Die deutschen Handball-Männer haben einen Vier-Tore-Rückstand gegen Russland im zweiten Spiel der Handball-WM in Katar noch in einen 27:26-Sieg gewandelt. Ein tolle Mannschaftsleistung.

Doha/Hamburg. Was für ein Krimi. Die deutschen Handballer sind bei der WM in Katar nur noch einen Erfolg von ihrem Minimalziel Achtelfinale entfernt. Nach dem Sieg am Freitag gegen Polen hat die Mannschaft von Trainer Dagur Sigurdsson am Sonntag auch Russland besiegt. Dafür war im Spiel in Doha aber eine Energieleistung von Nöten, bis zur Pause sah es noch nach einer Niederlage aus. In der zweiten Halbzeit drehte das DHB-team aber auf und besiegt Russland mit 27:26 (9:13). Mit vier Punkten übernehmen die Deutschen nun auch Tabellenführung in der Vorrundengruppe D.

Vor nur rund 3500 Zuschauern in der riesigen Lusail Multipurpose Hall warf Kapitän Uwe Gensheimer neun Tore. Nächster Gegner ist am Dienstag (19 Uhr MEZ/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) Staffelfavorit Dänemark.

„Insgesamt war das nicht so überzeugend wie das erste Spiel. Aber solche Spiele muss man auch gewinnen. Jetzt haben wir am Dienstag vielleicht schon das Spiel um den Gruppensieg. Carsten Lichtlein hat in den entscheidenden Phasen wichtige Bälle gehalten“, sagte der frühere Weltmeister-Trainer Heiner Brand.

Vom Spiel um den Gruppensieg wollte Sigurdsson noch nichts wissen. „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Wir machen das so weiter wie bisher, machen unsere Vorbereitung und halten den Fokus“, sagte der Isländer und meinte: „Es ist weniger eine Erleichterung als dass man zufrieden ist und froh, dass man gewonnen hat.“

Es war aber ein schweres Stück Arbeit, wie Sigurdsson vorausgesagt hatte. „Wir brauchen eine gute Abwehr und ein paar Gegenstoßtore. Ich muss sehen, welche Spieler zu den Russen passen“, hatte der Coach ausgegeben. Dennoch war es keine Überraschung, dass er seiner Startformation vom 29:26-Sieg gegen Polen zwei Tage zuvor vertraute.

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Doch seine Stammsieben tat sich gegen Russland schwer. Vor allem die Abwehr war der Knackpunkt für die deutsche Mannschaft. Sigurdsson hatte bekannt, dass ihm Russland als Gegner Kopfzerbrechen bereitet. Er habe schon seit der Auslosung kein gutes Gefühl gehabt. Und das trog ihn zunächst nicht. Von Beginn an lief sein Team einem Rückstand hinterher. Schon beim 3:5 (12.) nahm der Isländer eine erste Auszeit und versuchte, seine Spieler wachzurütteln.

Mit einem anschließenden Zwischenspurt glich die DHB-Auswahl zum 6:6 (16.) aus. Doch statt nun konzentrierter zu Werke zu gehen, erwies sich die Phase nur als Strohfeuer. Vor allem die Angriffsschwäche, die nach den letzten Testspielen und dem Erfolg über Polen überwunden schien, machte dem deutschen Team zu schaffen. Gerade einmal jeder zweite Wurf landete im russischen Tor. Selbst in personeller Überzahl kassierte es durch leichtfertige Ballverluste im Angriff Gegentore. Aus dem Rückraum kam so gut wie nichts.

Sigurdsson versuchte gegenzusteuern und probierte vor allem auf der Position im linken Rückraum sein gesamtes Personal aus. Nach Paul Drux kam Fabian Böhm zum Einsatz und in der Schlussphase der ersten Halbzeit sollte Stefan Kneer für Impulse, Torgefahr und mehr Sicherheit sorgen. Doch alle Maßnahmen fruchteten nicht. Dem 7:10 (23.) folgte zur Pause ein 9:13-Rückstand.

In der Pause fachsimpelten Weltmeister-Trainer Heiner Brand und Martin Schwalb, der den HSV Hamburg zum Champions League-Sieg geführt hatte, auf der Tribüne über die unübersehbaren Schwächen im deutschen Team. „Aus dem Rückraum fehlt der Druck, außer von Weinhold. Da muss mehr Power von hinten kommen“, sagte Brand. Als Chance sah er zur Pause, dass die russische Mannschaft in ihrer Abwehrzentrale in Jegor Jewdokimow und Alexander Pischkin zwei Spieler hatte, die bereits Zeitstrafen auf dem Konto hatten. „Die haben ja ein Problem im Mittelblock“, analysierte der DHB-Sportmanager.

Mit mehr Mut und Entschlossenheit ging die deutsche Mannschaft in der zweiten Hälfte zu Werke und schaffte beim 14:14 (35.) zum zweiten Mal im Spiel den Ausgleich. Kneer krönte die Aufholjagd in Überzahl mit dem Treffer zum 18:17 (41.) und der ersten Führung. Beim 25:22 (51.) lag das DHB-Team mit drei Toren vorn, musste aber trotzdem bis zum Ende um den Erfolg kämpfen.

In den letzten Sekunden wurden zwei Offensiv-Fouls in Ballbesitz Russland umgewandelt. Doch zehn Sekunden vor Schluss verwarfen die Russen den Ball ins Aus. Der Sieg war der deutschen Mannschaft nicht mehr zu nehmen.

Statistik:

Deutschland – Russland 27:26 (9:13)

Deutschland: Heinevetter (Berlin), Lichtlein (Gummersbach) – Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen/9/4), Groetzki (Rhein-Neckar Löwen/6), Wiencek (Kiel/4), Weinhold (Kiel/2), Drux (Berlin/2), Kraus (Göppingen/2), Strobel (Balingen/1), Kneer (Rhein-Neckar Löwen/1), Schöngarth (TuS N-Lübbecke), Pekeler (Lemgo), Sellin (Melsungen), Müller (Melsungen), Böhm (Balingen), Schmidt (Friesenheim) –

Russland: Lewschin, Grams – Igropulo (6/3), Dibirow (5), Atman (4), Schipurin (3), Kowalew (3/1), Tschitnikow (2), Gorbok (2), Schischkarew (1).

Schiedsrichter: Kliko/Johansson (Schweden)

Zeitstrafen: 7:8

Siebenmeter: 4/4:4/5

Zuschauer in Doha: 3.500

Mit Material von dpa und sid