Baku. Gastgeber Aserbaidschan verspricht eine grandiose Premiere für die Europaspiele – und blockt die Kritik von Menschenrechtlern ab.

Patrick Hickey, 70, hat eine Mission, und er hat keine Lust, sich diese schlechtreden zu lassen. Der Vorsitzende des Europäischen Olympischen Komitees (EOC), der Dachorganisation der 50 kontinentalen nationalen Sportverbände, will die Europaspiele, die von diesem Freitag an in Aserbaidschans Hauptstadt Baku ihre Premiere feiern, zu einem Erfolg machen. Und dafür ist der Ire bereit, jegliche Kritik abperlen zu lassen. „Wir werden großartige Spiele erleben, und Baku wird danach ein ernst zu nehmender Kandidat für die Ausrichtung Olympischer Spiele sein“, sagte Hickey auf der offiziellen Eröffnungs-Pressekonferenz im Athletendorf.

Kritik gibt es an den Spielen, zu denen rund 6000 Athleten und 900 Medienvertreter aus allen 50 EOC-Mitgliedstaaten in die Zweimillionenstadt am Kaspischen Meer angereist sind, vor der Eröffnungsfeier hinreichend. Vor allem der Fakt, dass die Menschenrechte in der von Staatsoberhaupt Ilham Alijew totalitär regierten ehemaligen Sowjetrepublik dem Anspruch westlicher Demokratien nicht genügen und bis zu 100 Regimekritiker im Gefängnis schmoren sollen, sorgt für Empörung.

Christian Schreiber, Vorsitzender der Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), hatte in einer Erklärung zu Wochenbeginn die Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert – eine Forderung, der sich in Baku DOSB-Generaldirektor Michael Vesper erneut anschloss. Dass der Menschenrechtsorganisation Amnesty International von der Regierung des dank großer Öl- und Gasvorkommen reichen Gastgeberlandes verboten wurde, im Umfeld der Spiele eine Pressekonferenz abzuhalten, kritisierte Vesper als „ein Vorgehen, das wir in Deutschland selbstverständlich anders gehandhabt hätten“. Dennoch unterstrich er Hickeys Einlassung, das EOC sei keine politische Organisation und habe daher „keine Handhabe, um souveräne Staaten zu etwas zu zwingen“.

Die aserbaidschanische Regierung kritisierte die Einmischung westeuropäischer Staaten auf einer Pressekonferenz im noblen Hotel Vier Jahreszeiten in der Altstadt, auf der 90 Minuten lang zu allen Themen gefragt werden konnte, als Kampagne. „Es gibt hier keine politischen Gefangenen, das sind Menschen, die gegen Gesetze verstoßen haben. Unsere Bürger haben alle Freiheiten“, sagte Ali Hasanow, stellvertretender Ministerpräsident. Sportminister Azad Rahimow sagte: „Wir wollen Baku auf der Weltkarte positionieren und beweisen, wozu wir in der Lage sind.“

Dass der Sport seine völkerverbindenden Fähigkeiten auch in Baku nutzen müsse, ist für Vesper selbstverständlich und „der bessere Weg als ein Boykott“. Als das richtige Zeichen wertet die EOC-Familie die Teilnahme einer Delegation armenischer Sportler, obwohl Armenien mit seinem Nachbarn Aserbaidschan einen blutigen Konflikt in der Krisenregion Berg-Karabach austrägt. Überhaupt, so Hickey, solle in Baku nicht die Politik, sondern der Sport im Vordergrund stehen.

Das ist allerdings nicht ganz so einfach, zu unterschiedlich ist der Umgang der 20 teilnehmenden Fachverbände – neben 16 olympischen Sportarten sind auch Basketball in der Version drei gegen drei, Karate, Strandfußball und der Kampfsport Sambo im Programm – mit den ersten Spielen. Während im Triathlon, Tischtennis und Schießen direkte Startplätze für Olympia 2016 in Rio locken und weitere neun Sportarten immerhin Punkte für das Brasilien-Ticket vergeben, sind die Kernsportarten Schwimmen und Leichtathletik nur mit Nachwuchsteams vertreten, andere wie Hockey gar nicht am Start.

Bedenken, dass die in Baku verteilten Medaillen deshalb höchst unterschiedlichen Stellenwert haben, wischt Hickey vom Tisch: „Wir haben 150 Olympiamedaillengewinner und 200 Weltmeister am Start. Europa hat diese Spiele gebraucht, sie werden ein großer Erfolg werden.“ Die kommenden 16 Tage werden das beweisen müssen.