Zürich. Die Schweizer Behörden eröffneten am Freitag ein Strafverfahren gegen den unangreifbar scheinenden Präsidenten.

Die Ära Joseph Blatter steht vor dem jähen Ende, der skandalerprobte Fußball-Weltverband Fifa versinkt im Chaos. Die Schweizer Behörden eröffneten am Freitag ein Strafverfahren gegen den unangreifbar scheinenden Präsidenten und untersuchen auch einen fragwürdigen Deal mit Michel Platini. Dem Chef der Europäischen Fußball-Union Uefa droht nach Annahme einer Millionenzahlung ebenfalls Ärger.

Der 79 Jahre alte Blatter muss sich seit Freitag „wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung“ und Veruntreuung von der Schweizer Bundesanwaltschaft „als Beschuldigter“ vernehmen lassen. „Diese Nachricht macht mich fassungslos“, erklärte Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Nach einer Sitzung des Exekutivkomitees der Fifa wurde der Eidgenosse noch am Verbandssitz in Zürich befragt. Gleichzeitig durchsuchten die Ermittler mit Unterstützung der Bundeskriminalpolizei die Fifa-Zentrale und das Büro von Blatter, dabei wurden Daten sichergestellt. Platini wurde zudem als Zeuge befragt. „Bezüglich der Zahlung, die ich erhalten habe, stelle ich fest, dass dieser Betrag mit meiner vertraglich vereinbarten Arbeit für die Fifa zusammenhängt. Ich bin froh, alle diesbezüglichen Angelegenheiten mit den Behörden geklärt zu haben“, teilte der Franzose am Freitag mit.

Blatter soll im Februar 2011 eine „treuwidrige Zahlung“ von zwei Millionen Schweizer Franken an Platini geleistet haben. Dabei sei es um geleistete Dienste zwischen Januar 1999 und Juni 2002 gegangen. Platini hatte Blatter bei dessen erneuter Kür als Fifa-Chef im Mai 2002 unterstützt.

Es bestehe zudem der Verdacht, dass Blatter im September 2005 mit der Karibischen Fußball-Union und deren Präsident Jack Warner einen für die Fifa ungünstigen Vertrag abgeschlossen habe, teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft mit. Blatter soll die Übertragungsrechte für die WM in Südafrika für 250.000 Dollar, die für die WM in Brasilien für 350.000 Dollar veräußert haben. Warner soll demnach die TV-Übertragungsrechte zwei Jahre später nach Schätzungen in Medien für 15 bis 20 Millionen Dollar wieder weiterverkauft haben.

„Herr Blatter kooperiert, und wir sind zuversichtlich, dass die Schweizer Behörden sehen, dass der Vertrag von den Mitarbeitern korrekt vorbereitet und verhandelt worden ist, wenn sie die Chance haben, die Dokumente anzuschauen“, sagte Blatters Anwalt Richard Cullen der „New York Times“.

An dem denkwürdigen Freitag auf dem Zürichberg ließ Blatter nach der Sitzung des Exekutivkomitees zunächst seinen mit Spannung erwarteten Auftritt vor der Weltpresse in letzter Sekunde platzen. 15 Kamerateams und zahlreiche Journalisten mussten den Bereich vor der Eingangstür kurz vor 14 Uhr verlassen, 150 Minuten danach klärte die Schweizer Bundesanwaltschaft die mysteriöse Situation auf.

Blatter steht nun auch vor einer Untersuchung durch die Fifa-Ethikkommission, ihm droht eine Suspendierung. Dann würde der ebenfalls skandalumwitterte Vize Issa Hayatou aus Kamerun vorerst die Geschäfte übernehmen. Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk hat nach der Eröffnung des Strafverfahrens gegen Blatter dessen sofortigen Rücktritt gefordert. „Blatter muss weg, er ist nicht mehr haltbar“, sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International. Eigentlich wollte Blatter erst Ende Februar abdanken, Platini galt als aussichtsreichster Kandidat für seine Nachfolge. „Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts leitet die Untersuchungskammer ein formelles Verfahren ein. Die Untersuchungskammer äußert sich aber nie zu konkreten Einzelfällen“, sagte Andreas Bantel, Sprecher der Untersuchungskammer der Ethikkommission.

Erst vor einer Woche war der langjährige Blatter-Vertraute Jérôme Valcke als Fifa-Generalsekretär suspendiert worden. Der Franzose wurde nach einer Reihe von Korruptionsanschuldigungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Ticketkontingenten vorläufig seines Amtes enthoben. Dieser sei beim Treffen der Fifa-Regierung aber „nur ganz kurz ein Thema“ gewesen, berichtete Niersbach, der Mitglied im Exekutivkomitee ist: „Das muss man verstehen, es stehen die Anschuldigungen im Raum und auf der anderen Seite das klare Statement, dass diese Anschuldigungen falsch sind. Es gilt die Unschuldsvermutung.“

Stattdessen verschickte der angeschlagene Fußball-Weltverband zunächst lediglich eine Mitteilung mit Ergebnissen des zweitägigen Treffens: Der Beginn der umstrittenen WM in Katar wurde auf den 21. November 2022, einen Montag, terminiert. Damit dauert das Weltturnier wie erwartet nur 28 Tage. Eine angestrebte Änderung der Verschwiegenheitsklausel, um mehr Transparenz zu ermöglichen, wurde zunächst an die Kommission für rechtliche Angelegenheiten zur „Beratung“ weitergegeben.