St. Petersburg/Moskau. Die Mission Titelverteidigung in Russland kann für die Nationalmannschaft heikel werden. Was man zur WM-Auslosung für 2018 wissen muss.

In der Welt herrscht Krieg – in der Fußball-Welt ebenso: Zwei der am wenigsten beliebten Männer der westlichen Hemisphäre, Russlands Präsident Wladimir Putin und Fifa-Chef Joseph S. Blatter, sind an diesem Sonnabend die Protagonisten der Auslosung für die Weltmeisterschaft in Russland 2018. Sie werden Reden halten, sich gegenseitig loben. Im Hintergrund lässt Putin kriegerische Rebellen in der Ostukraine unterstützen, hat sich die Krim bereits völkerrechtswidrig einverleibt. Und Blatter traute sich wegen des Fifa-Skandals, in dem sich die Schlinge um seinen Kopf immer enger zieht, zuletzt nicht einmal mehr aus der Schweizer Festung heraus.

Ob er aus Angst vor Verhör und Verhaftung je wieder amerikanischen Boden betreten wird, ist zweifelhaft. Aber im Kalten Krieg der Fußballsystem hat er in Putin ja einen verlässlichen Freund. Auch die Deutschen schauen mit Bangen auf die Achse Putin-Blatter, kommt vom DFB doch immer wieder heftige Kritik am System Blatter und aus Deutschland Unterstützung für die Ukraine.

Am Sonnabend von 17 Uhr (MESZ) an geht es für die deutsche Nationalmannschaft, den amtierenden Fußball-Weltmeister, um eine herausfordernde, aber machbare Gruppe in der Qualifikation zur WM 2018 in Russland. Die Spiele in Putins Reich sind nicht so weit entfernt, wie sie scheinen. In der EM-Qualifikation läuft es derzeit gar nicht gut. Auch wenn Bundestrainer Joachim Löw da immer wieder Mut macht. Aber der Generationenwechsel muss spätestens nach der EM 2016 in Frankreich geschafft sein. Bis dahin ist es von heute weniger als ein Jahr. Und dann kommt bereits die WM-Qualifikation, in der wegen des Modus und der Fifa-Rangliste prominente Kicker-Schwergewichte wie Italien drohen.

Wenn Putin und Blatter an diesem Sonnabend den Auftakt der WM 2018 einläuten, sitzt Löw höchstens vor dem Fernseher. „Die WM ist noch weit weg“, sagte Löw allerdings vor der Auslosung der Qualifikationsgruppen, bei der nicht der Bundestrainer selbst sondern Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff und DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock auf Partien gegen die Ex-Weltmeister Italien oder Frankreich warten: „Das wären doch interessante Spiele. Wir sind immer gut damit gefahren, nicht zu lamentieren, letztlich werden sich immer die besten Teams durchsetzen.“

„Russlands Traum startet hier“, heißt das Motto am Sonnabend für den Gastgeber. Am Donnerstag bereits traf Blatter in St. Petersburg ein, seit den Verhaftungen von hochrangigen Fifa-Funktionären am 27. Mai in Zürich hatte der 79-Jährige die Schweiz mit Verweis auf wichtigere Aufgaben im Zuge des Korruptionsskandals nicht mehr verlassen. Angeblich auch, um möglichen Strafverfolgern aus den USA aus dem Weg zu gehen.

Sepp Blatter – Fifa-Chef und Weltenlenker

Der Sieger ist – Katar: Joseph Blatter präsentiert den WM-Gastgeber 2022
Der Sieger ist – Katar: Joseph Blatter präsentiert den WM-Gastgeber 2022 © dpa
Sepp Blatter und Weltmeister Ronaldo
Sepp Blatter und Weltmeister Ronaldo © dpa | Olivier Maire
Joseph Blatter erhält von Bundeskanzlerin Angela Merkel das Bundesverdienstkreuz
Joseph Blatter erhält von Bundeskanzlerin Angela Merkel das Bundesverdienstkreuz © dpa | DB Roberto Pfeil
Franz Beckenbauer musste auf Sepp Blatter vertrauen, als sich Deutschland um die WM 2006 bewarb
Franz Beckenbauer musste auf Sepp Blatter vertrauen, als sich Deutschland um die WM 2006 bewarb © dpa | Bernd Weissbrod
Sie werden der Korruption beschuldigt (von oben links): Rafael Esquivel, Jose Maria Marin, Eduardo Li, Eugenio Figueredo, Nicolas Leoz, Jack Warner, Jeffrey Webb und Julio Rocha
Sie werden der Korruption beschuldigt (von oben links): Rafael Esquivel, Jose Maria Marin, Eduardo Li, Eugenio Figueredo, Nicolas Leoz, Jack Warner, Jeffrey Webb und Julio Rocha © dpa | Epa
Der frühere Fifa-Funktionär Jack Warner sieht sich schweren Anschuldigungen ausgesetzt
Der frühere Fifa-Funktionär Jack Warner sieht sich schweren Anschuldigungen ausgesetzt © dpa | Gary I Rothstein
Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela freute sich über die WM 2014 in Südafrika
Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela freute sich über die WM 2014 in Südafrika © dpa | Eddy Risch
Shakira, Stammsängerin bei der WM, mit Joseph S. Blatter
Shakira, Stammsängerin bei der WM, mit Joseph S. Blatter © dpa | Alessandro Della Bella
Absolution von allen Sünden? Sepp Blatter mit Papst Franziskus
Absolution von allen Sünden? Sepp Blatter mit Papst Franziskus © dpa | Osservatore Romano / Handout
Sean Connery, Pelé und Joseph Blatter
Sean Connery, Pelé und Joseph Blatter © dpa | Danilo Schiavella
Mit Präsident Wladimir Putin ist Joseph Blatter ebenfalls auf Tuchfühlung. Die WM 2018 findet in Russland statt
Mit Präsident Wladimir Putin ist Joseph Blatter ebenfalls auf Tuchfühlung. Die WM 2018 findet in Russland statt © dpa | Mikhail Klementev/Ria Novosti /
Joseph S. Blatter mit dem Präsidenten der Asiatischen Ländervereinigung, Mohamad bin Hammam
Joseph S. Blatter mit dem Präsidenten der Asiatischen Ländervereinigung, Mohamad bin Hammam © dpa | Ahmad Yusni
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Aufräumen wollen die WM-Macher zudem mit vermeintlichen Vorurteilen. „Es erschließt sich mir nicht, warum die Krise in der Ukraine oder die in irgendeinem anderen Land, sich negativ auf die Austragung der Weltmeisterschaft auswirken könnte“, sagte Alexej Sorokin, Chef des russischen WM-Organisationskomitees: „Wir sehen im Grunde keinen Zusammenhang mit politischen Konflikten. Wir wissen, dass eine WM für wahre Fußballfans gemacht ist, für Menschen, die Fußball lieben. Alles was wir tun können, ist ihnen unsere Gastfreundschaft anzubieten.“

