Hamburg. Dagur Sigurdsson, Trainer der deutschen Handballer und der Füchse Berlin, über seine Jobs und den Vergleich mit dem HSV.

Langweilig waren Handballspiele zwischen den Füchsen Berlin und dem HSV Hamburg noch nie. Bisweilen wurde auf und neben dem Platz mehr ausgeteilt als mit dem Fair-Play-Gedanken vereinbar. Vor seinem letzten Bundesligaduell mit dem HSV am Mittwoch (19 Uhr/Sport1) schlägt der scheidende Füchse-Trainer Dagur Sigurdsson, 41, im Interview aber den moderaten Tonfall an, der seiner bald alleinigen Funktion als Bundestrainer angemessen ist.

Hamburger Abendblatt: Herr Sigurdsson, Sie haben am Sonntag den Berliner Halbmarathon bestritten. Haben Sie sich schon davon erholt?

Dagur Sigurdsson: Ja. Es hat Spaß gemacht, ich war mit meiner Frau und ein paar Freunden unterwegs. Die letzten fünf Kilometer waren allerdings eine ziemliche Quälerei. Ich war zuvor ja noch nie so eine lange Strecke gelaufen.

Wird am Mittwoch in Berlin auch die Mannschaft gewinnen, die sich besser quälen kann?

Sigurdsson : Es wird jedenfalls wie immer ein heißes Spiel werden. Wir befinden uns ja tabellarisch auf einem Niveau. Beide Mannschaften hatten die ganze Saison über Probleme, wir vielleicht noch etwas mehr mit unseren Langzeitverletzten Denis Spoljaric, Colja Löffler und Bartlomiej Jaszka. Der HSV wiederum hatte mit dem drohenden Lizenzentzug zu kämpfen, dazu kam der Trainerwechsel in der Saison.

Beiden fehlen bereits sechs Pluspunkte zum fünften Tabellenplatz, der sicher zur Teilnahme am EHF-Pokal berechtigt. Welche Mannschaft ist weiter von ihrem Saisonziel entfernt?

Sigurdsson : Für den HSV kann ich nicht sprechen. Was unser Saisonziel betrifft: Wir wollten sowohl im DHB-Pokal als auch im EHF-Cup ins Final-Four-Turnier, das haben wir geschafft. In der Bundesliga hat uns die Niederlage vergangene Woche in Melsungen zwar zurückgeworfen, aber ich glaube immer noch, dass die Qualifikation für den Europapokal möglich ist.

2014 haben die Füchse den DHB-Pokal gewonnen. Was hat dieser erste Titel der Vereinsgeschichte bewirkt?

Sigurdsson : Zunächst einmal sind wird danach in ein richtiges Loch gefallen. Wir hatten noch viel vor, hatten im EHF-Pokal in eigener Halle eine zweite Titelchance, haben aber nicht mehr zu unserem Rhythmus gefunden. Dann kamen die Verletzungen dazu. Jetzt gilt es, das Beste aus der Situation zu machen. Am Ende dieser Saison wird es einige personelle Änderungen bei uns geben, die Mannschaft wird dann eine andere sein und einen neuen Trainer bekommen. Trotzdem will ich, dass die Spieler bis zum Ende Gas geben und wir einen guten Übergang schaffen.

Sie selbst werden sich dann auf das Amt des Bundestrainers konzentrieren können. Da müsste es Ihnen doch gefallen, dass der HSV ebenfalls stärker auf junge Talente setzen will.

Sigurdsson : In die Politik der Vereine mische ich mich nicht ein. Ich bin aber überzeugt, dass junge Spieler in Deutschland gute Clubs finden und sich auch durchsetzen können. Und es freut mich zu sehen, dass die Bundesligavereine, unterstützt auch durch die Einführung der Jugendbundesliga 2011, mehr Wert auf die Nachwuchsarbeit legen. In den vergangenen Jahren waren die Füchse sehr dominant, jetzt ziehen hoffentlich andere nach.

Beim HSV hatten es Nachwuchsspieler in der Vergangenheit schwer.

Sigurdsson : Das ist normal, wenn ich einen 17er-Profikader habe. Einen solchen braucht man auf der anderen Seite auch, um die Champions League zu gewinnen. In meiner Heimat Island schaffen es talentierte Jugendliche vielleicht früh in die erste Liga. Andererseits hört man den Nationaltrainer klagen, dass die zu schwach ist. In Deutschland gibt es für jedes Niveau passende Vereine.

Derzeit steht kein Hamburger in Ihrem Kader. Wann werden wir wieder einen HSV-Spieler im Trikot der Nationalmannschaft sehen?

Sigurdsson : Ich versuche, die Mannschaft so zusammenzustellen, dass sie zusammenpasst, ohne Rücksicht auf Name oder Verein. Wenn ich meine, dass ein Hamburger uns weiterhelfen kann, werde ich ihn einladen.

Bernhard Bauer ist vergangene Woche nach nur eineinhalb Jahren als Präsident des Deutschen Handball-Bundes zurückgetreten. Es soll Querelen mit seinem Stellvertreter Bob Hanning gegeben haben, der wiederum die Füchse managt. Sitzen Sie zwischen den Stühlen?

Sigurdsson : Ich will mich da gar nicht positionieren. Mein Verhältnis zu Bernhard Bauer war gut und vertrauensvoll. Ich bin aber der Meinung, dass wir in der sportlichen Leitung gut aufgestellt sind.

Sie werden künftig mehr Zeit haben. Planen Sie schon einen Marathonstart?

Sigurdsson: Kurz nach dem Halbmarathon habe ich mir gesagt: Nie wieder! Aber wer weiß. Ich will die Zeit jedenfalls vor allem nutzen, um mich bei der Jugendförderung und Trainerausbildung im DHB einzubringen. Das Ziel ist, allen Nachwuchstrainern Zugriff auf unsere Analysen und Materialien zu ermöglichen, um die Handballausbildung in Deutschland zu verbessern.