Leipzig. Der frühere St. Paulianer Max Kruse erzielt das späte 2:1 gegen Georgien. Deutschland ist als Gruppenerster bei der EM dabei.

Die meisten der 46.603 Zuschauer in der ausverkauften Leipziger Red-Bull-Arena dürften sich vor allem diese eine Frage gestellt haben: Wie lange würde es gegen den krassen Außenseiter, Georgien dauern, bis alle Zweifel an der direkten Qualifikation für die Euro 2016 in Frankreich verflogen sein würden? Fünf Minuten? 15? Oder im schlimmsten Fall 25? Alles falsch. 0:0 stand es zur Pause nach einem Torfehlschussfestival, das man bei der deutschen Nationalmannschaft in dieser Form kaum einmal gesehen hat. In der zweiten Halbzeit beendete Thomas Müller zwar den Torfluch (50.), bezeichnenderweise per Elfmeter. Doch nachdem die Georgier kurz darauf ausgleichen konnten, reichte es am Ende nur zu einem kappen 2:1-Sieg. Fazit: Die direkte EM-Qualifikation war am Ende geglückt – aber so richtig glücklich durfte niemand sein.

So richtig zittern mussten die Zuschauer anfangs nur wegen der Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Schließlich war die Ausgangslage trotz der unnötigen 0:1-Niederlage gegen Irland immer noch recht komfortabel gewesen. Doch schon die erste Großchance für Georgien durch Okriashvili war ein zarter Hinweis, dass der DFB-Auswahl kein leichter Gang bevorstehen würde.Und dass, obwohl sich das Nationalteam eine Unmenge an Torchancen herausspielte. Ungeduldig, fast wie besessen berannte die Nationalelf von Beginn an das gegnerische Tor und zielte aus fast allem Lagen. 10:1 Torschüsse nach 15 Minuten sprechen für sich.

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Es stellte sich jedoch heraus, dass sich vor allem Marco Reus an diesem Abend den Titel Weltmeister im Chancen auslassen verdiente. Fast schon skurril, welche Möglichkeiten er ausließ. Beispielhaft sei die Szene in der sechsten Minute erwähnt, als der Dortmunder nach einer wunderbaren Kombination mit Mesut Özil und Thomas Müller aus sechs Metern frei vor Torwart Nukri Revishvili stand, den Ball aber gefühlt zehn Meter über den Kasten hämmerte. Blamabel.

Für den maladen Mario Götze (Muskelsehnenausrisses im Adduktorenbereich) stand wie erwartet André Schürrle in die Startelf. Dieser versuchte sich überwiegend als Sturmspitze. Angesichts der tief stehenden Abwehr Georgiens blieb es leider beim Versuch.

Nachdem die häufig mit schnellen Kombinationen vorgetragenen Angriffswellen in der ersten Hälfte ohne Wirkung verpufft waren, begann die zweite Halbzeit wenig überraschend genauso einseitig. Dass die Zuschauer dann endlich doch Grund zum Jubeln hatten, lag an Jaba Kankava, der Mesut Özil im Strafraum auf den linken Fuß stieg. Müller traf zum Strafstoß an, verwandelte sicher (50.).

Also würde die Geschichte doch einen gemütliches Ende nehmen? Von wegen! Nur drei Minuten später zog Kankava aus 17 Metern einfach mal ab – 1:1! Und es ging weiter: In der 58. Minute hatte Valeri Kazaishvili die Gästeführung auf dem Fuß, zwei Minuten später konnte erneut Neuer nach einem Okriashvili-Schuss gerade noch retten. Die deutsche Defensive wackelte gewaltig, den Offensivaktionen fehlte in dieser Phase die Konsequenz.

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So mussten die immer nervöseren Zuschauer bis zehn Minuten vor Schluss warten, ehe sie der gerade erst eingewechselte Max Kruse erlöste. „Ich wollte ihn einfach reinhauen“, sagte der frühe St. Paulianer bei RTL, als die EM-Qualifikation zehn Minuten später geschafft war. „Wir hatten viele Torchancen, aber wir müssen konsequenter vor dem Tor werden. Irgendwas müssen wir uns einfallen lassen.“

Deutschland ist im kommenden Sommer dank einer durchwachsenden Bilanz (sieben Siege, ein Remis und zwei Niederlagen) in Frankreich dabei, doch zu tun gibt es bis dahin genug. So hat mit dem gestrigen Abend eine Testphase begonnen, die der Weltmeister offenbar dringend benötigt. Am 13. November kommt es in Paris zum Duell gegen den EM-Gastgeber Frankreich, vier Tage später soll ein Freundschaftsspiel in Hannover gegen die Niederlande das Länderspieljahr beschließen. Die Elftal ist im Übrigen aller Wahrscheinlichkeit nicht bei der EM dabei. Es geht also immer noch schimmer.

Deutschland: Neuer – Ginter, Hummels, Boateng, Hector – Gündogan, Kroos – Schürrle (76. Kruse), Özil, Reus (90. Bellarabi) – Müller. Georgien: Revishvili – Lobzhanidze, Kverkvelia, Amisulashvili, Kashia, Navalovsky – Kankava, Kvekveskiri (78. Khizanishvili) – Kazaishvili (90. Kobakhidze), Gelashvili (46. Vatsadze), Okriashvili. Tore: 1:0 Müller (50.), 1:1 Kankava (53.), 2:1 Kruse (79.). – SR: Pavel Kralovec (Tschechien). – Zuschauer: 43.630. (ausverkauft). – Gelb: Hummels / Navalovsky, Okriashvili, Revishvili