Erst am vergangenen Wochenende hatte ein neuer Rassismus-Eklat in der Premier Liga daran Zweifel aufkommen lassen. Der Ghanaer Emmanuel Frimpong war im Moskauer WM-Stadion mit lauten Affenrufen verunglimpft worden. „Es ist eine Schande. So etwas geschieht in der russischen Liga beinahe in jedem Spiel – wenn das in drei Jahren ebenfalls passiert, wäre es hässlich und widerlich“, sagte der brasilianische Stürmerstar Hulk, der bei Zenit St. Petersburg unter Vertrag steht und eigentlich zusammen mit Bierhoff als „Losfee“ hätte auftreten sollen.

In letzter Sekunde ersetzte ihn die Fifa aber mit dem früheren russischen Nationalspieler Alexei Smertin. Offiziell, weil Zenit am Sonntag bei Ural Jekaterinburg antritt - nach Hulks Kritik wirkt der Wechsel am Lostopf aber wie purer Selbstschutz vor weiteren, unbequemen Ansagen des Brasilianers, die so gar nicht zur großen Show passen würden.

Der Modus der Auslosung

141 Teams werden innerhalb ihrer fünf Kontinentalverbände von Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke und seinen „Losfeen“ gezogen. Aus Europa nehmen 52 der 53 im Weltverband registrierten Nationen teil, Russland ist als Gastgeber gesetzt.

Probe für die WM-Auslosung
Probe für die WM-Auslosung © dpa | Marcus Brandt

Die möglichen Gegner

Deutschland ist als Zweiter der Fifa-Weltrangliste in Lostopf 1 gesetzt, dort finden sich allerdings auch Rumänien, Wales und Kroatien wieder. Die nehmen zum Beispiel den Ex-Weltmeistern Italien und Frankreich (beide in Topf 2) den Platz weg - deshalb droht mindestens ein richtig harter Brocken. Im schlimmsten Fall gibt’s die Hammergruppe: Deutschland, Italien/Frankreich, Polen/Schweden (Topf 3), Türkei (Topf 4) und zwei Mitläufer und den Töpfen 5 und 6. Die Sieger der neun Gruppen qualifizieren sich direkt, die acht besten Zweiten müssen in die Play-offs.

RTL überträgt: Mehr Spiele, mehr Einnahmen

Die Nationalmannschaften werden in sieben Gruppen mit je sechs Teams und zwei Gruppen mit je fünf Teams gelost. Auf Anfrage der Europäischen Fußball-Union (UEFA) werden Deutschland, England, Frankreich, Italien, die Niederlande und Spanien aber in jedem Fall in einer Sechser-Gruppe spielen. Das bringt mehr Spiele und mehr TV-Einnahmen. In Deutschland überträgt RTL die Partien vom 4. September 2016 bis zum 10. Oktober 2017.

Probe für die WM-Auslosung
Probe für die WM-Auslosung © dpa | Marcus Brandt

Fifa-Weltrangliste: Die Formel zum Mitrechnen

Die Weltranglisten-Formel lautet: Punkte = M x I x T x C. Der Faktor M: Punkte für jedes Spiel, Sieg drei, Remis oder Niederlage im Elfmeterschießen einen, Sieg im Elfmeterschießen zwei. Der Faktor I: Bedeutung des Spiels von Testspiel (1) über Qualifikationsspiel für WM oder EM (2,5) und EM oder Confed Cup (3) bis WM-Endrunde (4). Der Faktor T: Die Stärke des Gegners. Punkte gibt es stets 200 minus Ranglistenposition des Gegners. Für Spiele gegen Deutschland zum Beispiel 198 (200 minus Platz 2). Ab Platz 150 gilt für jedes Team der Faktor 50. Der Faktor C: Die Stärke der Konföderation des Gegners. Für Spiele gegen Teams aus Südamerika wird der Faktor 1 als Grundlage genommen, aus Europa 0,99 und die vier weiteren Konföderationen 0,85. Ein Sieg gegen Brasilien bringt also mehr Punkte als gegen ein Team aus Afrika oder Asien.