Hamburg. Hamburgs Marathonchef Frank Thaleiser plädiert für Massenstarts bei Sommerspielen. Bis zu 35.000 Läufer passen auf die Strecke an Alster und Elbe.

Dieser Marathon ist ein Traum. 30.000 laufen an diesem wunderschönen August-Sonntag des Jahres 2024 auf dem Kleinen Grasbrook ins voll besetzte Hamburger Olympiastadion. Der Olympiasieger ist längst eingetroffen, doch die 70.000 bejubeln noch stundenlang jene Jedermänner, die sich an diesem Morgen auf dieselbe 42,195 Kilometer lange Strecke an Elbe, Alster und HafenCity begeben haben wie die Spitzenläufer aus den mehr als 100 Nationen.

Frank Thaleiser, der Chef des Haspa-Marathons, der an diesem Sonntag (9 Uhr, NDR live) zum 30. Mal gestartet wird, schwärmt von dieser Vorstellung, wenn er an Olympische Sommerspiele in Hamburg denkt. „Was bei jedem Stadtmarathon der Welt möglich ist, die Verbindung von Spitzen- und Breitensport, warum sollte das nicht irgendwann auch bei Olympia machbar sein, am besten natürlich 2024 in Hamburg?“ Bei internationalen Leichtathletik-Meisterschaften wurden bislang Klasse und Masse strikt getrennt, der Paradigmenwechsel wurde aber schon im vergangenen Jahr bei der Halbmarathon-Weltmeisterschaft in Kopenhagen vollzogen, als hinter dem Elitefeld 20.000 Hobbyläufer ins Rennen durch die dänische Hauptstadt gingen.

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    Mit einem ähnlichen Konzept will sich Hamburg um die Halbmarathon-WM 2020 bewerben. Die Chancen auf den Zuschlag seitens des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF stehen offenbar gut. Sie kostet rund drei Millionen Euro, ein Drittel der Summe müsste die Stadt wahrscheinlich dazu schießen. Dazu scheint der Senat im Rahmen der Olympiabewerbung bereit.

    Bei Olympia laufen Frauen und Männer getrennt Marathon, die Frauen traditionell am zweiten Sonnabend der Spiele, die Männer am dritten und letzten Sonntag. Bei beiden Wettbewerben sei in angemessenem zeitlichen Abstand zu den etwa 160 Olympiateilnehmern ein Massenstart denkbar, sagt Thaleiser. „In Hamburg können wir gestaffelt bis zu 35.000 Läufer auf die Strecke lassen. Jedermann-Rennen bei Olympia dürften in kurzer Zeit ausverkauft sein. Die organisatorischen Herausforderungen sind immens, aber bei entsprechendem Vorlauf lösbar.“

    Die Hauptschwierigkeit, gleichzeitig die größte Attraktion, dürfte der Einlauf ins Olympiastadion werden. 30.000 zusätzliche Athleten verkraftet der begrenzte Innenraum der Arena kaum, eine schnelle Rückführung der Jedermänner nach ihrem Zieleinlauf im Stadion auf den Kleinen Grasbrook, wo ihnen die Erinnerungsmedaillen verliehen würden, wäre wohl möglich.

    Alternativ könnte der Jedermann-Marathon vor dem Stadion enden, eventuell bereits in der HafenCity. Dort sollten dann auf den letzten 100 Metern der Strecke provisorische Tribünen stehen. „Vieles ist denkbar“, sagt Thaleiser, „die Idee ist aber so charmant, dass sich alle Anstrengungen lohnen würden, sie auch umzusetzen.“ Dass die Qualität der olympischen Wettbewerbe nicht unter dem Massen-Marathon leiden dürfe, sei „natürlich eine grundlegende Voraussetzung“.

    Olympische Spiele für alle, Allympics, diese Vision begleitete schon die Hamburger Bewerbung für die Sommerspiele 2012. Der damalige Sportamtsdirektor Hans-Jürgen Schulke, heute Professor an der Hochschule Macromedia, forderte, Olympia neu zu denken, „kreativer, raus aus den festgefahrenen Strukturen“. Jeder Hamburger sollte ein Olympionike werden, der dort seinen Sport treibt, wo sich die Besten der Welt messen. Ergebnisse dieser Denkanstöße waren der Triathlon (Premiere 2002) und der HafenCity Run (2003), Wettbewerbe, die es in dieser für jedermann zugänglichen Form in der Stadt nicht gab. Beides wurden Erfolgsmodelle – wie zuvor der Marathon und die Cyclassics.

    In die aktuelle Hamburger Olympiakampagne sind diese Überlegungen wieder eingeflossen. Die olympischen Arenen sollen allen Hamburgern in den Jahren vor den Spielen, in den drei Wochen danach bis zu den Paralympics und auch später zugänglich sein. Vorstellbar wäre, 2024 Schulwettbewerbe wie die Bundesjugendspiele im Olympiastadion auszutragen oder ein Kinderturnfest, das aus den vielen schon jetzt bestehenden Kinderturnsonntagen in den Vereinen erwächst, in der großen Olympiahalle. Lokale, regionale Meisterschaften oder Events für jedermann könnten ebenfalls in den olympischen Stätten stattfinden. „Ziel sollte es sein, Konzepte für möglichst viele Sportarten für viele Bevölkerungsgruppen und Altersklassen zu entwickeln“, sagt Schulke.

    Die von Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), angestoßene Reformagenda 2020 scheint alternativen Möglichkeiten bei Olympia erstmals größeren Raum zu eröffnen. Eine stärkere Teilhabe der Bevölkerung ist erwünscht, um die Akzeptanz der Spiele zu erhöhen. Vorstellbar wären Massenstarts bei Radrennen, beim Triathlon oder dem Freiwasserschwimmen, das in Hamburg in der Außenalster durchgeführt würde. Organisatorisch am leichtesten, da sind sich Olympiakenner einig, wären Jedermänner in den Marathon zu integrieren.