Die frühere Spielführerin des VT Aurubis Hamburg bietet einen Einblick in ihr neues Leben und blickt auf vergangene Zeiten zurück.

Hamburg. Rechtswissenschaft pauken statt Volleyballspielen, Hörsaal statt CU-Arena – seit einem Jahr ist das Rechtshaus der Uni Hamburg, wo Imke Wedekind ihr Jurastudium fortsetzt, die neue Arena der früheren Mittelblockerin des VT Aurubis. In Kürze beginnt sie mit der Vorbereitung für das Staatsexamen. In drei Jahren wird Wedekind aller Voraussicht nach fertig mit dem Studium sein.

„Früher hatte ich immer gedacht, dass ich eigentlich nach meiner Karriere nichts mehr mit dem Sport zu tun haben möchte, sondern mir ein anderes Standbein aufbaue. Aber Medien und Sportrecht interessiert mich schon sehr, da möchte ich hin. Solche Fälle wie das Verschwinden des Täschchens (Rucksack-Affäre beim HSV, Anm. d. Red.) finde ich unheimlich spannend rechtlich gesehen“, so die 31-Jährige. Den Profivolleyball vermisst Wedekind nicht mehr. „Ich hätte gedacht, dass es mir wahnsinnig schwerfallen würde, dass ich vielleicht nicht zurechtkommen würde. Denn im Büro zu arbeiten? Das hatte ich nie zuvor gemacht.“

Imke Wedekind beim Lernen in der Uni Hamburg
Imke Wedekind beim Lernen in der Uni Hamburg © privat

Zurzeit arbeitet die Jurastudentin nebenbei als Werksstudentin in der Unternehmensberatung. Zudem verbringt sie gerne Zeit mit der Familie. Vor kurzem ist auch ihre zweite Nichte geboren worden. Doch eine eigene kleine Familie zu gründen, daran denkt Wedekind noch nicht. „Als meine Schwester zum ersten Mal schwanger war, bekam ich etwas Panik. Kein Sport mehr. Heiraten und Kinder kriegen. Keine Ausreden. All das schoss mir durch den Kopf, doch Kinder sind eine sehr große Verantwortung. Meine Nichten sind zuckersüß, aber für ein eigenes Kind bin ich noch nicht bereit.“

„Jetzt können wir für die Optik trainieren“

Der Profivolleyball ist längst Geschichte, doch sportlich lehnt das einstige Top-Talent sich keineswegs zurück. Fitness und Boxen stehen nun auf ihrem Trainingsplan, erstellt von ihrem Lebenspartner Moritz Klatten, einem anerkannten Box-Manager sowie Fitness- und Athletik-Trainer. „Mein Freund sagte witzigerweise nach meinem Karriereende: ‚Naja, jetzt können wir ja für die Optik trainieren.‘ Er meinte es nicht böse, da man dafür oder eher leistungsorientiert trainieren kann. Aber wenn du so etwas als Frau hörst, denkst du dir‚ wie bitte?!‘“

Die frühere Volleyballspielerin treibt nach wie vor viel Sport
Die frühere Volleyballspielerin treibt nach wie vor viel Sport © privat

Wedekind trainiert immer noch nahezu jeden Tag, wenn die Zeit dazu da ist, auch zweimal täglich. Sogar im Urlaub treibt sie Sport. Ruhetage gebe es nur am Donnerstag und Sonntag. „Ich glaube, ich bin fitter denn je in meinem Leben. Sogar als ich noch Profi war, war ich lange nicht so fit wie jetzt.“ Ein Zustand, den sie zu Zeiten ihrer aktiven Karriere vermisst hat: „Ich wünschte, dass wir jemanden gehabt hätten, der so viel Ahnung hat wie mein Freund. Dann wäre mir einiges an Verletzungen erspart geblieben.“

