Hamburg. Der Cheftrainer der deutschen Hockeydamen spricht über die Lehren aus der verkorksten WM 2014 für die anstehende Olympiaqualifikation.

An diesem Mittwoch (15 Uhr) starten die deutschen Hockeydamen im spanischen Valencia in die Mission Olympia 2016. Beim World-League-Halbfinale soll durch den Halbfinaleinzug das Ticket für Rio de Janeiro gelöst werden. In den weiteren Vorrundenpartien gegen Irland (Do., 15 Uhr), die USA (So., 15 Uhr) und Südafrika (16. Juni, 17 Uhr) muss sich das Team, in dem elf Hamburgerinnen stehen, eine gute Ausgangsposition für das Viertelfinale schaffen, das überkreuz mit Gruppe A (Argentinien, China, Großbritannien, Spanien und Kanada) ausgetragen wird. Im Abendblatt-Gespräch erläutert Bundestrainer Jamilon Mülders, 37, warum er an die Qualifikation für Olympia glaubt.

Hamburger Abendblatt: Herr Mülders, als Achter der WM 2014 fährt man nicht als Favorit zu einem World-League-Halbfinale. Warum glauben Sie dennoch an die Olympiaqualifikation?

Jamilon Mülders: Weil ich überzeugt davon bin, dass wir uns in allen Bereichen, die wir nach der WM als verbesserungswürdig ausgemacht hatten, verbessert haben. Die WM ist zwar seit September abgehakt, mit den vorhandenen Potenzialen, die wir erkannt haben, haben wir uns aber bis zuletzt beschäftigt.

Dann lassen Sie uns diese noch einmal aufarbeiten. Das wichtigste Thema war die Stabilität unter Wettkampfstress, dass das Team unter Belastung nicht seine Topleistung abrufen konnte. Wie haben Sie das in den Griff bekommen?

Mülders : Indem wir sehr viele Gespräche geführt haben, individuell, in kleinen und größeren Gruppen, und vieles von der Mannschaft haben erarbeiten lassen, um jeder Spielerin ihre Rolle bewusst zu machen. Wir haben bis Ende vergangenen Jahres bewusst Reize gesetzt, Finger in Wunden gelegt, eingefahrene Muster gekreuzt und gestört. Seit Beginn dieses Jahres haben wir die Spielerinnen, die zu uns passen, weiterentwickelt. Jetzt ist allen viel klarer, was sie tun wollen und sollen. Dabei geht es nicht nur um die Erwartung von außen, sondern weiterhin auch um die Eigenwahrnehmung. Sicherheit schafft Vertrauen. Bei der WM hat sie gefehlt, jetzt wächst sie langsam wieder heran. Vertrauen ist halt schwer aufgebaut und sehr schnell wieder zerstört.

Die WM hat Defizite im athletischen Bereich, vor allem aber auch im Torabschluss offenbart. Sind Sie auch auf diesen Feldern weitergekommen?

Mülders : Wir hatten in beiden Bereichen keine eklatanten Defizite, sondern absolutes Potenzial. Athletisch waren und sind wir auf gutem Niveau, gut reicht aber leider nicht immer aus. Wir haben den Kader in aller Ruhe mit jungen Spielerinnen ergänzt, die die Athletik mitbringen, die in der Weltspitze gefordert ist. Wir haben hart an unserer Strafecke gearbeitet, sowohl offensiv als auch defensiv, weil diese Standards immer wichtiger werden und wir dort im Vergleich mit den Topnationen viel Nachholbedarf hatten. Und wir haben durch die Reduzierung unserer Trainingsinhalte und die Fokussierung auf die mentale Stabilität auch mehr Klarheit in unserem Spiel, es ist einfacher geworden. Das sollte letztlich auch den Torabschluss verbessern.

Als Konsequenz aus dem schlechten WM-Abschneiden hatten einige – und auch Sie – Reformen in der Bundesliga angeregt. Eine Verkleinerung von zwölf auf zehn Teams, Einführung von Play-offs, um das Niveau zu erhöhen und den Wettkampf zu fördern. Nichts davon ist passiert. Sind Sie sauer?

Mülders : Überhaupt nicht, denn in Wahrheit ist einiges passiert. Auf den Trainerpositionen in den entscheidenden Vereinen ist eine deutlich gewachsene Offenheit gegenüber den Bedürfnissen des Verbands und der Nationalmannschaft da. Es gibt eine extrem hohe Kooperationsbereitschaft, weil die Trainer wissen, dass der Verzicht im Training auf die Nationalspielerinnen nicht nur Nachteile bringt. Die Mädels werden beim DHB ja nicht schlechter. Außerdem haben wir die Struktur der Trainertagungen geändert, arbeiten dort viel zielgerichteter, und es gibt eine Bundesliga-AG, die sich um die strategische Ausrichtung der Liga Gedanken macht. Es ist viel angestoßen worden. Dass die Verkleinerung der Liga nicht kommt und auch keine Play-offs eingeführt werden, das bedaure ich, aber es ist Makulatur. Die Kompromissbereitschaft zwischen Verband und Vereinen ist mittlerweile wirklich super.

Teilen Sie die Meinung, dass es einfacher ist, sich in Valencia das Ticket für Rio zu erkämpfen, als im Fall einer Viertelfinalpleite Ende August in London Europameister werden zu müssen, um als Kontinentalmeister bei Olympia zu starten?

Mülders : Das ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Der Fokus liegt derzeit nur auf der World League. Aber vor zwei Jahren hat uns auch keiner zugetraut, dass wir Europameister werden, und plötzlich waren wir es. Das zeigt doch auch, dass unsere Entwicklung seit London 2012 nicht schlecht war. Die WM war über 14 Tage schwach, aber die Entwicklung davor und danach war gut.

Der Verband vertraut Ihnen deshalb ja auch, hat Ihren Vertrag kürzlich unbefristet verlängert. Ein schönes Zeichen, und das trotz einer schwachen WM.

Mülders : Ja, aber warum sollte der Verband mir auch nicht vertrauen? Ich habe im November 2012 einen Auftrag erhalten, und dieser kann nicht innerhalb von zwei Jahren erfüllt werden. Dies war allen Beteiligten klar. Entweder man setzt auf Inhalte und hat Geduld, oder man guckt stur auf Ergebnisse. Beides ist machbar, trägt aber die jeweilige Konsequenz in sich. Meine Mitarbeiter und ich haben uns weiterentwickelt und sind die richtige Besetzung für diese Positionen. Die WM war ein Spiegelbild des Trainers, ich habe elementare Fehler gemacht und konnte einiges nicht so steuern, wie es nötig gewesen wäre. Diese Verantwortung habe ich von Anfang an bewusst übernommen. Bis Ende 2016 wird es immer noch Ups and Downs geben, aber die Klarheit im Leistungsprofil wird immer deutlicher werden. Also auch schon jetzt bei unseren Spielen hier vor Ort.