Hamburg. Das Deutsche Spring- und Dressurderby, das heute in Klein Flottbek startet, bietet Rekorde bei Preisgeld und Zuschauerzahl.

Der Duft von frisch gemähtem Gras gaukelt Idylle vor. Aber beim Blick vom Großen Wall, der dank des Presenting-Sponsors J.J. Darboven als „Idee-Kaffee-Wall“ das härteste Hindernis des Deutschen Springderbys darstellt, ist eine Sache sicher: Dass man am Sonntag, wenn von 14.30 Uhr an im Klein Flottbeker Derbypark die 86. Auflage der schwersten Springreitprüfung der Welt ausgeritten wird, weder Ross noch Reiter sein möchte. Drei Meter hoch ist der grasbewachsene Hügel, den die Paare gemeinsam bewältigen müssen, 80 Grad steil geht es mit rund 300 Prozent Gefälle hinab. Die Momente, in denen die Tiere beim Anblick dieses Abgrunds scheuen, sind es, die beim Publikum regelmäßig für Gänsehaut und Schockstarre sorgen.

Genau das ist der Reiz, der auch Volker Wulff immer wieder packt. Seit 2000 ist der 58-Jährige Chef des Spring- und Dressurderbys, der Vertrag zwischen seiner Marketingagentur En Garde und dem Hausherren, dem Norddeutschen und Flottbeker Reiterverein (NFR), wurde im vergangenen Jahr bis 2024 verlängert. Auch wenn Wulffs Mobiltelefon in diesen Tagen fast im Minutentakt klingelt, strahlt er eine Gelassenheit aus, die erstaunlich ist. Begründet liegt diese in der Tatsache, dass das fünftägige Pferdesportspektakel (Gesamtetat 2,9 Mio. Euro), das an diesem Mittwoch mit dem schon zur Tradition gewordenen Schnuppertag bei freiem Eintritt eröffnet wird, erneut auf Rekordkurs steuert. Der Kartenvorverkauf liegt um 15 Prozent höher als im Vorjahr, das mit 84.000 Besuchern für die aktuelle Bestmarke sorgte. „Wenn das Wetter mitspielt, dann hoffen wir, dass die Resonanz ähnlich hoch wird“, sagte Wulff.

Einerseits ist Hamburgs Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024/2028, für die der Derbypark in Klein Flottbek fest als Reitsportstandort eingeplant wäre, ein Grund für das gestiegene Interesse. „Viele Neukunden haben ihren Kartenkauf damit begründet, die Hamburger Sportbegeisterung unterstützen zu wollen“, sagte Wulff. Andererseits sieht der Derbychef die Mischung aus sportlicher Weltklasse, die am Sonnabend (13.20 Uhr) auf der fünften Etappe der Global Champions Tour geboten wird, und dem Flair des Derbys als wichtigsten Anreiz für einen Besuch. Das Geläuf ist optimal präpariert, die Grasnarbe ist geschlossen, sehr dicht und homogen, der Boden fest. „Perfekt“, findet Wulff, der in die Instandhaltung der Anlage mit En Garde und dem NFR erneut eine fünfstellige Summe investiert hat.

Um die mit 26 Sprüngen über 17 auf 1250 Metern verteilte Hindernisse längste Springprüfung der Welt zu entschärfen, wurde der Große Wall leicht abgeflacht, um beim Abrutschen etwas mehr Führung zu ermöglichen. Auch die Irischen Wälle wurden, um die Verletzungsgefahr zu minimieren, pferdefreundlicher gestaltet. Dass deshalb das Teilnehmerfeld mit sechs ehemaligen Derbysiegern, den drei deutschen Topreitern Christian Ahlmann (Marl), Marco Kutscher (Norden) und André Thieme (Plau am See) und den Favoriten Michael Duffy (Irland) und Nigel Coupe (England) erlesen erscheint wie seit Jahren nicht, ist möglich. Das Rekordpreisgeld von 180.000 Euro dürfte ein weiterer Grund sein.

Die beiden Qualifikationen, die am Donnerstag (9.45 Uhr) und Freitag (13.50 Uhr) anstehen, wird auch Hamburgs beste Springreiterin Janne Friederike Meyer in Angriff nehmen. Die Olympiateilnehmerin von London 2012 geht im Sattel von Cellagon Anna an den Start. „Sie hat im Probetraining so sehr überzeugt, dass wir es gemeinsam wagen werden“, sagte Meyer, die sich am Dienstag noch in Berlin wegen anhaltender Rückenprobleme behandeln lassen musste. Im Speed-Derby (Sonnabend, 17.45 Uhr), das beim Publikum sehr beliebt ist, wird sie mit Casting angreifen, und auch bei der mit 300.000 Euro dotierten Global Champions Tour will die 34-Jährige ebenfalls starten. Siegchancen rechnet sie sich angesichts des erlesenen Teilnehmerfelds, für das die Top Fünf der Weltrangliste gemeldet haben, nicht aus.

Eine erfreuliche Entwicklung konnte Wulff auch für das Dressurderby vermelden. Seit 2013 ist die mit 20.000 Euro dotierte und aufgrund des Pferdewechsels im Finale der besten drei als sehr anspruchsvoll eingestufte Viersterneprüfung internatioal ausgeschrieben. „Neben den Championatsgewinnern Anabel Balkenhol, Nadine Capellmann, Hubertus Schmidt und Christoph Koschel sind 20 internationale Starter aus zwölf Nationen gemeldet“, sagte er. Auch das ist Rekord.