Frankfurt/Hamburg. Der Haspa-Marathon-Mann bricht in Frankfurt seine Uralt-Bestmarke. Streit um Aufnahme ins Olympia-Team Hamburg.

Neun Schritte schaffte Arne Gabius noch, nachdem er die Ziellinie überschritten hatte, dann ließ er sich auf den roten Teppich der Frankfurter Festhalle sinken, umtost vom Jubel von 7000 Zuschauern. Seine letzten Kräfte hatte der gebürtige Hamburger mobilisiert, um sich einen Lebenstraum zu erfüllen: In 2:08:33 Stunden hatte er unter großen Schmerzen und nach einer famosen Willensleistung den 27 Jahre alten deutschen Marathonrekord des Dresdners Jörg Peter um 14 Sekunden unterboten.

„Die zweite Hälfte war verdammt hart. Ich weißt jetzt, was Marathon bedeutet, aber ich hab den Rekord“, sagte Gabius, der sich auf den letzten Kilometern mit schmerzverzerrtem Gesicht über den Asphalt gequält hatte, im Hessischen Rundfunk. Es war erst sein zweiter Marathon, nachdem er im Vorjahr an gleicher Stelle in 2:09:32 das beste Debüt eines Deutschen überhaupt hingelegt hatte.

Dieses Mal ging er die erste Hälfte noch schneller an, passierte die Halbmarathon-Marke nach 1:03:23 Stunden und lief in einer Gruppe mit Afrikanern mit. Trotz Problemen bei Kilometer 30, als sich Gabius wiederholt an Hüfte und Bauch griff, biss er sich durch und blickte kurz vor dem Ziel immer wieder auf die Uhr. „Jetzt kann gefeiert werden“, sagte Gabius im Ziel. Es wird wohl ein Feier-Marathon: Die Hochzeit mit seiner Lebensgefährtin Anne Schroth steht an, danach geht es für zwei Flitterwochen nach Hawaii.

So schnell wie Gabius war in diesem Jahr kein anderer europäischer Läufer. Den ältesten deutschen Stadtmarathon gewann der Äthiopier Sisay Lemma Kasaye in 2:06:26 Stunden vor den Kenianern Lani Rutto (2:06:34) und Alfers Lagat (2:06:48). Gabius gewann als Viertplatzierter obendrein den Titel des deutschen Meisters und blieb deutlich unter der Olympianorm von 2:12:15 Stunden für Rio de Janeiro 2016. Damit qualifizierte sich der in Stuttgart lebende Mediziner als erster Deutscher für die Sommerspiele.

Gabius, 34, hatte erst im August seine Bahnkarriere bei der WM in Peking mit einem 17. Platz über 10.000 Meter beendet. Zehn Jahre ist es nun her, dass er von seiner Geburtsstadt Hamburg nach Tübingen zog und von der LAV Hamburg-Nord zur Trainingsgruppe des 5000-Meter-Olympiasiegers Dieter Baumann wechselte. In den Folgejahren dominierte er die Langstrecke in Deutschland. Auf einen großen internationalen Erfolg musste Gabius jedoch bis 2012 warten, als er über 5000 Meter EM-Silber gewann.

Seit dieser Saison startet er für das Lauf-Team Haspa-Marathon in seiner Geburtsstadt. Sein Antrag auf Förderung durch das Team Hamburg aber wurde abschlägig beschieden, wie
Haspa-Marathon-Chef Frank Thaleiser am Sonntag kritisch anmerkte: „Arne ist achteinhalb Monate im Jahr für den Sport unterwegs und ist einst aus Hamburg weggegangen, um bessere Bedingungen zu haben. Wenn er deshalb ausgegrenzt werden soll, kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Einen besseren Botschafter auch für die Olympiabewerbung gibt es gar nicht.“

Ingrid Unkelbach, Leiterin des Olympiastützpunkts Hamburg/Schleswig-Holstein, wies den Vorwurf zurück: „Die Förderkriterien des Teams Hamburg sind eindeutig und gelten für alle. Arne Gabius erfüllt sie nicht, weil er in Stuttgart wohnt, dort, in Afrika und Amerika trainiert und auch nicht dem Olympiastützpunkt zugeordnet ist.“

Die fehlende Unterstützung, 450 Euro monatlich, wird Gabius verschmerzen können. Allein für den Rekord kassierte er 30.000 Euro, dazu eine Zeitprämie von 10.000 Euro, weil er als bester Deutscher unter 2:10 Stunden blieb. Zusammen mit Sponsorenzahlungen wird er etwa auf 100.000 Euro kommen. „Frankfurt ist für mich der Payday, auf diesen einen Tag läuft alles hinaus. Aber dafür arbeite ich auch seit 20 Jahren“, hatte Gabius der Tageszeitung „Die Welt“ gesagt.

In Rio 2016 peilt er einen Platz unter den besten zwölf an. Ob er zuvor am 17. April beim Haspa-Marathon in seiner Geburtsstadt startet, ist offen. Thaleiser: „Wenn ihm Boston 100.000 Dollar Startprämie bietet, haben wir keine Chance.“

Hingegen verpasste Lisa Hahner – wie schon Ende September in Berlin ihre Zwillingsschwester Anna – die Olympianorm ganz knapp. Die Läuferin vom Run2Sky-Team aus Gengenbach wurde Sechste der Gesamtwertung und deutsche Meisterin in 2:28:39 Stunden, allerdings fehlten ihr nur neun Sekunden. DM-Silber gewann Gabius’ Vereinskollegin Mona Stockhecke, 32, die in 2:33:54 als Gesamtzwölfte ihre persönliche Bestzeit aus dem Vorjahr um vier Sekunden verfehlte. Die gebürtige Hamburgerin fällt ebenfalls aus der Förderung des hiesigen Teams, weil sie als Vollzeit-Wissenschaftlerin ihren Lebensmittelpunkt in den USA hat.

An der Spitze gab es einen äthiopischen Doppelsieg durch Gulume Tollesa Chala (2:23:12) und die zeitgleiche Dinknesh Tefera.