Frankfurt/Paris. Nach den Anschlägen in Paris will der DFB beim Länderspiel ein Zeichen gegen den Terror setzen. Bundeskabinett um Merkel will kommen.

Das Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen die Niederlande am Dienstag um 20.45 Uhr in Hannover wird stattfinden. Das gab der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Sonntagnachmittag bekannt. Zuvor hatte die DFB-Führungsspitze mit der Sportlichen Leitung um Bundestrainer Joachim Löw am Sonntag beraten. „Die Botschaft ist klar: Wir lassen uns nicht vom Terror einschüchtern“, sagte DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball.

Nach den Terroranschlägen von Paris, die die Weltmeister-Auswahl um Kapitän Bastian Schweinsteiger zu einer Nacht in den Katakomben des Stade de France gezwungen hatten, war über eine mögliche Absage des letzten Länderspiels im Jahr 2015 zumindest diskutiert worden. „Wir wollen als Mannschaft ein Zeichen der Gemeinschaft setzen. Mit dem französischen Volk, mit den Angehörigen der Opfer“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff.

Bundeskabinett um Merkel will kommen

Der Niederländische Fußball-Verband hat die Entscheidung des DFB begrüßt. „Wir finden die Entscheidung gut und freuen uns auf das Spiel, auch wenn Freude angesichts der schrecklichen Ereignisse von Paris im Moment sicher der falsche Ausdruck ist“, sagte ein KNVB-Sprecher.

Offenbar will die gesamte Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel das Länderspiel in Hannover besuchen. „Gerade jetzt dürfen und werden wir nicht weichen!“, zitierte die Bild-Zeitung den SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Terror: Reaktionen von Nationalspielern

Bastian Schweinsteiger

„Ich bin immer noch fassungslos darüber, was am Freitag passiert ist. Ich möchte allen, die von dieser Tragödie betroffen sind, mein tiefstes Mitgefühl aussprechen. Zusätzlich möchte ich aller Opfer in Beirut gedenken, die bei den Anschlägen am Tag zuvor ums Leben gekommen sind. Egal, aus welchem Teil der Erde man kommt oder welcher Religion man angehört - wir sind vereint.“

Mats Hummels

„Zurück in Deutschland. Unglaublich, was gestern passiert ist. Diese Welt ist jetzt wirklich beschissen. Meine Gedanken sind bei denjenigen, die einen geliebten Menschen verloren haben.“

Ilkay Gündogan

„Wir sind sicher angekommen. Nach einer schockierenden Nacht sind unsere Gedanken bei all den Leuten, die von den Attacken betroffen sind.“

André Schürrle

„Was für eine schreckliche Nacht. Meine Gedanken sind bei den Familien, die ihre Liebsten verloren haben.“

Mario Götze

„Unglaublich - was für eine Tragödie. Meine Gebete gelten den Opfern und ihren Familien.“

Toni Kroos

„Was ist das für eine kranke Welt?“

Antonio Rüdiger

„Wir sind gesund zurück, aber was bleibt, ist ein Schock und die Trauer über all die Opfer und ihre Familien.“

Bernd Leno

„Wir sind daheim gesund angekommen und können nun zu unseren Familien. Meine Gedanken sind aber bei den Opfern und deren Familien.“

Jerome Boateng

„Meine Gebete gehen an die Opfer und ihre Familien. Mein tiefstes Mitgefühl an jeden, der von den Attacken gestern in Paris betroffen war.“

Matthias Ginter

„Froh und dankbar, dass wir gesund in Deutschland angekommen sind. In Gedanken bei den Angehörigen.“

Lassana Diarra (seine Cousine starb bei den Anschlägen)

„In diesem Klima des Terrors ist es für uns alle wichtig, die wir dieses Land mit seiner Vielfältigkeit repräsentieren, das Wort zu ergreifen und vereint zu bleiben gegen einen Horror, der weder Farbe noch Religion hat. Lasst uns alle zusammen die Liebe verteidigen, den Respekt und den Frieden.“

Paul Pogba

„Das ist kein Angriff auf Paris, das ist eine weitere Attacke auf die Menschheit. Menschen aus einigen Religionen und Ländern hassen die Freiheit und die Werte des Westens. Sie wollen herkommen, um andere Menschen zu töten. Diese Terroristen werden wir besiegen. Die Kraft der Franzosen und der ganzen Welt muss steigen. Steht auf und sagt nein zu diesen Terroristen und Religionen. Baut keinen Hass auf, seid gute Menschen und verändert die Welt positiv.“

Antoine Griezmann

„In Gedenken an die Opfer der Attacken. Ich danke Gott, dass es meine Schwester rechtzeitig aus dem Bataclan geschafft hat. Meine Gebete gelten den Opfern und ihren Familien.“