„Eine Mannschaft braucht Vertrauen und Zeit“

Neun Jahre war die gebürtige Reinbekerin im Trikot des VT Aurubis Hamburg (ehemals TV Fischbek, NA Hamburg) aktiv und erlebte dabei einige Auf und Abs. 2005 kam Wedekind mit 21 Jahren vom Schweriner SC, nachdem sie kurzzeitig mit dem Volleyball aufgehört hatte. „Die Zeit mit Kerstin Ahlke, ‚Tina‘ Benecke und ‚Maggie‘ Kozuch war schon toll. Sie haben mir den Wiedereinstieg leicht gemacht.“

Nach zwei Spielzeiten stieg der Kupferkonzern Aurubis AG als Hauptsponsor ein. Spielerinnen wurden für viel Geld verpflichtet, der Kader fast jedes Jahr komplett neu aufgestellt, doch der große Wurf der Meisterschaft wurde stets deutlich verfehlt. „Die Leute denken immer, mit Geld schafft man alles, aber das funktioniert nicht. Eine Mannschaft braucht Vertrauen und muss die Zeit bekommen, um zu wachsen“, sagt Wedekind.

Erfolge, wie das Erreichen des Pokalfinals 2008 oder der dritte Platz im internationalen Challenge Cup 2013, werden gerne übersehen, „denn so schlecht waren wir eigentlich gar nicht bis auf die Saison 2013/14“, die zum Knackpunkt wurde. Das viele Verlieren, der Streit und Ärger, all das habe Wedekind wahnsinnig demotiviert. „Ich glaube, wäre dem nicht so gewesen, würde ich den Volleyball stärker vermissen“, sagt die 1,96 Meter groß gewachsene Wedekind und fügt hinzu, in einem Alter zu sein, in dem „ich nicht mehr angeschrien werden möchte, weil ich etwas falsch mache oder dieser eine Ball ins Aus gegangen ist.“

Man gebe sein Bestes, „verhaut mal einen Aufschlag und die ganze Arena reagiert mit Fassungslosigkeit. Das ist irgendwann nicht mehr ertragbar. Ich habe es immer geliebt zu spielen, aber das Negative überwog zum Schluss.“ Der Druck, der den Spielerinnen auferlegt wird, sei hemmend. „Hätte man mir und anderen Spielerinnen mehr Vertrauen geschenkt und mehr Positives entgegengebracht, wäre vieles anders gelaufen.“

Verbissenheit kostete sie die Nationalmannschaftskarriere

Wenn sie der damaligen Imke Wedekind einen Rat mit auf die Volleyballkarriere geben könnte: „Ehrgeiz und Disziplin sind wichtig. Aber ich hätte nicht so verbissen sein sollen.“ Diese Verbissenheit kostete ihr wohl die Karriere in der Nationalmannschaft, wo sie sich bei den Lehrgängen oft verletzte. So blieb es bei einem Einsatz. Die Spiele ihres ehemaligen Clubs verfolgte sie vergangene Saison noch ab und zu in der Arena. „Manchmal ertappe ich mich, wie ich in Gedanken den Aufschlag mache und die Techniken durchgehe.“

In der kommenden Spielzeit hat die Mannschaft wieder ein neues Gesicht. Dann sind mit den Rückkehrern Karine Muijlwijk und Saskia Radzuweit weitere alt bekannte Gesichtern da, die sie begrüßen kann. Das sah vergangene Saison ganz anders aus, da bis auf Nina Braack der komplette Kader ausgetauscht wurde. „Ich hatte eine schwächere Bindung zur Mannschaft. Ich komme in meine Halle als Ex-Kapitän und kann nur einer Spielerin Hallo sagen.“ Nach der Saison 15/16 steht Wedekinds Ex-Club bisher noch ohne Hauptsponsor da, was das Aus des Vereins bedeuten würde. Die frühere Spielführerin ist jedoch guten Mutes, dass es eine Lösung für den Hamburger Bundesligaverein geben wird. Die Spiele ihres Ex-Clubs will Wedekind weiterhin von der Tribüne aus verfolgen.