Hamburg. Am Sonntag steigt in Bahrenfeld der Große Preis von Deutschland. Der Vorstand verspricht hochkarätigen Sport in Zeiten des Niedergangs.

Sportlicher Leckerbissen in widrigen Zeiten: Am Sonntag wird auf der Trabrennbahn am Volkspark eine der bedeutendsten Pferdeprüfungen hierzulande entschieden. Im Großen Preis von Deutschland, mit 200.000 Euro Preisgeld üppig ausgestattet, gehen elf europäische Spitzentraber über die Meile an den Start. Elf Rennen sind mit insgesamt 311.000 Euro dotiert – so viel gibt es in Bahrenfeld sonst monatelang nicht zu gewinnen. Erinnerungen an famose Zeiten werden wach, in denen der Trabrennsport hoch im Kurs stand und jährlich mehrere Hunderttausend Zuschauer auf das Hippodrom lockte.

„Wir präsentieren hochkarätigen Sport, spannende Einläufe und attraktive Quoten“, versprach der dänische Pferdefachmann Klaus Koch, seit dem 1. Juli Geschäftsführer vor Ort, bei der Vorstellung des Ereignisses im Restaurant der Haupttribüne. Unterstützt wird er von einem ehrenamtlich tätigen, gleichfalls neuen Vorstand. Das Team eint Tatendrang und Leidenschaft. Geld jedoch ist knapp, sehr knapp. Auch mangels guter Startpferde besteht das einstmals dreitägige Grand-Prix-Meeting diesmal nur noch aus einem Tag.

Zusätzliches Handicap ist die ungesicherte Zukunft der Bahrenfelder Rennbahn. Der Pachtvertrag für das rund 30 Hektar große Areal läuft noch bis Frühjahr 2017. Danach soll das Grundstück teilweise verkauft und mit mehr als 700 Wohnungen bebaut werden. Derzeit sind neben den Stallungen 14 Containerhäuser aufgestellt, in denen 280 Flüchtlinge leben. 100 weitere Menschen kommen demnächst hinzu. Gemeinsam mit den Galoppern im Osten Hamburgs hoffen die Traber am Volkspark auf eine Doppelrennbahn für beide Sparten in Horn – subventioniert von der Stadt. Doch bis zu einer Entscheidung müssen beide Seiten einen gemeinsamen, umsetzbaren Vorschlag präsentieren. Er sei in Arbeit, heißt es hier wie dort, brauche indes noch Zeit.

HTZ wäre mit 5000 Zuschauern zufrieden

Und genau diese ist so knapp wie das Geld. Wenn am Sonntag 5000 Besucher kommen, dürfte der ausrichtende Trabrennverein HTZ zufrieden sein. Denn nach dem überraschenden Rückzug des Milliardärs, Pferdezüchters und früheren Kaffeeunternehmers Günter Herz Ende vergangenen Jahres aus dem operativen Geschäft kämpfen die Traber ums Überleben.

Außerdem trat nach und nach auch die Mannschaft um den Traber-Präsidenten Peter Heitmann zurück. Letzterer musste krankheitsbedingt passen, andere hätten aus Frust über das Regiment der Familie Herz resigniert. Ohne diese allerdings, das ist am Volkspark ein offenes Geheimnis, wäre längst Schluss. Momentan wird der Trabersport über eine Art Förderverein am Leben gehalten. Dieser gemeinnützigen GmbH mit dem offiziellen Namen Gesellschaft zur Förderung des Pferdezuchtwesens (GFP) sollen pro Jahr etwa 750.000 Euro zur Verfügung stehen. Hauptfinanzier ist die Familie Herz. Vor einem Jahr war der Haushalt noch doppelt so hoch.

Unter dem Strich haben Günter Herz und sein Sohn Christian in den vergangenen Jahren mehr als fünf Millionen Euro in Anlage und Tribüne investiert. Was mit dieser modernen, erstklassig ausgestatteten Haupttribüne nach dem fast sicheren Aus des Trabens in Bahrenfeld geschieht, ist ungeklärt. Man hofft, dass der noch eineinhalb Jahre laufende Pachtvertrag vielleicht doch verlängert wird, bis das Thema Doppelrennbahn geklärt ist oder endgültig ad acta gelegt wird.

Zwar will es mancher Beteiligte nicht wahrhaben, doch kann von Rennpferden heutzutage kaum noch jemand anständig leben – weder Züchter noch Trainer noch Fahrer. Begeisterung und Herzblut der Aktiven verhinderten bisher das Aus. „Der Grand Prix jetzt am Sonntag soll Aufschwung verleihen“, sagte HTZ-Vorstandsmitglied Elisabeth Kiausch. Die ehemalige Finanzsenatorin und Bürgerschaftspräsidentin will ihre Kontakte nutzen, die Doppelrennbahn voranzutreiben.

Toto-Einnahmen gingen um 90 Prozent zurück

Voraussetzung ist eine Einigung der Galopper und Traber. Auf Initiative des Galopper-Vizepräsidenten Albert Darboven liegt der Plan eines Pferdesportzentrums im Horner Derbypark vor, doch hat auch Günter Herz einen Entwurf anfertigen lassen. Beide sollen nun auf einen Nenner gebracht werden. Kein leichtes Unterfangen. „Wir hören von den Beteiligten, dass sie sich im Gespräch befinden“, sagte Staatsrat Christoph Krupp.

In jedem Fall werden die aktuellen Zahlen mit Sorge betrachtet. Statt einstmals 100 und 2014 noch 44 Renntagen stehen von Januar bis Dezember aktuell nur noch 26 Veranstaltungen auf dem Programm. Wurden 2002 am Volkspark noch 21,2 Millionen Euro an den Totokassen umgesetzt, so waren es 2013 nur noch 2,9 Millionen Euro – mithin fast 90 Prozent weniger. Im vergangenen Jahr lagen die Wetteinsätze bei 1,53 Millionen Euro; 2015 sind es bisher 569.300 Euro. Mit anderen Worten: Existieren kann eine Rennbahn davon nicht.

Umso größere Bedeutung kommt dem Großen Preis von Deutschland zu. „Wir wollen neue Lust aufs Traben entfachen“, sagte HTZ-Vorstandsmann Niels Thomsen. Der Unternehmer und Besitzer von 13 Trabrennpferden, der in Kiel einen florierenden Fleischhandel betreibt, stellt im Grand Prix mit Elton Attack, dem Derbydritten des Vorjahres, einen chancenreichen Außenseiter. Gesteuert wird der Hengst von Heinz Wewering.

In dem offenen Rennen über 1680 Meter starten elf Pferde aus Dänemark, Schweden, Holland, Italien und Deutschland. Als Mitfavoriten gelten der in den USA gezogene Schwede British Steel, der ebenfalls in Schweden trainierte Exodus Hanover mit dem Norweger Kenneth Haugstad im Sulky sowie Sing Hallelujah aus Italien. Kaum vorstellbar bei so starken Vierjährigen, dass die Siegbörse von 90.000 Euro einem der deutschen Besitzer überwiesen wird.