Beim ersten WM-Auftritt von Felix Neureuther in den USA soll es gleich die erste Medaille geben. Im Team-Event am Dienstag zählt die deutsche Mannschaft zu den Favoriten. Die Stimmung ist gut, die Zuversicht groß. Einzig Dopfers Rücken macht Probleme.

Vail. Bei allem Spaß mit den Kollegen ist das Team-Event bei den Ski-Weltmeisterschaften für Felix Neureuther keinesfalls eine Jux-Veranstaltung. „Es geht um Medaillen. Entweder man hat sie, oder man hat sie halt nicht“, erklärte der WM-Zweite im Slalom von 2013 und betonte vor dem Wettkampf am Dienstag (22.15 Uhr MEZ/ARD und Eurosport): „Das ist die große Chance, eine zu gewinnen.“

Österreich, Schweden und Frankreich bezeichnete Neureuther in einem Interview als die größten Konkurrenten. „Es wird natürlich nicht einfach, die anderen haben auch richtig starke Mannschaften am Start. Aber ich denke, wenn wir unsere Leistungen bringen, dann kann auch das Ergebnis am Ende gut passen“, sagte der 30-Jährige im Teamhotel in den Rocky Mountains.

Vor zwei Jahren in Schladming unterlagen er, Maria Höfl-Riesch, Lena Dürr und Fritz Dopfer in den spektakulären Duellen Mann gegen Mann und Frau gegen Frau Gastgeber Österreich im Halbfinale. Am Ende gab es Bronze. Beim Rennen in Vail sollen im Idealfall Neureuther, Dopfer, Viktoria Rebensburg und Veronique Hronek für die erste deutsche Medaille dieser Titelkämpfe sorgen. „Wir sind eine schlagkräftige Truppe“, sagte Dopfer am Sonntag (Ortszeit) umringt von seinen stets zu Späßen aufgelegten Kollegen. „Wir haben in Schladming bewiesen, dass wir am Tag X da sein können.“

2013 war der inzwischen bemerkenswert konstante Sportler einer der Erfolgsgaranten, dieses Mal ist sein Start jedoch unsicher. Beim WM-Training in Park City sei es ihm „reingeschossen in die Muskulatur und auch in die Facettengelenke“, berichtete Dopfer in Vail über Schmerzen im Rücken. Er sagte aber auch: „Es geht von Tag zu Tag besser.“ Schon jetzt absagen und Kraft sparen für Riesenslalom und Slalom? Komme nicht infrage. „Die Tendenz geht in die richtige Richtung. Wenn ich fit bin, dann will ich da auf jeden Fall auch fahren“, betonte der 27-Jährige.

Team-Event bei Olympischen Spielen 2018

Auch Rebensburg lässt keinen Zweifel an ihrer Motivation: „Weil das ein cooles Event ist. Ich war in Schladming nicht dabei und habe es am Fernseher geschaut“, berichtete sie. Damals war Rebensburg im Training gestürzt und nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte, die Coaches entschieden sich für Höfl-Riesch und Dürr plus Hronek als Ersatz. „Da habe ich mir gedacht, bei der nächsten WM werde ich alles dafür tun, dass ich am Team-Wettbewerb teilnehmen kann. Wir haben eine super Truppe.“

Sonst Einzelsportler, sind die Skirennfahrer im Team-Event, womöglich schon 2018 Bestandteil des Olympia-Programms, Mitglieder einer Mannschaft. „Es ist schön, wenn der eine für den anderen da ist“, kommentierte Rebensburg, weiß aber auch: „Wenn man es verhaut, dann ist man in erster Linie nicht auf sich selbst sauer, sondern denkt daran: Da hängt das ganze Team mit dran.“ Die Ausnahmesituation will Neureuther vor allem genießen. „Es macht unheimlich viel Spaß, als Team auftreten zu können – und es ist schon auch eine große Ehre, weil man als ganze Mannschaft sein Land vertritt.“

2005 bekam Neureuther schon einmal Gold im Team-Wettbewerb, der damals allerdings noch im alten Modus ausgetragen wurde. Wie es sich anfühlt, nach den Parallel-Rennen als Weltmeister bezeichnet zu werden, weiß Trainer Mathias Berthold. 2013 war er noch Chefcoach von Österreichs Herren. Worauf es ankommt, muss dem 49-Jährigen also niemand erklären. „Wir müssen erst mal die erste Runde überstehen.“

Neureuther im Interview

Neureuther spricht im Interview über die Vorbereitungen auf die WM, den bisherigen Saisonverlauf, sein Verhältnis zu Rivale Hirscher und warum er glaubt, dass er bei dieser WM erfolgreich sein kann.

