Baku. Die Hamburgerin Margareta Kozuch führt die deutschen Frauen auch bei den Europaspielen in Baku als Mannschaftskapitänin an.

An das Unstete in ihrem Leben hat sich Margareta Kozuch längst gewöhnt. Dass sie im Sommer, wenn normale Arbeitnehmer in die Ferien fahren, mit der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft durch die Welt reist und an Urlaub nicht zu denken ist, stört sie nicht mehr. Und dass sie seit Jahren schon nicht weiß, wo diese Weltreise nach dem Sommer, wenn in allen Ländern der nationale Ligenbetrieb startet, enden wird, nimmt die Diagonalangreiferin mit einem erfrischenden Lachen zur Kenntnis, mit dem sie eigentlich alle Bedenken ins Positive verkehrt.

„Ich bin wieder einmal vereinslos und auf der Suche, aber es wird sich schon etwas ergeben“, sagt die 28-Jährige also, und natürlich muss sich die gebürtige Hamburgerin, die beim TuS Berne mit dem Volleyball begann und beim Aurubis-Stammverein TV Fischbek erste Bundesligaluft schnupperte, keine Zukunftssorgen machen. Für eine wie die 188 Zentimeter lange Ausnahmeangreiferin, die seit 2010 jedes Jahr zu Deutschlands Volleyballerin des Jahres gewählt wurde, findet sich in jeder Liga der Welt ein Platz. Und Baku, wo sie in diesen Tagen mit der deutschen Auswahl bei den ersten Europaspielen der Geschichte ans Netz geht, ist eine gute Bühne, um die eigenen Vorzüge in Erinnerung zu rufen.

Margareta Kozuch, die von allen nur „Maggi“ gerufen wird, hat sich in den vergangenen Jahren zum Wandervogel entwickelt. Nach dem Abschied aus Hamburg im Jahr 2007, wo sie nur noch wenige Tage im Jahr auf Familienbesuch ist, spielte sie für die italienischen Clubs Sassuolo, Novara und Busto Arsizio, bei Odintsovo in Russland, für das polnische Team aus Sopot. Sie wurde im Februar dieses Jahres chinesischer Vizemeister mit Shanghai und half danach für einige Monate bei Nordmeccanica Piacenza in Italien aus. Vor allem aber, und das macht sie in diesen Tagen noch interessanter, stand sie in der Saison 2013/14 bei Azeryiol Baku unter Vertrag. Sie kennt die Gastgeberstadt der Spiele also gut.

Zu den Diskussionen um die politische Lage und die Menschenrechte im totalitär regierten Aserbaidschan will sie nichts sagen. „Wir sind Sportler und konzentrieren uns nur darauf, mit unserem Auftreten für die Völkerverständigung einzustehen“, sagt sie. Generell jedoch habe sie sich in Baku sehr wohl gefühlt. „Natürlich haben die Menschen hier eine andere Mentalität. Aber dank meiner russischen Sprachkenntnisse konnte ich damals einige Hürden überwinden, außerdem sind hier alle extrem gastfreundlich und hilfsbereit“, sagt sie.

Um sich als Stadtführerin zu verdingen, dazu hat bislang die Zeit nicht gereicht, zu eng sind die Termine getaktet. Am Sonnabend erkämpfte sich die Auswahl des neuen Bundestrainers Luciano Pedullà, 57, einen 3:2-Auftaktsieg über Bulgarien, am Montag folgte ein 1:3 gegen Serbien, das dritte Gruppenspiel steht Mittwoch (6 Uhr MESZ) gegen die Niederlande an. Weitere Gruppenrivalen sind Kroatien und Europameister Russland, der im Gegensatz zu Vize-Europameister Deutschland nicht in Topformation antritt. Dies ist allerdings kein Grund, die Russinnen zu unterschätzen: „Die sind auch mit der dritten Garde noch stark genug“, sagt Kozuch.

Weil in Baku Punkte für die europäische Olympiaqualifikation gesammelt werden können, ist der Stellenwert des Turniers für die Deutschen hoch. „Wir können außerdem den olympischen Geist kennenlernen, denn mit Athleten aus anderen Sportarten in einem Dorf zu wohnen haben viele von uns noch nie erlebt“, sagt die für den Schweriner SC spielende Mittelblockerin Anja Brandt. Die in Elmshorn aufgewachsene 25-Jährige, die sich in der DVV-Auswahl mittlerweile etabliert hat, saß in der Mensa kürzlich neben Turn-Star Fabian Hambüchen. „Das war wirklich cool, einfach mal mit dem zu reden!“

Auch Kozuch war noch nie bei Olympischen Spielen, sie fehlen in ihrer beeindruckenden sportlichen Vita. Dass der neue Bundestrainer Pedullà ebenso auf die Tochter polnischer Eltern baut wie sein nach der enttäuschenden WM 2014 (Rang neun) zurückgetretener Vorgänger Giovanni Guidetti, ist auch in Baku deutlich zu besichtigen. Kozuch, am Strich unter ihrer Trikotnummer 14 als Mannschaftsführerin zu erkennen, ist mit ihrer Angriffswucht und den peitschenden Aufschlägen der Fixpunkt des deutschen Spiels.

Dank ihrer Italienisch-Kenntnisse kann sie dem Coach auch assistieren, wenn dessen Englisch, das als Hauptkommunikationssprache genutzt wird, an Grenzen stößt. Allerdings ist das kein Alleinstellungsmerkmal, eine Reihe von Nationalspielerinnen ist aufgrund früherer oder aktueller Engagements in Italien Pedullàs Muttersprache mächtig.

„Verständnisprobleme haben wir nicht“, sagt die 310-fache Auswahlspielerin. Die Zeit mit dem Nationalteam genießt sie, im Juli stehen die Grand-Prix-Turniere in Ningbo (China), São Paulo (Brasilien), Stuttgart und Omaha (USA) an, Ende September die EM in Belgien und den Niederlanden. Wohin die Reise sie dann führt, steht bekanntlich in den Sternen. Aber das wichtigste Ziel, das Margareta Kozuch hat in den verbleibenden Jahren als Volleyballprofi, das steht fest: Rio de Janeiro im August 2016.