Frankfurt/Nyon. Ex-Präsident will wie auch Beckenbauer zeitnah zur Vergabe der WM 2006 aussagen. Uefa-Generalsekretär Infantino will Fifa-Boss werden.

In der Affäre um die Fußball-WM 2006 in Deutschland könnte es in dieser Woche zumindest erste kleine Schritte Richtung Aufklärung geben. Die Schlüsselfigur Franz Beckenbauer will nach Medienberichten zeitnah vor den Ermittlern der Wirtschaftskanzlei „Freshfields Bruckhaus Deringer“ aussagen. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger drängt sogar darauf, sich möglichst schnell mit jenen Leuten zu treffen, die der Deutsche Fußball-Bund zur Aufarbeitung aller Vorwürfe eingeschaltet hat.

Journalisten von „Spiegel TV“ hatten Beckenbauer am Sonntag an dessen Wohnort Salzburg aufgesucht. Im Vorbeigehen sagte ihnen der Chef des damaligen WM-Organisationskomitees nur: „Die Antworten kommen noch.“ Die „Bild“-Zeitung schrieb am Montag über ihren Kolumnisten, dass sich der 70-Jährige „wahrscheinlich noch in dieser Woche“ den Ermittlern stellen werde.

Wichtige Termine für Fifa und Uefa

Dezember

Zürich: planmäßige Sitzung der Fifa-Exekutive

6. Januar

Zürich: letzter Tag der aktuellen Sperre gegen Blatter und Platini (Bann kann bis 20. Februar verlängert werden)

11. Januar

Zürich: Verleihung des Ballon d'Or (Weltfußballer)

26. Februar

Zürich: Außerordentlicher Fifa-Wahl-Kongress

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Beckenbauer ist nach Ansicht aller Beteiligten der Einzige, der sämtliche Fragen in dieser Affäre beantworten kann. Er hat zumindest laut Version des DFB 2002 in einem Vier-Augen-Gespräch mit Fifa-Präsident Joseph Blatter jene ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro ausgehandelt, die der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus anschließend für das deutsche WM-OK getätigt hat. Er dürfte deshalb auch wissen, wohin dieses Geld tatsächlich geflossen ist.

Abgesehen von einem ersten Statement am 18. Oktober („Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren.“) hat sich Beckenbauer bislang nicht zu dieser Affäre geäußert.

DFB-Vize nimmt auch Netzer in die Pflicht

In DFB-Vizepräsident Peter Frymuth, gleichzeitig auch Chef des Fußballverbandes Niederrhein, hat nun aber zum ersten Mal ein Funktionär oder Aktiver aus dem Bereich des Fußballs genau das von ihm gefordert. „Die Basis wünscht sich Antworten von ihren Idolen“, sagte Frymuth der „Rheinischen Post“ (Montag). „Niemand hat Verständnis dafür, dass sich einige ihrer Verantwortung nicht stellen.“ Zu einer gründlichen Aufarbeitung gehöre, „dass Beckenbauer und Netzer zur Aufklärung beitragen. Es geht um mehr als persönliche Befindlichkeiten - es geht um das Vertrauen in den Fußball.“

Günter Netzer soll Zwanziger 2012 nach der Darstellung des ehemaligen Verbandschefs bei einem Treffen in Zürich gestanden haben, dass jene 6,7 Millionen Euro vor der Vergabe der WM zur Bestechung von vier asiatischen Fifa-Funktionären verwendet worden seien. Der Weltmeister von 1974 und enge Vertraute des 2009 gestorbenen Louis-Dreyfus weist das allerdings zurück.

Seeler kritisiert Verhalten Zwanzigers

Aufgrund solcher Enthüllungen steht Zwanziger („Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab“) innerhalb der Fußball-Szene in erster Linie als Buhmann da. Abgesehen von Frymuth hat bislang noch niemand eine Erklärung von Franz Beckenbauer gefordert - aber immer mehr prominente Namen kritisieren öffentlich das Verhalten Zwanzigers. „Ich finde das nicht gut, das geht ja schon länger. Ich verstehe das nicht, man soll nicht nachtreten“, sagte Uwe Seeler, Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft, am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Zwanziger will nun unbedingt vor den externen Ermittlern aussagen und ihnen alle Unterlagen präsentieren, die er besitzt. „Weil nur so die Wahrheit auf den Tisch kommen kann, die nun mal zum Schutz meines Mandanten unerlässlich ist“, wie sein Anwalt Hans-Jörg Metz bereits am Wochenende in einem Interview von „Spiegel Online“ sagte.

