Hamburg. Im Hamburger Golf-Club fand zum 50. Mal der 100-Loch-Pokal statt. Die Teilnehmer trotzten allen Widrigkeiten.

Es nieselt, es ist kalt und dunkel. 31 Golfer treffen sich an diesem Freitagmorgen um 3.30 Uhr auf dem Platz des Hamburger Golf-Clubs in Falkenstein zu einem der sonderbarsten Turniere, die es in der Golfszene gibt. „Alles Verrückte hier!“, sagt einer, und alle lachen. Statt müder Stimmung sind alle ausgelassen vor dieser 50. Auflage des „100-Loch-Pokals“ oder kurz dem „HuLoPo“. Warum macht man das bloß, 100 Loch an einem einzigen Tag zu spielen?

Um 4.30 Uhr geht es mit einem Kanonenstart los, das heißt, die Teilnehmer starten zur selben Zeit in Zweier-Flights an den verschiedenen Abschlägen. Es dämmert am frühen Morgen. Bis die Dunkelheit gegen 22.15 Uhr einbricht, müssen die 100 Löcher geschafft sein. Ein ambitioniertes Ziel, denn allein für eine normale Golfrunde über 18 Löcher rechnet man normalerweise mit vier bis viereinhalb Stunden.

Zwei Frauen befinden sich unter den Teilnehmern. Mit strammem Schritt läuft Kerstin Wywiol-Schlange los. Bis 2003 hatte sie bereits neunmal am „HuLoPo“ teilgenommen, dann kamen die Kinder und gesundheitliche Rückschläge. Nun will sie es zum Jubiläum das zehnte Mal schaffen. „Man muss konditionell und golferisch fit sein“, sagt die 53-Jährige. Um sich ihren Traum zu erfüllen, hat sie in der Woche zuvor ihr Hockey- und Tennistraining und gar ein Hockeypunktspiel abgesagt. Der 14-jährige Jacob Lange ist derweil der Jüngste im Feld und nimmt erstmals teil. Er hat zuletzt täglich vier Stunden trainiert.

Um 9.45 Uhr sind die beiden Frauen beim 37. Loch. Die Haare kleben nass am Kopf. Es hat den ganzen Morgen immer mal wieder geregnet. Das macht den meisten zu schaffen, die Füße sind nass, die Schlägergriffe rutschig. Nach 46 Löchern ist von elf Uhr an eine Mittagspause eingeplant.

Jacob Lange und sein Mitspieler Anton Overheu, 20, laufen direkt durch, sie wollen erst noch eine Runde spielen und erst dann eine kurze Pause machen. Im Clubhaus wird unterdessen eifrig diskutiert über die äußeren Bedingungen. Viele wechseln auf Joggingschuhe, andere schwören auf ihre eingelaufenen Golfschuhe, alles andere würde nur noch mehr Blasen ergeben. „Ich spiele alles in einer Montur“, sagt Norbert Thrams, 58, „froschgrüne Hose, lila Oberteil.“ Es sei zwar alles ein bisschen klamm, aber das störe ihn nicht. Seine Vorbereitung sei sein Skiurlaub im März gewesen, sagt er und lacht.

Am Nachmittag zieht der Himmel auf, es wird sonnig – immerhin 15 Grad Maximaltemperatur. Als das Turnier am 12. Juni 1966 das erste Mal gespielt wurde, war es übrigens der heißeste Tag des Jahres. Der „HuLoPo“ muss an einem der längsten Tage gespielt werden, sonst ist es kaum zu schaffen.

Die Idee, 100 Loch hintereinander an einem Tag zu spielen, kam fünf jungen Männern an der Theke. Henning Sostmann gewann damals den ersten Wettstreit. „Das war pure Begeisterung“, sagt der heute 74-Jährige. Mitbegründer Jochen Wortmann hat das Turnier 39 Jahre lang organisiert, danach hat es Sostmann übernommen.

Vom kommenden Jahr an werden es Hans Rüss und Thomas Schröder organisieren. Der 68-jährige Schröder ist in diesem Jahr der älteste Teilnehmer. Die Golfer kommen aus alter Verbundenheit zum Club aus Aachen, Zürich und London zum „HuLoPo“. In der 50-jährigen Geschichte des Turniers haben nur 14 Teilnehmer aufgeben müssen. Einer wurde nach nur 36 Löchern nahezu schlafend unter der Dusche gefunden. Die Teilnehmer nutzen üblicherweise keine Elektrowagen. Das verstoße gegen die Ehre, Golf sei ein Puristen-Sport, sagt Thrams. Einmal habe ein Tennistrainer abwechselnd fünf seiner Spielerinnen seine Golftasche über den Platz tragen lassen. Das sei bei den Mitspielern überhaupt nicht gut angekommen. Einer hat hingegen alle 100 Löcher mit nur einem Schläger, einem Eisen sieben, gespielt.

Inzwischen ist es 19.25 Uhr: Die ersten Teilnehmer haben den Golfmarathon geschafft – nach nur 15 Stunden und entsprechend gerade einmal neun Minuten pro Loch. Jeder wird mit Applaus auf der Terrasse des Clubhauses begrüßt. Um 21.15 kommt auch Jacob Lange an. An Aufgeben habe er im Gegensatz zu seinem Mitspieler nie gedacht. „Ich habe Anton nach den ersten 18 Löchern durchgezogen“, sagt der 14-Jährige und grinst seinen Flight-Partner an. Overheu nickt, lacht und sagt: „Es war Dummheit. Ich hatte die Einlagen für meine Schuhe vergessen.“ Seine Füße haben schnell darunter gelitten. Die Frauen kommen wenig später mit immer noch strammem Schritt auf das Clubhaus zu. „Das Bücken fällt etwas schwer, aber ansonsten ist es persönlich ein großer Erfolg, das zehnte Mal gespielt zu haben“, sagt Kerstin Wywiol-Schlange voller Freude.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen die letzten zwei Teilnehmer das Clubhaus um 22.10 Uhr. Etwas früher ist auch Norbert Thrams eingetroffen, immer noch fröhlich in grüner Hose und seinem lila Shirt. Er reißt die Arme nach oben: „Geschafft!“ Es war das 30. Mal, dass er den „HuLoPo“ gespielt hat. Eigentlich ist es seine 31. Teilnahme, aber 2008 zählt er nicht. Damals musste das Turnier nach drei Stunden Dauerregen abgebrochen werden – zum bisher einzigen Mal.

Abends im Clubhaus ist jeder Teilnehmer an einer schleppenden, leicht humpelnden Gangart zu erkennen. Die Freude bei der Siegerehrung ist groß. Erster in der Bruttowertung, also der absoluten Schlaganzahl, ist mit 445 Schlägen Anton Overheu geworden – auch ohne Einlagen in der ersten Runde. Sein Resümee: „Du kannst nicht sagen, du seist Golfer, und hast noch nie 100 Loch an einem Tag gespielt.“