peking. Die Speerwerferin Christina Obergföll verrät, warum ihr Mann jetzt ihren Namen trägt. In Peking will sie wieder eine Medaille.

2008 gewann Speerwerferin Christina Obergföll bei den Olympischen Spielen in Peking Bronze. Es war die einzige Medaille der deutschen Leichtathleten. Sieben Jahre später lässt sie im Vogelnest (Freitag Qualifikation, Sonntag Finale) wieder ihren 600 Gramm schweren Speer fliegen. Vieles hat sich für die 34-Jährige verändert. Nach der Hochzeit mit dem ehemaligen Weltklasse-Speerwerfer und heutigen Männer-Bundestrainer Boris Henry, 41, sowie der Geburt von Sohn Marlon vor einem Jahr startete sie ein Comeback.

Hamburger Abendblatt: Frau Obergföll, Sie sind Mutter und gleichzeitig bei der WM Titelverteidigerin im Speerwerfen. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Familie und Leistungssport?

Christina Obergföll: Das bedarf einiger Organisation. Da mein Mann auch mein Trainer ist, wird es etwas leichter. Boris wechselt die Windeln, er füttert Marlon. Wir planen stets eine Woche voraus und legen unsere Trainingszeiten fest, so dass wir dann auch wissen, wann Marlon zur Tagesmutter gehen muss.

Was hat sich im Sport für Sie verändert?

Obergföll: Die Zeit zwischen den Trainingseinheiten. Dann bin ich wirklich Mama, spiele mit Marlon und bin für ihn da. Ich kann dann nicht wie früher sagen: So, Christina, jetzt machst du mal ein Mittagsschläfchen. Es ist alles superschön, doch es fehlt mir ein wenig die Regeneration.

Und Regeneration ist fast so wichtig wie das Training selbst.

Obergföll : Definitiv ja. Ich bin jetzt seit acht Monaten wieder im Trainingsprozess. Das wichtigste Ergebnis unserer ersten Analyse ist, dass es einen gewissen Mangel an Regeneration gibt. Boris und ich denken, dass deswegen der Speer noch nicht ganz so weit fliegt wie früher. Wir haben uns aber entschieden, Marlon nur für das Training zur Tagesmutter zu geben, weil wir für ihn da sein und erleben wollen, wie er groß wird. Jetzt nehmen wir ihn auch manchmal mit zum Training, dann läuft er auf der Wiese oder spielt im Sand. Immer geht das nicht. Wenn ich ständig ein Auge aufs Kind habe, dann bin ich halt zu sehr abgelenkt.

Sie haben Boris geheiratet, wohnen mit ihm und Marlon in Ihrem Traumhaus. Sind Sie jetzt entspannter als früher?

Obergföll : Klar, wir sind glücklich, und ich schaue auch entspannt auf den weiteren Fortgang meiner Karriere. Die Sichtweise auf das Leben hat sich verändert. Vor fünf Jahren hätte ich gesagt, der Speerwurf ist mein Leben. Ich will Medaillen sammeln, Rekorde werfen. Jetzt sage ich, es ist wunderbar, dass es meinen Sohn gibt. Aber mein Alltag ist natürlich nicht entspannter, sondern im Gegenteil stressiger geworden.

Ist der Druck auch gesunken? Wenn Sie in Peking nicht ganz vorne landen, geht für Sie bestimmt die Welt nicht unter.

Obergföll : Natürlich nicht. Doch diese Sichtweise hat auch einen Nachteil. Die Lockerheit kann einem auch die letzten drei Prozent an Aggressivität nehmen, die man für den Sieg braucht. Manchmal muss man sagen: So, die haue ich jetzt alle weg. Und nicht: Halb so schlimm, meine Gegnerin ist auch Mama. Wir versuchen, auch diesen Spagat hinzubekommen, denn ich gebe mein Kind nicht weg und schufte den ganzen Tag im Training, um dann zu sagen: Ein achter Platz ist auch nicht schlecht.

Olympiasiegerin Barbora Spotakova hat auch ein Kind, Exweltmeisterin Maria Abakumowa sogar Zwillinge. Unterhält man sich jetzt mehr über die Kinder als über den Sport?

Obergföll : Wir sprechen schon über andere Themen. Wir tauschen Bilder unserer Kinder aus oder schauen zusammen Videos auf dem Smartphone.

2013 gab es eine Wette: Da Sie Weltmeisterin geworden sind, musste Boris Henry bei der Hochzeit Ihren Namen annehmen. Hat er sich daran gewöhnt?

Obergföll : Ja. Er sogar besser als ich. Wenn er sich jetzt als Boris Obergföll vorstellt, stutze ich noch manchmal.

Wo wird Marlon sein, wenn seine Mutter den Speer in China fliegen lässt?

Obergföll : Bei Oma und Opa in Deutschland. Wir werden skypen, sonst kriege ich das emotional nicht hin. Er kennt unsere Stimmen. Und nach dem Wettkampf geht es sofort nach Hause. Ich sehne den Tag schon herbei.

Wozu fühlen Sie sich bei der WM fähig?

Christina Obergföll mit ihrem Sohn
Marlon in der Küche ihres Hauses
Christina Obergföll mit ihrem Sohn Marlon in der Küche ihres Hauses © dpa | Uwe Anspach

Obergföll : Ich habe gut trainiert, und mein Bauchgefühl ist super. Wir sind zehn Damen, die ins gleiche Loch werfen können. Da kann alles passieren. Ich bin konkurrenzfähig. Wenn ich einen Wurf richtig treffe, kann ich ganz vorne sein. Wenn nicht, werde ich vielleicht nur Siebte. Unser Ziel sind die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro.

Nach Bronze 2008 und Silber 2012 gibt es dann…

Obergföll : Ja, ja. Ich kenne den Spruch. Wenn es so einfach wäre. Aber klar, es ist ein schönes Ziel.

Hören Sie nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio auf?

Obergföll : Ja.

Und wird die Familie Obergföll dann noch einmal aufgestockt?

Obergföll : Jetzt wollen wir erst einmal die nächsten eineinhalb Jahre meinen Sport erfolgreich gestalten, und dann ist es eventuell an der Zeit, dass Marlon ein Geschwisterchen bekommt. Mal schauen.