Bei „Spiegel TV“ wehrte sich Zwanziger am Sonntag noch einmal gegen den Vorwurf, mit seinen Aussagen lediglich seinen Intimfeind und Nachfolger Wolfgang Niersbach stürzen zu wollen. „Ich will Herrn Niersbach nicht sein Amt nehmen. Von mir aus kann er da noch 20 Jahre weiter regieren.“ Ausgangspunkt der gesamten Affäre sei für ihn ohnehin „das richtig verrottete System der Fifa, in das Beckenbauer hineinstolpern musste, um überhaupt eine Chance zu haben, diesen World Cup nach Deutschland zu holen“.

Infantino will Fifa-Präsident werden

Bei eben jener Fifa bewirbt sich neben dem derzeit gesperrten Uefa-Präsidenten Michel Platini nun auch Generalsekretär Gianni Infantino als neuer Chef. Das Exekutivkomitee habe einstimmig beschlossen, Infantino bei der Wahl am 26. Februar 2016 zu unterstützen, teilte die Uefa am Montag mit. Die Bewerbung von Platini ließ der Kontinentalverband unerwähnt. Der 45 Jahre alte Italo-Schweizer Infantino gilt als Plan B, sollte Platini aufgrund des derzeitigen Verfahrens durch die Fifa-Ethikkommission nicht zur Kür des Nachfolgers von Joseph Blatter zugelassen werden.

Damit steigt das Feld der potenziellen Kandidaten kurz vor Ende der Bewerbungsfrist um Mitternacht in der Nacht zu Dienstag auf acht.

Die Sperren der Fifa-Ethikkommission

17. November 2010

Amos Adamu (drei Jahre), Reynald Temarii (ein Jahr, Geldstrafe in Höhe von 4500 Euro)

17. Dezember 2012: Mohamed bin Hammam (lebenslang)

30. April 2013: Vernon Manilal Fernando (erst acht Jahre, danach lebenslang),

13. Juni 2014

Franz Beckenbauer (provisorische 90-Tage-Sperre, widerrufen am 27. Juni 2014)

15. Oktober 2014

Ganbold Buyannemekh (fünf Jahre)

4. November 2014

Ganesh Thapa (provisorische 120-Tage-Sperre, verlängert um 90 Tage am 20. März 2015)

10. November 2014

Edmond Bowen (drei Jahre)

27. November 2014

Alberto Colaco (drei Jahre)

12. Mai 2015

Reynald Temarii (acht Jahre)

27. Mai 2015

Jeffrey Webb, Eduardo Li, Julio Rocha, Costas Takkas, Jack Warner, Eugenio Figueredo, Rafael Esquivel, José Maria Marin, Nicolás Leoz, Daryll Warner, Chuck Blazer (alle provisorisch bis auf Weiteres gesperrt)

28. Mai 2015

Aaron Davidson (provisorisch bis auf Weiteres gesperrt)

1. Juni 2015

Enrique Sanz, Jean Guy Blaise Mayolas, Badji Mombo Wantete (alle provisorisch bis auf Weiteres gesperrt)

6. Juli 2015

Harold Mayne-Nicholls (sieben Jahre)

9. Juli 2015

Chuck Blazer (lebenslang)

29. September 2015

Jack Warner (lebenslang)

8. Oktober 2015

Joseph S. Blatter (provisorisch für 90 Tage)Michel Platini (provisorisch für 90 Tage gesperrt)Jerome Valcke (provisorisch für 90 Tage gesperrt)Chung Mong-Joon (sechs Jahre plus 100.000 Schweizer Franken Geldstrafe)


 

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Der von Menschenrechtlern scharf kritisierte asiatische Verbandschef Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa habe seine Bewerbung angekündigt, berichtete die staatliche bahrainische Nachrichtenagentur BNA zuvor. Der offizielle Schritt stand aber zunächst noch aus. Zudem sind der liberische Verbandspräsident Musa Bility, der zuletzt Blatter unterlegene Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien, der frühere Fußballprofi David Nakhid aus Trinidad und Tobago, der Ex-Fifa-Generalsekretär Jérôme Champagne und der Südafrikaner Tokyo Sexwale.