Felix, Sie sind vor ein paar Tagen hier in Vail angekommen, zuvor waren Sie mit ihren Mannschaftskollegen zum Training in Park City. Hat das etwas gebracht?

Felix Neureuther: „Es war gut. Es war sehr ruhig dort. Der Januar ist für mich doch ein intensiver Monat, mit vielen Rennen, mit vielen großen Rennen, mit viel Trubel. Deswegen hat es wahnsinnig gut getan, mal abschalten und sich in Ruhe vorbereiten zu können.“

Ihren Facebook-Bildern nach zu schließen, hatten Sie dort auch eine Menge Spaß mit Ihren Mannschaftskollegen. Auf einem Bild sieht es so aus, als würden sie gemeinsam Klippenspringen trainieren.

Neureuther: „Das war überragend (lacht) ... Es macht einfach unheimlich Spaß, mit diesen Jungs in einer Mannschaft zu sein, vor allem auch mit den Jungen, mit Linus (Strasser) und Stefan (Luitz). Und wenn die Jungen auf einen Alten treffen und der Alte auch noch ein bisschen jung geblieben ist im Kopf, dann kann auch mal ein Blödsinn dabei rauskommen. Es war richtig geil.“

Fühlt man denn als angeblich Alter noch ein Kribbeln, wenn man dann bei einer WM vor Ort eintrifft?

Neureuther: „Ich weiß gar nicht, meine wievielten Weltmeisterschaften das hier sind (Anm.: die siebten), aber für mich ist das schon etwas anders als für die Jungen. Als Junger kommst du hierher und denkst: Das muss schon etwas Spezielles sein. Ist es aber nicht. Für mich ist wichtig, dass wir hier gut betreut werden, gut trainieren können. Die WM, die Rennen, die waren bei mir hier zunächst nicht im Kopf. Das ist auch wichtig, sonst verbrennt man zu viel Energie im Kopf. Den Schalter lege ich erst am Renntag um, da sage ich mir: So, Junge, jetzt fokussieren, jetzt geht die Post ab.“

Sie hatten vor der Saison und auch seit Saisonbeginn immer wieder Probleme mit dem Rücken. Wie sehr beschäftigt einen das? Steckt da im Hinterkopf, dass jederzeit etwas passieren kann?

Neureuther: „Das ist gar nicht im Hinterkopf. Und daran darf man auch gar nicht denken. Hier sind wir optimal versorgt, also selbst, wenn etwas sein sollte, kann man schnell handeln. Aber: Ich mache mir über meinen Rücken überhaupt keine Gedanken, auch, weil es mir gut geht. Das Einzige, worauf ich achte, ist, dass ich im Training nicht überziehe.“

Sind Sie angesichts dieser Probleme überrascht von Ihrem Saisonverlauf?

Neureuther: „Speziell der Saisonanfang war für mich schon ein bisschen überraschend (Anm.: Neureuther war Mitte November Zweiter beim Slalom in Levi). Dann hatten wir einen richtigen Block in Amerika Ende November. Das war für mich die wichtigste Phase, da wusste ich: Wenn es hier passt, wird es auch in Europa passen, wenn dort die Rennen Schlag auf Schlag kommen. Das war dann tatsächlich der Fall, dann fühlt man sich gut, dann kommt eines zum anderen – und dann haut es irgendwie hin.“

Man bekommt einen Lauf? Gibt es so etwas?

Neureuther: „Es fällt einem sicher vieles leichter, wenn die Ergebnisse passen. Wenn man dann zum nächsten Rennen kommt, hat man ein anderes Selbstvertrauen. Speziell im Slalom, wo der Kopf so immens entscheidend ist. Wenn Du oben am Start stehst und weißt: Wenn ich das runterbringe, was ich kann, dann wird es schwer, mich zu schlagen. Und wenn du mit einer solchen Körpersprache und einer solchen Einstellung an den Start gehst, wird es schwieriger für die anderen, schneller zu sein. Das ist unheimlich wichtig.“

Angesichts Ihrer bemerkenswerten Serie von 13 Podestplatzierungen in den vergangenen 15 Slalom-Rennen: Lässt sich so ein Lauf bei einer WM fortsetzen? Oder gelten da andere Gesetze?

Neureuther: „Jetzt ist Weltmeisterschaft, alles geht von null los. Alles, was vorher war, ist völlig wurscht, alles. Und das muss jedem klar sein, und das ist mir auch klar. Selbst, wenn man alles gewonnen hätte: Das zählt bei der Weltmeisterschaft nicht. Das ist ein komplett neues Rennen.“

Sie haben unbestritten eine große sportliche Rivalität mit dem Österreicher Marcel Hirscher: Bleibt da Platz für eine Freundschaft, von der immer wieder zu hören ist?

