Hamburgs beste Springreiterin über ihr neues Paradepferd und ihre Lehren aus den Olympischen Spielen von London.

Feuer und Flamme für Janne und Goja“, so steht es schwarz auf grün auf einem Schild, das im Reitstall Friedrichshulde an einer Wand in der Stallgasse klebt. Dort, in Schenefeld vor den Toren Hamburgs, stehen die Pferde, die Hamburgs beste Springreiterin Janne Friederike Meyer auf höhere Aufgaben vorbereitet. Der neunjährige Fuchswallach Goja ist der größte Trumpf der 34-Jährigen, mit ihm hofft sie im August 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro um Medaillen kämpfen zu können.

Hamburger Abendblatt: Frau Meyer, vor zwei Wochen haben Sie erstmals die Riders Tour gewonnen, die wichtigste nationale Springserie. War das der Moment, in dem Sie wussten, dass Goja reif ist für Olympische Spiele?

Janne Friederike Meyer: Es war vielleicht die letzte Bestätigung, die noch gefehlt hatte. Aber eher war es ein Prozess, der sich über die gesamte Saison gezogen hat. Ich wusste schon länger, dass Goja ein besonderes Pferd ist. Aber am Jahresbeginn konnte ich noch nicht von so konstanten Ergebnissen ausgehen, weil es Zeit braucht, bis ein Nachwuchspferd in die technischen Anforderungen hineinwächst. Die Leichtigkeit, mit der Goja das gemeistert hat, macht mich ebenso stolz wie die Aufbauarbeit, die mein Team und ich geleistet haben.

Sie hatten spätestens nach der Verabschiedung Ihres Toppferds Cellagon Lambrasco im Mai 2014 gesagt, dass nun eine Zeit des Aufbaus folgen müsse, in der Sie Geduld mit Ihren jungen Pferden benötigen würden. Sind Sie überrascht, dass es so schnell einen potenziellen Nachfolger für Ihren „Mops“ gibt?

Meyer : Ich bin auch schon während meiner Zeit mit Mops offen für junge Pferde gewesen, weil mir bewusst war, dass unsere gemeinsame Zeit im Sport endlich ist. Ich habe auch viel Rückendeckung von meinen Pferdebesitzern und Sponsoren bekommen. Es ging immer darum, in Ruhe mit den jungen Pferden zusammenzuwachsen. Dennoch war ich überrascht darüber, dass Goja und ich auf Anhieb auf verschiedenen Turnieren mit den unterschiedlichsten Bedingungen konstant gute Leistungen zeigen konnten.

Wie spüren Sie als Reiterin, wann ein Pferd reif ist für höhere Aufgaben?

Meyer : Zunächst einmal hat man einen ersten Eindruck, ob man grundsätzlich zueinander passt. Alles, was danach kommt, ist eine Frage von Zeit und Vertrauen. Gerade letzteres muss man sich bei Tieren erarbeiten. Bei Goja hatte ich irgendwann das Gefühl, dass er Spaß daran hatte, mit mir durch den Parcours zu gehen. Er hat für mich gekämpft, ich konnte mich auf ihn verlassen. Er ist manchmal ein ziemlich wildes Pferd und auf dem Abreiteplatz hatten wir anfangs einige Probleme, weil er es nicht mag, wenn ihm fremde Pferde zu nahe kommen. Aber mittlerweile haben wir uns arrangiert.

Kann man die Beziehung zwischen Pferd und Reiter mit einer Beziehung zwischen zwei Menschen vergleichen? Hatten Sie nach Lambrasco eine Art Trennungsschmerz, den Sie überwinden mussten?

Meyer : Bei Cellagon Lambrasco war es so, dass ich unheimlich traurig war, nachdem er sich im August 2013 in Irland verletzt hatte. Ich befürchtete, dass er sich nicht würdig von seinem Publikum verabschieden könnte. Er hat die Menschen mit seiner Art so sehr begeistert, ich habe unheimlich viele Zuschriften bekommen, die an ihn gerichtet waren. Erst als er im Mai 2014 beim Derby in Hamburg seine Ovationen bekommen hatte, konnte ich damit abschließen. Zum ersten Teil Ihrer Frage: Es gibt Parallelen, ich würde es aber eher mit einer menschlichen Freundschaft vergleichen, die parallel zu anderen Freundschaften laufen kann. Ich habe auch heute noch eine enge Bindung zu Cellagon Lambrasco oder Callistro, die beide bei meinen Eltern in Nottfeld auf der Weide stehen. Ebenso habe ich versucht, die Bindung zu Goja aufzubauen, als Cellagon Lambrasco noch im Parcours unterwegs war.

Vergleichen Sie Goja mit Lambrasco?

Meyer: Ja, denn sie möchten unterschiedlich geritten werden. Goja hat unheimlich viel Sprungkraft, selbst schwierige Hindernisse fallen ihm leicht. Er ist gefühlt fast doppelt so groß wie Mops, deshalb muss ich ihn ruhiger und kontrollierter reiten. Mops brauchte viel Anlauf und eine hohe Frequenz, er wollte immer in einem hohen Tempo gehen. Goja muss ich eher zurückhalten, damit sein großer Galoppsprung in die Distanzen passt.

Spätestens mit dem Riders-Tour-Sieg sind alle auf das neue Traumpaar aufmerksam geworden. Wie war die Resonanz auf diesen Erfolg?

