Berlin. Ab Sonnabend (15 Uhr) will das Team bei der Europameisterschaft gegen Island sportliche Taten folgen lassen.

Ein Statement der deutschen Nationalmannschaft gab es schon, bevor über Basketball gesprochen wurde. Kapitän Heiko Schaffartzik erklärte: „In Deutschland und ganz Europa gibt es Menschen, die in Not sind. Wir wollen zeigen, dass wir mit den Flüchtlingen mitfühlen.“ In der Mannschaft Spenden gesammelt und nun ein Scheck über 25.000 Euro an die Organisation ProAsyl überreicht. Eine lobenswerte Aktion.

Ab Sonnabend (15 Uhr) will das Team bei der Europameisterschaft sportliche Taten folgen lassen. Zum Auftakt der Vorrundengruppe B geht es gegen Island. Bundestrainer Chris Fleming scheint dabei in einer komforta­blen Lage zu sein. Dirk Nowitzki (Dallas Mavericks), Dennis Schröder (Atlanta Hawks) und Tibor Pleiß (Utah Jazz) – gleich drei NBA-Profis standen keinem seiner Vorgänger zur Verfügung. Mit diesem Trio ist die „Mission Rio“ möglich, an deren Ende das ersehnte Olympia-Ticket für 2016 stehen soll. Svetislav Pesic, der 1993 in Deutschland mit dem Team des Gastgebers als Trainer sensationell den EM-Titel holte, glaubt gar an eine deutsche Medaillenchance: „Vom Potenzial her haben wir lange keine solche Mannschaft gehabt.“ Dem stimmt Nowitzki bedingt zu. „Wir hatten auch früher gute Teams. Aber wir haben sehr viel Potenzial“, sagt der beste europäische Basketballspieler aller Zeiten, „und einen guten Mix aus Jung und Alt.“ Auch Humor, der vor Fleming nicht haltmacht. Sein EM-Ziel? „Island zu schlagen wäre ganz gut.“ Oder war das gar kein Spaß?

Es gab Rückschläge vor der EM. Flemings Arbeit wurde erschwert, weil Maximilian Kleber, Daniel Theis, Elias Harris, Tim Ohlbrecht, Lucca Steiger, Per Günther, Maik Zirbes und Akeem Vargas fehlen. Nicht alle acht, aber der eine oder andere hätte das Potenzial vergrößern können. Müdigkeit, Verletzungen – aus verschiedenen Gründen sind sie nicht dabei. Anton Gavel, gebürtiger Slowake, musste bis weit in die EM-Vorbereitung hinein warten, ehe seine Spielberechtigung endlich vorlag. Auch keine optimale Situation, in ein neues Team integriert zu werden.

Dazu kommt die außergewöhnlich hohe Fluktuation auf der Position des Bundestrainers. 2011 hieß der noch Dirk Bauermann. Ihm folgten Svetislav Pesic (2012), Frank Menz (2013) und Emir Mutapcic (2014). Fleming ist also der fünfte Chef in nur vier Jahren. Der Amerikaner musste nicht an Nuancen feilen, er fing quasi wieder von vorn an. Zumal Nowitzki zuletzt 2011 für das Nationalteam aufgelaufen war und jetzt bei seiner Rückkehr in viele ihm fremde Gesichter sah.

Eine leichtere Vorrunde hätte die Eingewöhnung erleichtert. Denn Nowitzki wurde in den drei Wochen, die er sich mit der Mannschaft vorbereitete, immer besser. Aber die Gruppe B, in der das Fleming-Team neben dem krassen Außenseiter Island den WM-Zweiten Serbien, Ex-Weltmeister Spanien sowie die ebenfalls sehr starken Italiener und Türken als Gegner hat, wird Schwächen nicht verzeihen. Platz vier ist zum Erreichen des Achtelfinales nötig; was vordergründig einfach klingt, wird alles andere als ein Spaziergang. „Wir sind sicher nicht der Favorit in dieser Vorrunde“, sagt Fleming, „da brauchen wir uns nicht mit Rechenspielen und Zielen zu beschäftigen.“

Worauf der 45-Jährige anspielt: Falls Deutschland Vierter wird, droht im Achtelfinale Titelverteidiger Frankreich. Damit nicht genug, denn das EM-Turnier 2015 erlebt ein Novum. Weil im ursprünglich vorgesehenen Gastgeberland Ukraine Krieg herrscht, wurde die EM-Vorrunde auf die vier Länder Kroatien, Lettland, Deutschland und Frankreich verteilt. Alle K.-o-Spiele jedoch finden in Lille in Nordfrankreich statt. Ein Achtelfinale gegen Frankreich wäre also doppelt schwer.

Andererseits: Hätte die Vorrunde nicht auch in Deutschland stattgefunden, Nowitzki hätte sich nach vier Jahren Pause kaum zum internationalen Comeback entschieden. Der Heimvorteil ist nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Mannschaft „ein Riesenerlebnis, die Chance hatte ich noch nie“, sagt er. Irgendwie müsse man eben durch diese Gruppe kommen, so der Mavericks-Star, „das ist das Minimalziel, das wir mit Kratzen und Kämpfen erreichen wollen“.

Beim Testturnier in Hamburgtrifft jedes Mal ein anderer

Entscheidend wird sein, wie es Dennis Schröder gelingt, das Team zu führen, vor allem Nowitzki und Pleiß in gute Positionen zu bringen. Und selbst zu punkten. Mit seinen 21 Jahren eine schwere Aufgabe, aber die schreckt den selbstbewussten jungen Mann nicht. „Wir versuchen, uns als Team zu finden“, sagt er, „und ich denke, wir sind von Spiel zu Spiel besser geworden.“

Auf jeden Fall hat sich bei den elf Testspielen (sieben Siege) eines gezeigt: Wohl und Wehe muss nicht mehr nur von Nowitzki abhängen. Beim Supercup in Hamburg war gegen die Türkei Schaffartzik bester deutscher Werfer. Da erlebte Nowitzki mit nur einem Zähler übrigens den schwächsten Tag seiner Länderspielkarriere seit seinem Debüt 1997. Gegen Lettland traf Schröder am besten, gegen Polen Nowitzki. Und Pleiß war insgesamt bester deutscher Werfer des Turniers.

So stellt sich der Bundestrainer das vor, „das kann uns auszeichnen und ist der große Vorteil dieser Mannschaft“. Zu erwarten ist also ein Turnier, bei dem Deutschland wie eine Wundertüte ist – mit Dirk Nowitzki mittendrin.