Laurent Koscielny

„Keine Worte. So traurig. Beten.“

Raphael Varane

„Ein beängstigender Abend. Ich gedenke all den Opfern und ihren Familien.“

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Schweinsteiger fehlt gegen Holland

Löw wird das letzte Länderspiel des Jahres ohne Kapitän Bastian Schweinsteiger und fünf weitere Akteure bestreiten, wie am Sonntag bekannt wurde. Wie Schweinsteiger gibt der Bundestrainer auch Lukas Podolski und Vizekapitän Manuel Neuer eine Pause. Lediglich für Stammtorwart Neuer war diese Vereinbarung schon vor den Terroranschlägen in Paris namentlich kommuniziert worden.

Gegen die Niederlande fehlen aus dem Kader, der bei der 02-Niederlage in Paris dabei war, auch Bayern-Verteidiger Jérôme Boateng wegen einer schmerzhaften Sehnenreizung in der rechten Kniekehle und der Kölner Jonas Hector wegen eines Pferdekusses im Oberschenkel. Beide waren gegen Frankreich vorzeitig ausgewechselt worden. Neuling Leroy Sané reist wie vorab besprochen zum EM-Qualifikationsspiel der U 21 gegen Österreich am Dienstag in Fürth.

Deutschland in Frankreich

Mario Gomez spielte erstmals wieder von Beginn an und vergab in der ersten Halbzeit die beste Chance für Deutschland
Mario Gomez spielte erstmals wieder von Beginn an und vergab in der ersten Halbzeit die beste Chance für Deutschland © REUTERS | GONZALO FUENTES
Raphael Varane im Zweikampf mit Jonas Hector
Raphael Varane im Zweikampf mit Jonas Hector © Bongarts/Getty Images | Matthias Hangst
Hector musste kurze Zeit später ausgewechselt werden
Hector musste kurze Zeit später ausgewechselt werden © Bongarts/Getty Images | Matthias Hangst
Julian Draxler zeigte zwei Mal seinen Wert. Beide Male legte er gefährliche Bälle für seine Sturmkollegen vor
Julian Draxler zeigte zwei Mal seinen Wert. Beide Male legte er gefährliche Bälle für seine Sturmkollegen vor © dpa | Ian Langsdon
Patrice Evra wird von Antonio Rüdiger gestoppt
Patrice Evra wird von Antonio Rüdiger gestoppt © dpa | Etienne Laurent
Thomas Müller vergab die zweite deutsche Chance
Thomas Müller vergab die zweite deutsche Chance © dpa | Ian Langsdon
Lassana Diarra im Zweikampf mit Thomas Müller
Lassana Diarra im Zweikampf mit Thomas Müller © Bongarts/Getty Images | Matthias Hangst
Olivier Giroud ist schneller als Mats Hummels
Olivier Giroud ist schneller als Mats Hummels © Bongarts/Getty Images | Matthias Hangst
Antonio Rüdiger stolperte vor dem 0:1
Antonio Rüdiger stolperte vor dem 0:1 © dpa | Etienne Laurent
Anthony Martial setzt sich gegen Ginter und Müller durch
Anthony Martial setzt sich gegen Ginter und Müller durch © dpa | Ian Langsdon
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Löw hat somit noch 18 Spieler für das emotionale Spiel gegen die Oranje-Auswahl in seinem Aufgebot. Ob die Führungsspieler um Schweinsteiger angesichts der Symbolkraft der Partie nach den Anschlägen von Paris als Zeichen der Solidarität in Hannover trotzdem anwesend sein werden, konnte der DFB am Sonntag nicht sagen.

Chronologie des DFB-Trips nach Paris

10.00 Uhr

Alle Spieler und Betreuer müssen am Freitag das noble Teamhotel Molitor im Südwesten der Stadt verlassen. Eine Bombendrohung ist eingegangen. Teammanager Oliver Bierhoff eilt von einem Sponsorentermin zurück zur Mannschaft.

12.00 Uhr

Bastian Schweinsteiger und Co. müssen sich die Zeit auf der Tennisanlage von Roland Garros vertreiben. Tennisspielen dürfen sie nicht. Währenddessen kommen im Teamhotel Spürhunde zum Einsatz. Sie finden - zum Glück - nichts.

13.30 Uhr

Die Polizei gibt Entwarnung. Als erster darf Holger Stromberg zurück. Der Koch soll das verspätete Mittagessen vorbereiten. Kurz darauf folgt die Mannschaft. Nach einer Ansprache von Joachim Löw wird das Team zu Tisch gebeten.