Neureuther: „Meine besten Freunde sind sicher andere. Die kenne ich, seit ich im Kindergarten war. Aber ich habe vor Marcel unheimlich großen Respekt, und ich denke, Marcel vor mir auch. Das Skifahren ist das eine, da ist Rivalität, aber wenn die Rennen vorbei sind, kann man sich ja trotzdem gut verstehen. Das ist aber nicht nur bei mir und Marcel so, sondern mit vielen anderen Jungs. Mit Marcel habe ich überhaupt kein Problem, und es ist einfach schön zu sehen, dass man sich trotz des Konkurrenzkampfes abends treffen und gemeinsam etwas essen kann.“

Was hat der Skifahrer Marcel Hirscher, das Sie gerne hätten?

Neureuther: „Puh ... (lacht) ... schon ziemlich viele Medaillen, Gesamtweltcup-Siege, Slalomweltcup-Siege ... Im Ernst: Marcel ist ein absoluter Ausnahmeskifahrer. Was ihn auszeichnet, ist der unbedingte Wille, dieser Drang nach Perfektion. Er ordnet alles dem Sport unter, das macht ihn so stark, vielleicht stärker als andere. ... Aber ich bin schon auch nicht so schlecht.“

Was haben Sie, was Sie Marcel Hirscher niemals geben würden?

Neureuther: „Erst mal natürlich meine wunderbare Freundin ... Im Ernst: Sportlich? Ich weiß nicht, ich will mich hier jetzt nicht als Großer hinstellen. Marcel ist ein absoluter Ausnahmekönner, den es im Skisport ich weiß nicht wie oft in hundert Jahren gibt. Ich glaube wirklich nicht, dass er etwas von mir braucht (lacht).“

Los geht es für Sie in Vail mit dem Team-Wettbewerb, in dem sie 2005 schon mal Weltmeister waren. Was ist für Sie das Besondere an diesem Wettbewerb?

Neureuther: „Es ist schön, dass man mit der Mannschaft am Start steht, dass man gemeinsam sein Land vertritt. Es macht unheimlich viel Spaß, weil man sich gegenseitig pushen kann und mit den anderen mitfiebert, mehr als sonst. Man fährt außerdem Frau gegen Frau, Mann gegen Mann. Das macht den Reiz aus. Und es ist der erste Wettbewerb für mich, da kann man reinkommen in die WM – und auch mal abchecken, wie die Gegner so drauf sind. “

Wie sehen Sie danach Ihre Chancen im Riesenslalom?

Neureuther: „Es ist eine andere Erwartungshaltung da, an mich, von mir an mich, weil die Ergebnisse im Slalom besser waren. Im Riesenslalom kann ich nur überraschen. Da sind die Favoriten andere. Und das ist auch etwas Schönes. Zu verlieren hat man eh nie etwas, und das ist meine Devise, so werde ich das angehen: Ich werde da hundert Prozent riskieren.“

Gemeinsam mit Fritz Dopfer bilden sie derzeit das wohl erfolgreichste Duo im Riesenslalom, auf jeden Fall aber im Slalom. Wie wichtig ist Fritz Dopfer für Sie, für die Mannschaft?

Neureuther: „Es ist einfach immens wichtig, eine starke Mannschaft zu haben, dass man sich vergleichen, dass man sich pushen kann. Der Fritz fährt jetzt seit ein paar Jahren auf einem extrem hohen Niveau. Wenn er schneller ist im Training, probiere ich schneller zu fahren und umgekehrt. Jetzt kommen Junge dazu wie Linus (Strasser) und Stefan (Luitz), die das Ganze zusätzlich anheizen. Das zeichnet uns aus: Diese mannschaftliche Geschlossenheit. Und daran hat der Fritz einen großen Anteil.“

Eine erfolgreiche Saison wie die Ihre weckt Erwartungen. Wann wäre diese WM für sie eine erfolgreiche?

Neureuther: „Ich bin keiner mehr, der hingeht und sagt: Hey, ich will Gold gewinnen. Ich weiß sehr wohl, was meine Ansprüche sind und was ich leisten kann. Wenn ich leiste, was ich kann, wird es schwierig, schneller zu sein als ich, und wenn ich nach der WM das Gefühl hätte, ich habe geleistet, was ich kann, dann war es auch eine gute WM. Ich weiß, was ich zu tun habe, damit es passt.“

Mit Material von sid