Die Hallen-WM wird in der Variante Hockey 5 gespielt, die Deutschland als weltweit einzige Nation abgeschafft hat

Leipzig. Es streiten sich die Gelehrten, ob es Berti Vogts war oder doch Rudi Völler, der die deutschen Sportfans mit der Weisheit bereicherte, dass es keine Kleinen mehr gebe im Weltfußball. Obwohl das schon damals falsch war und auch heute nicht stimmt, gehört Tiefstapeln längst nicht mehr nur im Fußball zum guten Ton. Auch in Leipzig, wo von diesem Mittwoch an bis Sonntag die 4. Hallenhockey-Weltmeisterschaften der Damen und Herren ausgetragen werden, konnte am Dienstag besichtigt werden, wie Ansprüche aufeinanderprallten.

Während Stephan Abel und Heino Knuf, Präsident und Sportdirektor des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), angesichts der bislang bei WM-Turnieren unterm Dach erdrückenden Dominanz ihrer Teams – die Herren holten bei allen drei bisherigen Austragungen den Titel, die Damen 2003 und 2011 – die Fortführung der Erfolgsserien forderten, versuchten die Bundestrainer den Druck abzuschwächen. „Natürlich gehen wir in jedes Spiel, um es zu gewinnen, aber vom Reden holt man keine Titel. Es ist definitiv kein Selbstgänger, die Konkurrenz hat aufgeholt, gerade die Niederlande investieren viel und sind klarer Favorit“, sagte Damen-Chefcoach Jamilon Mülders.

Stefan Kermas, der anstelle des nur in beobachtender Funktion anwesenden Bundestrainers Markus Weise die Herren verantwortet, sagte: „Wir wissen, dass man von uns den Titel erwartet, aber wir wissen auch, dass wir dafür hart arbeiten müssen. Teams wie Polen, Österreich, Russland sind auch stark genug, um hier ganz oben zu stehen.“ Man mag diese Aussagen für Understatement halten angesichts des Weltklasse-Aufgebots, das vor allem die Herren in Leipzig an den Start bringen. Tatsächlich aber gibt es eine Unwägbarkeit, mit der sich die deutschen Krummstock-Artisten erst arrangieren lernen müssen: das Spielsystem. Um den Hockeysport weltweit für mehr Wettbewerber zu öffnen, hatte der Weltverband FIH vor der Hallensaison 2013/14 die Variante Hockey 5 eingeführt. Nur noch vier statt fünf Feldspieler sollten das Spiel schneller, attraktiver und torreicher machen, zudem war die Überlegung, Hockey 5 mittelfristig auch bei Olympischen Spielen anstelle der bislang gültigen Feld-Variante mit elf Spielern pro Team einzusetzen, um im olympischen Dorf Platz zu schaffen.

In Deutschland floppte der Versuch allerdings, die Bundesligaclubs rebellierten, so dass zur gerade abgelaufenen Hallensaison 2014/15 wieder zur alten Sechservariante zurückgekehrt wurde. Allerdings waren die Deutschen weltweit die einzige Nation, die diesen Schritt vollzog. Da internationale Turniere unter FIH-Regeln ausgetragen werden, müssen die WM-Gastgeber sich in dieser Woche auf das ungeliebte System umstellen. Ob das ein Nachteil ist, wird sich zeigen. „Unsere Spieler sind alle in der Lage, sich kurzfristig auf Veränderungen einzustellen“, sagt Sportdirektor Knuf.

Die ersten Eindrücke in den Testspielen waren positiv, vor allem, weil die FIH die Torwartregel angepasst hat. Durften zum Start von Hockey 5 die Torhüter bei Ballbesitz des eigenen Teams so oft wie gewünscht vom Feld rennen, um Überzahlspiel zu ermöglichen, ist der Keeperwechsel nun auf zweimal pro Partie limitiert. „Dadurch haben wir nicht mehr dieses Ballgeschiebe am Kreis wie im Handball“, sagt Weise. Fakt ist jedoch, dass das Spiel laufintensiver ist als gewohnt, weil mit einem Akteur weniger dieselbe Fläche abgedeckt werden muss, zumal die beiden Felder in der Arena Leipzig mit 44 mal 22 Metern das von der FIH vorgegebene Maximalmaß aufweisen, das es in der Bundesliga nirgendwo gibt.

Schnellen, technisch begabten Spielern, wie sie die Deutschen haben, sollte das zugute kommen. Allerdings müssen die Trainer darauf achten, die Wechselintervalle kurz zu halten. „Wir haben uns am Eishockey orientiert, wo fliegende Wechsel die Regel sind“, sagt Kermas. Zudem müsse eine bessere Abstimmung untereinander den fünften Feldspieler ersetzen. „Jeder muss seine Aufgabe genau ausführen, und daran müssen wir auch während des Turniers noch arbeiten, um in den K.-o.-Spielen unsere Topform zu erreichen.“ Ob mit vier oder fünf Feldspielern – flach spielen und hoch gewinnen dürfte auch bei dieser WM ein Erfolgssystem werden.