14.00 Uhr

Bierhoff spricht vor dem Hotel zur Presse. Der Teammanager berichtet von einem „großen Schreck“. Die Vorbereitung auf das Länderspiel sei gestört. Ein Alibi dürfe die Bombendrohung aber nicht liefern. „Wir sind erleichtert, dass die Sache geklärt ist“, sagte Bierhoff - nicht ahnend, was am Abend folgen sollte.

14.30 Uhr

Im Teamhotel tagt die DFB-Interimsspitze. Mehrere Stunden beraten die neuen Chefs Rainer Koch und Reinhard Rauball sowie Schatzmeister Reinhard Grindel und Generalsekretär Helmut Sandrock über die künftige Aufgabenverteilung im Verband.

19.00 Uhr

Abfahrt zum Stadion. Im schwarzen Weltmeisterbus machen sich Löw und seine Spieler auf den Weg zum Stade de France. Die Vorbereitung mit Störfaktor muss nun vergessen sein. Jetzt zählt nur noch die Konzentration für den sportlichen EM-Testlauf.

21.00 Uhr

Die Hymnen sind gespielt, die Partie beginnt. Das Stade de France ist mit fast 80 000 Zuschauern besetzt. Es herrscht ein Vorgeschmack auf die erhoffte Stimmung im kommenden EM-Sommer.

21.20 Uhr

Ein lauter Knall ertönt hinter der Gegengeraden. Erstmal ist unklar, was das gewesen sein könnte. Die Spieler sprechen laut Rauball von Druckwellen, die man auf der Ersatzbank habe spüren können.

21.26 Uhr

Schon wieder dieser ohrenbetäubende Lärm. Spätestens jetzt beschleicht viele im Stadion ein mulmiges Gefühl. Was ist da los vor der Arena? Das Spiel geht aber unbeeinflusst bis zur Halbzeit weiter.

22.15 Uhr

Die Nachricht von den Schießereien in der Stadt und den Explosionen vor der Arena erreichen die Zuschauer. Auch die Bilder von Präsident Francois Hollande auf dem Weg hinaus sorgen für Unruhe.

22.50 Uhr

Das Spiel ist vorbei. Tausende Zuschauer werden auf den Rasen geleitet. Mit großer Bedacht agieren die Ordner. Nur kurz kommt es zur Unruhe an manchen Ausgängen. Bis alle Zuschauer das Stade de France verlassen können, vergehen Stunden.

23.15 Uhr

In den Katakomben herrscht eine gespenstische Stimmung. Alle sonst üblichen Medienaktivitäten wie die Pressekonferenz sind abgesagt. Die Mannschaft bleibt in der Kabine. Wie lange, ist unklar. „Wir sind alle erschüttert und schockiert. Für mich tritt der Sport in den Hintergrund“, sagt Bundestrainer Löw.

2.00 Uhr

Das Warten im Stadion wird zur Geduldsprobe. Angeblich sollen die deutschen Spieler mit Kleinbussen zum Hotel gebracht werden. Doch auch das ist zu riskant. Bierhoff und Rauball erklären später die Entscheidung: Der Verbleib in der Arena ist alternativlos.

3.30 Uhr

Das Krisenmanagement läuft. DFB-Interimschef Rauball telefoniert unter anderem mit Innenminister Thomas de Maiziere. Das Ziel: Die Mannschaft soll so schnell wie möglich in die Heimat gebracht werden.

6.30 Uhr

Eine Nacht in der Umkleide geht für Schweinsteiger und Co. endlich zu Ende. Die DFB-Eskorte bricht unter Polizeischutz Richtung Flughafen auf. Rauball lobt die Mannschaft: „Man kann stolz sein, wie sie diese Nacht überwunden hat.“

8.00 Uhr

Die Lufthansa-Maschine steht auf dem Rollfeld ganz weit abseits des Flughafengebäudes bereit - bewacht von Polizisten mit Maschinengewehren. Die Spieler plumpsen in ihre Sitze. Bis zum Start vergeht aber noch eine Stunde.

9.00 Uhr

Nun sind auch Fans, Sponsoren und Journalisten an Bord. Die Maschine hebt in den Pariser Morgenhimmel ab. Auf dem Flug wird bekannt, dass Löw seine Spieler mindestens für eine Nacht nach Hause schickt. Über das Holland-Spiel soll später entschieden werden.

10.00 Uhr

Die Landung am Samstagmorgen in Frankfurt weckt die erschöpften Spieler aus einem kurzen Schlaf. Die Erleichterung ist bei Lukas Podolski und Co. spürbar. Ihre schwierigste Länderspielreise nimmt am DFB-Stammsitz in Frankfurt ein Ende.

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