Hamburg . Die HSV-Profis sind über die Schiedsrichter-Entscheidung gegen Rotsünder Behrami stinksauer. Westermann: „Ein absoluter Witz“

Sonntag, 17.10 Uhr. In einem der spielerisch schwächsten Nordderbys seit vielen Jahren deutete alles auf ein 0:0 hin. Während sich der HSV mit diesem Unentschieden längst angefreundet hatte, berannten die Bremer Spieler eher uninspiriert das Tor von René Adler, der kaum ernsthaft geprüft worden war. Doch dann ging Zlatko Junuzovic nach einem Foul von Valon Behrami im Strafraum zu Boden, und Schiedsrichter Wolfgang Stark zeigte sofort auf den Elfmeter-Punkt, Werder-Torjäger Franco Di Santo verwandelte in der 84. Minute der Partie zum 0:1. Der 500. Heimsieg von Werder, die fünfte Niederlage des HSV in Folge und die sechste Partie ohne Treffer (insgesamt 586 Minuten) waren perfekt. Hamburg bleibt mit nur 25 Punkten und 16 Toren Tabellenletzter.

Viel und ausgiebig wurde diese spielentscheidende Szene in den Minuten nach dem Spielende diskutiert, vor allem auch, weil Behrami (wegen Notbremse) auch noch mit Rot vom Platz musste. „Ein absoluter Witz“, schimpfte Heiko Westermann, „wenn der Spieler alleine auf das Tor läuft und eine 1000-prozentige Chance verhindert wird, dann okay, aber wir standen drei gegen eins, da hätten ein Strafstoß und eine Gelbe Karte gereicht. Außerdem wurde Cléber kurz vorher geblockt. Die Entscheidung des Schiedsrichters ist für mich völlig unverständlich.“

Diplomatischer drückte es Bruno Labbadia nach seinem Comeback als HSV-Trainer (siehe auch Bericht Seite 20) aus: „Di Santo hat die Szene dankend und clever angenommen und ist im richtigen Moment gefallen. Es ist nicht so, dass man den Elfmeter nicht pfeifen kann, aber so eine Situation wird nicht immer gepfiffen.“

Schon wieder Behrami, werden viele HSV-Fans gedacht haben. Bereits vor einer Woche hatte der Schweizer nach seinem handfesten Zoff mit Johan Djourou in der Halbzeit des Wolfsburg-Spiels die Schlagzeilen beherrscht. Vor dem Spiel schien jedoch alles ausgeräumt. Der HSV postete bei Facebook am Morgen sogar ein Foto des lächelnden Mittelfeldspielers und schrieb: „Alles Gute Valon Behrami! Zum 30. Geburtstag wünschen wir dir nicht nur alles Gute, sondern am liebsten auch drei Punkte heute.“

Obwohl diese frommen Wünsche nicht erfüllt wurden, blieb Behrami kämpferisch: „Wir haben noch fünf Spiele, fünf Finals. Ein Punkt wäre so wichtig für die Tabelle gewesen, ja. Aber wie die Mannschaft gespielt hat, habe ich Vertrauen und glaube an das Ziel, in der Bundesliga zu bleiben.“

Tatsächlich war es Labbadia gelungen, den verunsicherten Spielern nach den leblosen Auftritten gegen Leverkusen und Wolfsburg neues Leben einzuhauchen. Zumindest die Grundtugenden mit den kompaktem Verteidigern der zwei Viererketten vor Rafael van der Vaart und Pierre-Michel Lasogga wurden erfüllt. Saisontreffer Nummer 17 war sogar einmal in Reichweite, als Zoltan Stieber nach einer Ostrzolek-Flanke frei zum Schuss kam, aber knapp am linken Pfosten vorbei zielte (28.). Die beste Chance für die Gastgeber vergab Davie Selke nach einer Di-Santo-Flanke (43.). Glück hatte Rafael van der Vaart, dass er nach einem üblen Tritt gegen Jannik Vestergaard, der ausgewechselt werden musste, ohne Verwarnung blieb. Das war dunkelgelb.

Richtig giftig war es im 102. Nordderby eigentlich nur vor dem Anpfiff, als die Werder-Anhänger ein Transparent entrollten: „Eine Kühne-AG als Gegner, nur mit Clowns und eine Szene, die so keine ist, macht das Derby für uns alle grau und trist.“ Versehen mit einem Porträt von Kühne, mal mit Clown-, mal mit Schweinchen-Nase.

Was eigentlich nicht möglich schien, trat dennoch ein: Das Niveau sank in der zweiten Hälfte noch weiter. Während erneut Stieber den Schuss aufs Werder-Tor abgab, scheiterte der eingewechselte Seeler-Enkel Levin Öztunali mit seinem Distanzschuss an Adler. Ansonsten? Viele Fehlpässe auf beiden Seiten, viel Stückwerk, „In der zweiten Halbzeit kam ein bisschen wenig von uns“, gab Ivica Olic zu. „Wir waren zufrieden damit, die Null zu halten.“ Gerade nach den Niederlagen der Konkurrenz aus Freiburg, Hannover, Paderborn und Stuttgart wäre ein Punkt auch sehr wertvoll gewesen. So blieb den Spielern nichts anders übrig, als Motivation aus der (auf niedrigem Niveau) Leistungssteigerung zu ziehen:

„Wir werden an den Offensivaktionen arbeiten, dann sind wir irgendwann reif für einen Dreier“, sagte Adler. Doch so langsam gehen dem HSV die Spiele aus. „Fakt ist, dass gegen Augsburg dreimal gepunktet werden muss“, forderte Westermann. Labbadia wird dann eine neue Zentrale aufstellen müssen, da neben Behrami auch Lewis Holtby (fünfte Verwarnung) fehlt, Bei Marcelo Diaz (Zerrung) gibt es allenfalls eine Mini-Chance auf ein Comeback. Als Alternativen kämen Gojko Kacar und Petr Jiracek infrage. Oder van der Vaart rückt zurück.

Was jetzt noch Hoffnung macht? „Ich sehe uns jeden Tag als Team arbeiten. Aber wir brauchen vielleicht auch mal ein bisschen Glück“, sagte Adler. „in unserer Situation ist wichtig, dass das, was wir trainieren, moralisch untermauert wird.“

Stenogramm

Bremen: Casteels - Gebre Selassie, Galvez, Vestergaard (23. Lukimya), Prödl - Bargfrede - Fritz, Junuzovic (88. Kroos) - Yildirim (59. Öztunali) - Selke, Di Santo. - Trainer: Skripnik

Hamburg: Adler - Westermann, Cleber, Rajkovic, Ostrzolek - Behrami, Holtby - Stieber (70. Nicolai Müller), van der Vaart (86. Rudnevs), Olic - Lasogga. - Trainer: Labbadia

Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding)

Tor: 1:0 Di Santo (84., Foulelfmeter)

Zuschauer: 42.100 (ausverkauft)

Gelbe Karten: - Westermann (3), Nicolai Müller (7), Holtby (5)

Rote Karte: Behrami nach einer Notbremse (82.)