Meyer : Mich hat besonders gefreut, dass es eine Saisonleistung war, keine Eintagsfliege bei einem Turnier. Der fünfte Platz beim Derby in Hamburg war für mich zwar das emotionale Highlight der Saison, der Gesamtsieg auf der Riders Tour aber war der Beweis dafür, dass wir wieder da sind. Es haben sich viele mit uns gefreut, die die Aufbauarbeit der vergangenen Jahre verfolgt haben. Der Bundestrainer (Otto Becker, d. Red.) hatte uns schon nach dem Derby auf dem Zettel, wir sind wieder im A-Kader und wurden für die EM in Aachen im August als Ersatzpaar nominiert. Das war eine große Ehre.

Ist der Sprung nach Rio also nur Formsache? Wie qualifiziert man sich als Springreiter für Olympia?

Meyer : Natürlich ist das nicht nur Formsache. Wir haben mindestens acht Kandidaten, nur vier können fahren. Im Januar gibt es eine Sitzung mit allen Kaderreitern, auf der beschlossen wird, welche Turniere als Sichtungen wichtig sind. Es gibt bei uns nicht das eine Qualifikationsturnier, sondern mehrere Sichtungen. Daraus leitet sich auch meine Saisonplanung ab.

2012 erlebten Sie in London bei Ihrer ersten Olympiateilnahme eine herbe Enttäuschung, Sie schieden mit der Mannschaft in der ersten Runde aus und verpassten im Einzel das Finale. Was würden Sie vor Rio anders machen?

Meyer : Ich habe gelernt, die Belastung für mein Pferd zu dosieren. Aufgrund der vielen Sichtungen läuft man Gefahr, zu viel Kraft zu verbrauchen, die dann beim wichtigsten Turnier fehlt. Deshalb habe ich zum Beispiel entschieden, nicht im Weltcup zu starten und stattdessen den Fokus auf ausgewählte Turniere zu lenken, damit Goja ausreichend Pausen erhält.

Müssen Sie nicht auch Ihre eigene Belastung dosieren, um mental frisch zu bleiben? Es scheint, als gönnten Sie sich keine Pause. Am Wochenende vor Weihnachten reiten Sie Ihr letztes Turnier 2015, Anfang Januar geht es dann schon weiter. Ist das gut?

Meyer : Theoretisch könnte man das ganze Jahr über Turniere reiten. Ich nutze die Zeit, um meine jungen Pferde behutsam an den Turniersport heranzuführen. Meine Belastung wird nicht dosiert, und ich liebe meine Arbeit ja gerade, weil sie so vielschichtig ist. Ich bin auch nach London in bester Laune gereist. Die Enttäuschung passierte erst, als wir völlig unerwartet mit dem Team in der ersten Runde scheiterten. Aus dieser Enttäuschung bin ich nicht mehr herausgekommen, weil ich mich immer als Teamplayer gesehen und meine Stärken im Teamspringen habe. Auch daraus gilt es zu lernen, nämlich, dass man Enttäuschungen schnell abhaken muss.

Es gibt durchaus Stimmen, die sagen, dass Ihre Trainingsbedingungen nicht ausreichen, um bei Olympia ganz oben zu stehen. Sie teilen sich in Friedrichs­hulde die Trainingsplätze mit vielen Amateuren, auf die Sie Rücksicht nehmen müssen. Ist das noch zeitgemäß?

Meyer : Ich bin seit fast zehn Jahren hier und fühle mich sehr wohl. Wir haben eine gute Stallgemeinschaft. Es ist ein Geben und Nehmen, die Anteilnahme der anderen Reiter ist sehr schön, ich weiß auch, dass ich für den einen oder anderen eine Vorbildfunktion einnehme. Dennoch ist es richtig, dass eine öffentliche Anlage auch bedeutet, dass ich nicht so flexibel trainieren kann wie andere Olympiareiter, die eine eigene Anlage haben. Mein Team und ich suchen deshalb nach einer geeigneten Möglichkeit im Hamburger Randgebiet. Bis dahin bin ich in Friedrichs­hulde sehr zufrieden.

Natürlich müssen wir auch noch über mögliche Olympische Heimspiele 2024 sprechen. Es wird rund um Hamburgs Bewerbung viel über Zahlen und Gefahren diskutiert. Kommt Ihnen bisweilen der Sport etwas zu kurz?

Meyer : Als Sportlerin schon, aber ich verstehe die Sorgen der Menschen. Gerade die Terroranschläge in Paris haben vielen Angst gemacht. Dennoch glaube ich, dass so etwas nicht zwangsläufig bei Großereignissen passiert, sondern oft dann, wenn keiner damit rechnet. Niemand sollte sich aus einer diffusen Angst vor Problemen die Lust an Olympia nehmen lassen.

Auch die Flüchtlingswelle hat viele Menschen zweifeln lassen, ob sich Hamburg trotzdem Olympia leisten kann.

Meyer : Die Flüchtlingsfrage zu beantworten ist wichtiger als Olympia, aber man muss beides getrennt betrachten. Das größte Problem, das ich sehe, ist, dass die allermeisten Menschen, die beim Referendum abstimmen, nie die Chance hatten, Olympische Spiele vor Ort zu erleben. Jeder, dem das vergönnt war, der trägt eine riesige Begeisterung in sich. Aber ich verstehe, dass es schwer ist, Begeisterung für etwas zu entfachen, das noch neun Jahre entfernt ist, wenn aktuell die Welt an großen Problemen leidet.

Sie sind aber trotzdem für die Bewerbung, nehmen wir an.

Meyer : Natürlich! Es ist mein Traum, mit einem Pferd aus eigener Zucht 2024 in Hamburg an den Start zu gehen. Das wäre wirklich das Größte.