Foxborough. Wegen der angeblichen Verwicklung in die Affäre um zu schwach aufgepumpte Bälle ist Tom Brady gesperrt worden. Beweise hat die NFL nicht.

Eigentlich muss viel passieren, damit ein Held wie Tom Brady zu Fall gebracht wird. Dass schon ein Hauch Luft dafür reicht, hätte sich in den USA noch vor wenigen Monaten niemand vorstellen können. Wegen seiner angeblichen Verwicklung in die Affäre um zu schwach aufgepumpte Bälle (“Deflategate“) hat die NFL den Footballstar von Super-Bowl-Champion New England Patriots für vier Spiele gesperrt. Echte Beweise liegen der Liga nicht vor.

Wusste er was, oder wusste er nichts? Diese Frage beschäftigt die Football-verrückte Nation seit diesem 18. Januar, als beim Halbfinalsieg der Patriots gegen die Indianapolis Colts (45:7) zur Pause festgestellt wurde, dass elf von zwölf Bällen zu schlapp waren. Da New England nicht zum ersten Mal verdächtigt wurde, sich mit Mauscheleien Vorteile zu verschaffen, nahm der Druck auf die ohnehin in der Kritik stehende NFL stetig zu.

Nun hat der umstrittene Boss Roger Goodell durchgegriffen, das Urteil ist hart. Erst in der fünften Woche der neuen Saison darf Quarterback Brady wieder ran, passenderweise geht es dann gegen Indianapolis. Dazu muss der Klub eine Million Dollar zahlen, zwei Draftpicks wurden gestrichen. „Absolut lächerlich“ findet das beispielsweise LaGarrette Blount. Allein ist der Patriots-Runningback damit nicht.

„Trotz unserer Überzeugung, dass es keine Manipulation an Bällen gab, wollten wir jede Strafe der Liga akzeptieren“, sagte Klubbesitzer Robert Kraft, ein milliardenschwerer Unternehmer: „Die heutige Strafe übertrifft allerdings jede vorstellbare Erwartung. Sie basiert voll und ganz auf Indizien und nicht auf harten oder nachvollziehbaren Beweisen.“

In der Vorwoche hatte die eingesetzte Untersuchungskommission ein 243-seitiges Dokument veröffentlicht. Das dünne Ergebnis war, dass Mitarbeiter der Patriots „wahrscheinlich“ die Bälle zu schwach aufgepumpt hätten. Auch eine Absicht sei „eher wahrscheinlich als nicht“ gewesen. Schwer vorstellbar, dass dies vor einem ordentlichen Gericht überhaupt für eine Anklageerhebung gereicht hätte.

Brady hat stets bestritten, von den Vorgängen gewusst zu haben. Deshalb kündigte sein Agent einen Einspruch an. „Die Strafe entbehrt jeder rechtlichen Grundlage“, kritisierte Don Yee. Die Einschätzung wollte Chef-Ermittler Ted Wells nicht unkommentiert stehen lassen. „Dass die NFL von mir wollte, das populärste Gesicht der Liga zu diskreditieren, ist ein lächerlicher Vorwurf“, sagte der Jurist. Die Ergebnisse beruhten auf Beweisen.

Brady schweigt zum Urteil

Brady schweigt bislang zum Urteil. Der 37-Jährige hat bereits erklärt, sich erst nach umfassender Studie der Unterlagen äußern zu wollen. Es spricht schon einiges dafür, dass an der Sache etwas dran ist. So stand Patriots-Headcoach Bill Belichik 2007 wegen „Spygate“ am Pranger und musste 500.000 Dollar zahlen, da ein Mitarbeiter seines Stabs verbotenerweise die Anweisungen des Gegners an die Defensive gefilmt hatte. „Die Patriots sind Betrüger aus Gewohnheit, deshalb holen sie Titel“, meint nicht nur der ehemalige NFL-Profi Phillip Buchanon. Zwei Wochen nach „Deflategate“ hatte New England die Seattle Seahwaks im Finale geschlagen (28:24).

Dass Kraft bereit war, jede Strafe zu akzeptieren und zuletzt die beiden Mitarbeiter suspendiert wurden, die die Luft abgelassen haben sollen, spricht nicht für den viermaligen Champion. Einer nennt sich übrigens selbst „Deflator“.

Lustig ist das alles nicht. US-Präsident Barack Obama ließ es sich beim Empfang des Teams um den Deutschen Sebastian Vollmer im Weißen Haus aber nicht nehmen, seine Gäste etwas zu kitzeln. „Normalerweise mache ich ein paar Witze bei diesen Gelegenheiten. Aber bei den Patriots hatte ich Sorge, dass elf von zwölf zu platt sind.“ (sid)