Hamburg. Der frühere DFB-Präsident behauptet, es habe in der WM-Affäre eine schwarze Kasse gegeben. DFB-Funktionäre kontern.

In der Affäre um die WM 2006 hat der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger erstmals die Existenz einer schwarzen Kasse bestätigt. Zwanziger erklärte im Nachrichtenmagazin „Spiegel“: „Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab.“ Zwanziger, früher auch Finanzchef des WM-Organisationskomitees, ging dazu noch Wolfgang Niersbach frontal an. Es sei „ebenso klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005. So, wie ich das sehe, lügt Niersbach.“ Niersbach will erst seit dem Sommer 2015 von dem Vorgang wissen.

Gegenüber dem Nachrichtenmagazin bestätigte der 70-Jährige auch, dass ihm Günter Netzer 2012 mitgeteilt habe, dass die vier Stimmen aus Asien bei der Vergabe des WM-Turniers 2006 gekauft gewesen seien. Zweitens ließ sich Zwanziger eine Kopie eines Faxes aus dem Jahr 2004 zeigen, auf dem die Handschrift von Niersbach zu sehen sei, und bezeugte die Echtheit. Dieses Dokument soll bestätigten, dass Niersbach entgegen seiner Darstellung in die Rückabwicklung des „Darlehens“ an den früheren Adidas-Chef Richard Louis-Dreyfus sehr wohl involviert war.

Nur wenige Minuten zuvor hatte das Präsidium des Deutschen Fußball-Bunds seinem amtierenden Chef ausdrücklich Rückendeckung gegeben. „Wir werden mit Wolfgang Niersbach den Weg der lückenlosen Aufklärung gehen“, sagte Vizepräsident Reinhard Rauball nach einer Sitzung.

Im Zentrum dieser Affäre steht vor allem eine Zahlung von umgerechnet 6,7 Millionen Euro, die 2002 von Louis-Dreyfus für das deutsche WM-Organisationskomitee an die Fifa geflossen war. Drei Jahre später überwies das OK dieses Geld über ein Fifa-Konto und deklariert als Beitrag für eine Fifa-Gala an den Franzosen zurück.

Unter Berufung auf ein Telefonat mit dem damaligen OK-Vize Horst R. Schmidt erklärte Zwanziger nun dem „Spiegel“, dass diese Summe 2002 tatsächlich an den Katarer Mohamed Bin Hammam, von 1996 bis 2011 Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees und damals noch Unterstützer des umstrittenen Präsidenten Joseph Blatter, geflossen sei. Sollte das stimmen, hätte der DFB in jenem Jahr den Wahlkampf des skandalumwitterten und mittlerweile gesperrten Blatter finanziert.

Niersbach, den mit seinem Vorgänger Zwanziger schon seit Jahren eine innige Feindschaft verbindet, gab nach der Präsidiumssitzung in einem Dortmunder Hotel zunächst keine Stellungnahme ab, sagte am Abend bei der Eröffnung des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund aber: „Dass man nun einen Schatten auf die WM werfen will, tut mir persönlich weh.“ Zu den neuen Vorwürfen wollte sich Niersbach aber nicht im Detail äußern.

Der DFB-Präsident hatte bereits am Vortag erklärt, dass die 6,7 Millionen Euro nicht zur Bestechung von Fifa-Funktionären verwendet worden seien, sondern als Bedingung für einen millionenschweren Organisationszuschuss aus der Kasse der Fifa. Er sei in die Geldflüsse nie eingeweiht gewesen.

Doch das öffentliche Echo auf seine Pressekonferenz war verheerend. Der DFB-Chef wirkte angeschlagen und hatte auf nahezu keine Nachfrage eine schlüssige Antwort. Auch aufgrund dieses öffentlichen Drucks war vor der Präsidiumssitzung über einen möglichen Rücktritt des 64-Jährigen spekuliert worden. In den vergangenen Tagen waren immer mehr Vertraute auf Distanz zu ihm gegangen.

Franz Beckenbauer, als Präsident des WM-Organisationskomitees die zentrale Figur dieser Affäre, ließ seinen alten Freund Niersbach zuletzt im Regen stehen. Auch mehrere Präsidenten der Landesverbände hatten Niersbach unter Druck gesetzt. Auf die Frage, ob es intern Rücktrittsforderungen an den DFB-Chef gegeben habe, antwortete Rauball mit einem „klaren Nein“.

DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock polterte dagegen am Rande der Museumseröffnung in Dortmund am Abend: „Zwanziger hätte die Vorwürfe in seiner Amtszeit selber angehen können. Ich frage mich ernsthaft, warum er das nicht getan hat. Unter Zwanziger hatten wir beim DFB eine Angst- und Krisenkultur.“