große Ausnahme. Die Erfolge des Düsseldorfers täuschten in den vergangenen Jahren darüber hinweg, dass der hiesige Golfsport international hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. In Europa verfügt nur England über mehr Plätze, Spieler und Trainer. Doch gemessen an den Voraussetzungen bringt Deutschland die wenigsten Tourspieler hervor.

„Meistens fehlt es an der nötigen Spielfähigkeit“, sagt Martin Hasenbein, Ausbildungskoordinator des deutschen Golflehrerverbandes PGA of Germany und früherer Chefcoach der Nationalmannschaft. In Spanien etwa seien die Ausbildungsstrukturen weit weniger ausgeprägt. Oftmals hätten Jugendliche gar keinen Trainer an ihrer Seite, der ihnen sage, was zu tun und zu lassen ist, sondern arbeiteten selbstständig an ihrem Spiel. Trotzdem finden mehr Spieler den Einstieg in den Profizirkus als in Deutschland.

Oder gerade deswegen? Bubba Watson hat nach eigenen Angaben nie auch nur eine Golfstunde bekommen – aber zweimal das Masters gewonnen.

Und doch sei der Trainer im Golf nicht überflüssig, versichert Hasenbein, im Gegenteil: „Seine Aufgaben sollten nur andere sein, als auf dem Platz fortwährend an der Technik zu arbeiten.“ Er selbst trainiert den deutschen Profi Florian Fritsch, treffe ihn aber allenfalls zwei- bis dreimal pro Saison persönlich.

Dafür wird Hasenbein in den kommenden fünf Jahren häufiger in den Norden kommen, um die hiesigen Trainer fortzubilden und von seinen Konzepten zu überzeugen. Esther Poburski und Jens Weishaupt, die neuen Hamburger Landestrainer, werden selbst gar nicht mehr an der Technik mit den Mädchen und Jungen im Kader arbeiten. Vielmehr werden sie individuell sogenannte Kompetenzprofile von ihnen erstellen, aus denen hervorgeht, an welchen Spielfertigkeiten, aber auch Persönlichkeitsmerkmalen jeweils zu arbeiten ist.

Die Clubtrainer wiederum sollen den Spielern künftig nur noch Aufgaben stellen, die weitgehend selbstständig zu lösen sind. Die Geräte zur Schwunganalyse hat der Verband bereits abgeschafft. „Es gibt keine reine Lehre mehr“, sagt Schmidt, „es geht nur um den Erfolg.“