Hamburg. Hamburger Schwergewichtsboxer Ruslan Chagaev und Alexander Dimitrenko greifen mit neuen Trainern noch einmal an.

Der Schmerz ist noch nicht vergessen, auch wenn mehr als ein halbes Jahr vergangen ist, seit Fritz Sdunek starb. Der Weltmeistermacher war zwei Tage vor dem letzten Weihnachtsfest einem Herzinfarkt erlegen, er hat in der deutschen Boxszene eine große Lücke hinterlassen. Für viele war sein Tod einfach nur traurig, für manche jedoch hat er das Leben einschneidend verändert.

Ruslan Chagaev, WBA-Weltmeister im Schwergewicht, verlor seinen Cheftrainer. Alexander Dimitrenko, ehemaliger Europameister im Schwergewicht, musste den Verlust seines Mentors betrauern. Beide haben seitdem versucht, Ersatz zu finden, und wenn am Sonnabend (22 Uhr/Sat.1) in der Getec-Arena in Magdeburg die große Nacht der Schwergewichte ansteht, dann markiert dieser 11. Juli den Neustart für die beiden Sportler, deren Karriereweg erstaunliche Parallelen aufweist.

Chagaev und Dimitrenko kennen einander seit vielen Jahren. Im seit 2012 insolventen Hamburger Profistall Universum kreuzten sich erstmals ihre Wege. Der Usbeke Chagaev, 36, kam im Herbst 2003 nach Hamburg, trainierte bis zur Insolvenz in der Gruppe von Chefcoach Michael Timm. Der gebürtige Ukrainer Dimitrenko, 33, der mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, war im Dezember 2001 in Sduneks Trainingsgruppe eingerückt. „Ruslan und ich haben uns fast jeden Tag gesehen, hatten und haben ein sehr gutes Verhältnis“, sagt Dimitrenko.

Nach dem Universum-Aus verlor man sich aus den Augen, auch weil Dimitrenko sportlich den Anschluss zu verpassen drohte. 2009 hatte er zunächst eine bittere Niederlage im WM-Ausscheidungskampf gegen den US-Amerikaner Eddie Chambers zu verdauen, dann trennte sich Sdunek aus gesundheitlichen Gründen von seinem Schützling. Dimitrenko wurde mit Michael Timms Hilfe Europameister, verlor den Titel aber 2012 und musste sich seitdem durch die Niederungen des Profiboxens kämpfen, ohne festen Trainer, ohne Promoter, nur mit der Hoffnung auf bessere Tage.

Diese sollten beginnen, als Sdunek ihn im vergangenen Jahr mit Ibo Günes zusammenbrachte. Der frühere Karate-Europameister betreibt in Bergedorf ein Kampfsportstudio, Sdunek trainierte dort mit Chagaev, dessen Betreuung er im Frühjahr 2014 übernommen hatte, um den WBA-Champion auf seine Titelverteidigung gegen den US-Amerikaner Fres Oquendo vorzubereiten. Dimitrenko laborierte zu der Zeit an einem Achillessehnenriss, er suchte einen Coach, der ihn athletisch in Form bringen konnte. Günes, 43, bot seine Hilfe an. „Anfangs dachte ich, er sei einer dieser Schnacker, aber ich wollte unbedingt das Comeback schaffen, und weil Fritz ihn mir angepriesen hatte, habe ich es ausprobiert“, sagt Dimi­trenko. Und natürlich hatte sein Mentor den richtigen Riecher. „Schon nach wenigen Einheiten merkte ich, was Ibo kann. Seitdem arbeiten wir zusammen, und ich habe wieder Spaß am Boxen. Ich spüre, dass meine zweite Karriere begonnen hat“, sagt der Wandsbeker.

Auch für Chagaev, der mit seiner Familie in Rahlstedt lebt, öffnete sich nach Sduneks Tod eine neue Tür. Dank der Hilfe seines von Sdunek verpflichteten Athletiktrainers Patrick Esume konnte sich der Champion, der im Juni 2009 seinen WBA-Titel an Wladimir Klitschko verloren hatte und danach ebenfalls in ein Loch gefallen war, mit dem Kubaner Pedro Diaz, 52, einen Cheftrainer sichern, der ganz neue Trainingsreize setzte. Der langjährige Coach der kubanischen Nationalstaffel hat, so ist zu hören und im Training auch zu erahnen, aus dem behäbigen, bisweilen sogar faulen Profi einen leichtfüßigen und beweglichen Athleten gemacht, der an seiner Schlaghärte nichts eingebüßt hat. „Ich bin seit 37 Jahren im Boxen, war selbst Weltmeister und dachte, ich weiß alles. Aber so eine perfekte Einstellung auf einen Kampf wie bei Pedro habe ich noch nie gesehen“, sagt Co-Trainer Artur Grigorian. Chagaev sagt, er fühle sich „fitter und stärker als vor zehn Jahren“.

An diesem Sonnabend hat er die Chance, das nachzuweisen. In Magdeburg verteidigt er seinen WM-Titel gegen den Deutschitaliener Francesco Pianeta, der darauf hofft, erster deutscher Schwergewichtschampion seit Max Schmeling zu werden. Dass auf derselben Veranstaltung auch Dimi­trenko Anlauf zum Comeback nimmt, wenn auch einige Nummern kleiner mit einem Aufbaukampf gegen den Ungarn Zoltan Csala, ist wohl Ironie des gemeinsamen Schicksals. Chagaevs Manager Timur Dugazaev hat Dimi­trenko mit seiner Akhmat Promotion unter Vertrag genommen, will ihm einige Kämpfe Zeit geben, um noch einmal die Weltspitze anzugreifen.

Es ist zwar das alte Spiel, das Chagaev und Dimitrenko spielen. Aber die Hoffnung ist groß, dass Magdeburg für beide der Startschuss ist, um den Schmerz hinter sich zu lassen und auch ohne Sdunek das späte Glück zu finden.